Ein „Getipptes Gespräch“ bringt erste Entlastung
LINZ. Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, die Rat suchen, ist die Chatberatung das Mittel der Wahl. „Die Erfahrung zeigt, dass Beratungen über das Internet trotz der räumlichen Distanz sehr emotional sein können“, weiß Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142.
Rund 73 Prozent der User der Chatberatung der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142 sind unter 30 Jahren. „Jüngere Zielgruppen sind fast zu 100 Prozent in digitalen Kontexten unterwegs“, so Stefan Kühne, Experte für Onlineberatung und -therapie. Sie sind demnach vertraut damit, durch schriftliche Kommunikation Fragen zu klären, Probleme zu benennen und in den Austausch mit anderen zu treten. „Der Sofortchat der TelefonSeelsorge ist damit anschlussfähig an die Lebenswelten und den digitalen Sozialraum Jugendlicher und junger Erwachsener“, hebt Kühne dessen Potenzial hervor.
Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Referentin der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142, schildert: „Junge Menschen wissen oft nicht, an wen sie sich mit ihren Sorgen wenden können, wollen Eltern und Freunde nicht belasten oder fühlen sich einsam und unverstanden.“ Durch das virtuelle Angebot würden Betroffene schnell Rat und Hilfe finden.
Vielfältige Sorgen und Nöte
„Ein Chat ist ein getipptes Gespräch. Oft bringt das Schreiben über das, was beschäftigt, ängstigt oder zermürbt, eine erste Entlastung“, so Lanzerstorfer-Holzner. Von Schulstress und Mobbing über Einsamkeit und Trauer bis hin zu seelischen Belastungen aufgrund der „enormen Dichte an Krisen“ und dem „erdrückenden Gefühl, dass keinerlei Beruhigung in Sicht ist“ – die Themen, mit denen Jugendliche an die TelefonSeelsorge herantreten, sind vielfältig.
Ein Chat unterstütze beim Sich-Sortieren und helfe dabei, erste Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. „Im Schutz der Anonymität öffnen sich Jugendliche häufig leichter und schneller, sodass auch schambesetzte Themen wie selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken, Missbrauch oder Suchtproblematiken angesprochen werden“, erläutert Lanzerstorfer-Holzner.
Große Nähe trotz Distanz
Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge OÖ – Notruf 142, verweist auf die Handlungsmacht der Ratsuchenden: „Sie können sich dafür entscheiden, anonym zu bleiben, und haben es in der Hand, den Kontakt jederzeit ohne Angabe von Gründen abzubrechen.“
Die Erfahrung zeige, dass Beratungen über das Internet trotz der räumlichen Distanz sehr emotional sein können. „Paradoxerweise entsteht gerade durch die Niederschwelligkeit der Chatberatung eine oft sehr große Nähe. Man offenbart sich Fremden, was sonst im analogen Leben unvereinbar erscheint“, schildert Breitwieser.
Die Inanspruchnahme der Chatberatung sei Breitwieser zufolge ein erster Schritt zur Selbstfürsorge, aber auch ein erstes Andocken an eine Beratungseinrichtung. „Wird hier eine Vertrauensbasis geschaffen, kann bei den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen ein Gefühl von Halt, Wertschätzung und Sicherheit entstehen“, betont Breitwieser.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden