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OÖ/Ö. Badeunfall, Fenstersturz: Auch in OÖ kam es in jüngster Vergangenheit immer wieder zu tragischen Unfällen mit Kleinkindern. Zum Schmerz der Eltern hinzu kommt noch die Frage, wer haftet. Jurist Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Recht und Normen im Kuratorium für Verkehrssicherheit, hat praktische Beispiele über Aufsichtspflichten parat.

Eltern bleiben auch in überwachten Schwimmbädern aufsichtspflichtig. (Foto: Anna Om/stock.adobe.com)

Eltern besuchen mit ihrem Kind (10) ein Freibad, bei dem es eine Badeaufsicht gibt. Wer haftet bei einem Badeunfall?

Eltern bleiben auch in überwachten Schwimmbädern aufsichtspflichtig. Beim Kauf des Tickets schließt man mit dem Bad einen Badebesuchsvertrag ab. Das bedeutet aber nicht, dass der Bademeister automatisch die Aufsicht übernimmt. Bademeister schulden auch nicht die lückenlose Beaufsichtigung des Badebereichs. Es kann aber zur parallelen Haftung der Eltern und des Bademeisters (bzw. des Badbetreibers) kommen. Die Intensität der Aufsichtspflicht der Eltern hängt u. a. von der Schwimmkompetenz des Kindes ab oder der Situation im Schwimmbecken (Wassertiefe, künstliche Wellen). Anders als ganz Junge müssen Kinder ab acht Jahren in der Regel nicht mehr lückenlos beaufsichtigt werden.

Und wenn Eltern noch einen gleichaltrigen Freund ihres Kindes mitnehmen? Müssen dessen Eltern Bescheid wissen?

Wer einen Freund seines Kindes mitnimmt, ist aufsichtspflichtig, egal, ob dessen Eltern es wissen oder nicht. Das Nichtverständigen der abwesenden Eltern kann aber dann eine Aufsichtspflichtverletzung darstellen, wenn dadurch wichtige Infos nicht erhalten werden konnten. Etwa dass das Kind regelmäßig Medikamente braucht.

Die Sache mit dem Ball

Kinder spielen am Gehsteig mit einem Ball. Dieser fliegt auf die Straße, weshalb ein Pkw einen Unfall verursacht. Wer muss den Sachschaden zahlen?

Haftbar ist zivilrechtlich immer der Schädiger. Also primär der Aufsichtspflichtige, ausnahmsweise auch das Kind. In aller Regel gibt es aber einen Versicherer (etwa Haushaltsversicherung), der den Schaden bezahlt. Dasselbe gilt im Übrigen, wenn das Kind unabsichtlich das Handy oder einen anderen Gegenstand eines Freundes beschädigt.

Hund beißt Kind

Ein Kleinkind streichelt in einem unbeaufsichtigten Moment und ohne Einwilligung des Besitzers einen fremden Hund (ohne Maulkorbpflicht). Der Hund beißt das Kind. Wer haftet?

Der Hundebesitzer hat für die sichere Verwahrung seines Hundes zu sorgen. Das Ausmaß der Haftung hängt aber vom Einzelfall ab. Hat der Hund etwa schon einmal jemanden gebissen. Vernachlässigt er seine Hundehalterpflichten, so haftet er. Beispielsweise, wenn ein Hundebesitzer mit seinem Tier an einer Kindergartengruppe vorbeigeht, ohne dabei vorsichtiger zu werden. Musste er hingegen mit keiner besonderen Gefahrensituation rechnen, so haftet der für das Kind Aufsichtspflichtige, wobei der Hundehalter aber beweispflichtig für seine Unschuld ist.

Sturz aus dem Fenster

Fensterstürze von Kleinkindern kommen leider immer wieder vor. Für die Eltern eine menschliche Tragödie. Kann es für sie auch noch strafrechtliche Konsequenzen geben?

Ja, selbst beim Tod des eigenen Kindes oder wenn es schwer verletzt ist, werden Eltern strafrechtlich zur Verantwortung gezogen, wenn sie durch eine Unachtsamkeit fahrlässig das Unglück herbeigeführt haben. Allerdings berücksichtigen die Gerichte meist das erfahrene Leid und verhängen weniger strenge Strafen, da die spezialpräventive Notwendigkeit nur mehr in geringem Ausmaß gegeben ist.

Wenn Kinder Kinder hüten

Jemand hat mehrere minderjährige Kinder. Kann man die Aufsicht über die jüngeren Kinder den älteren übertragen?

Ganz grundsätzlich gesagt, können auch Kinder gewisse Aufsichtspflichten übernehmen. Dies hängt vor allem von der individuellen Reife ab. Plakativ formuliert: Es gibt 18-Jährige, denen man nicht einmal ein Meerschweinchen in Obsorge geben sollte und es gibt Zwölfjährige, die bereits mehrmals erfolgreich auf ihre jüngeren Geschwister aufgepasst haben. Bei den Eltern bleibt also immer ein mögliches Auswahlverschulden. Die Grenzen der Aufsichtspflicht liegen darin, was vom Aufsichtsführenden vernünftigerweise verlangt werden kann.

Ab ins Ferienlager

Ein 15-Jähriger fährt ins Ferienlager. Wer haftet, wenn etwas passiert?

Der Aufenthalt in einem Ferienlager soll grundsätzlich die Selbstständigkeit fördern. Der Beaufsichtigende schuldet jedenfalls keine lückenlose Beaufsichtigung, sondern eher einen sicheren Rahmen (Verpflegung, Umgebung, Regeln). Die Aufsichtspflicht der Eltern scheidet mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, es sei denn, sie haben durch die Entsendung eine Gefahr geschaffen: Etwa dass der Jugendliche eine spezielle Versorgung braucht, die im Lager offensichtlich nicht geboten werden kann. Die Verantwortung des Organisators und der Eltern sowie die Eigenverantwortung der Jugendlichen sind je nach Einzelfall zu beurteilen.

Generell gibt es keine fixe Altersgrenze, ab wann Kinder unbeaufsichtigt im Freien spielen dürfen. Wie immer bei der Aufsichtspflicht kommt es auf den Einzelfall an. Es haben sich aber allgemeine Grundsätze anhand der Rechtsprechung entwickelt:
- Kleinkinder benötigen umfassende Betreuung.
- Kindergartenkinder müssen in Sichtweite bzw. je nach Situation in Griffweite beaufsichtigt werden.
- Für Vorschulkinder gibt es eine Kontrollverpflichtung in kurzen Abständen.
- Ab etwa dem Schulalter: Kurzfristiges alleine bleiben tagsüber ist möglich. Wenn ein Kind draußen spielt, muss die Aufsichtsperson wissen, wo es sich aufhält. Eine Überwachung auf Schritt und Tritt kann bei Kindern im Alter von fünf oder auch acht Jahren in der Regel nicht verlangt werden. Wobei aber die individuelle Reife eine Rolle spielt, ebenso die Umgebungssituation (Verkehr).

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