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Logopädische Versorgungsnot: lange Wartezeiten verschärfen sprachliche Probleme bei Kindern

Nora Heindl, 27.08.2024 15:36

OÖ. Es gibt zu wenige Logopäden in Oberösterreich, was Wartezeiten teils sogar bis zu einem oder zwei Jahren mit sich bringt, so der Verband der LogopädInnen für Oberösterreich. Eine verlorene Zeit, in der sich die sprachlichen Probleme bei Kindern oftmals verschärfen - mit Auswirkungen auf ihre schulischen Erfolge und sogar ihr Verhalten.

Besonders wichtig für die Entwicklung ist der Blickkontakt. (Foto: _KUBE_/stock.adobe.com)
Besonders wichtig für die Entwicklung ist der Blickkontakt. (Foto: _KUBE_/stock.adobe.com)

Immer öfter erreichen den Verband der LogopädInnen für Oberösterreich frustrierte Nachrichten von Familien, die bei ihrer Suche nach Logopäden verzweifeln. Die Wartezeiten für Patienten werden immer länger.

Im Zuge ihrer Bachelorarbeit liefert Logopädie-Studentin Magdalena Hergan aktuelle Zahlen zur Versorgungslage in Österreich. So beträgt die Wartezeit in 76 Prozent der Fällen mindestens drei Monate, durchschnittlich meist zwischen drei und sechs Monaten, teils kann es sogar ein bis zwei Jahre dauern. Hinzu kommen lange Anfahrtswege. 96 Prozent der befragten Logopäden gaben an, dass die derzeitige Nachfrage höher als die verfügbaren Therapieplätze ist. In Zahlen ausgedrückt: Im Durchschnitt treffen 0,16 Logopäden auf 1.000 Einwohner in Oberösterreich.

Letzteres ist für den österreichische Berufsverband der Logopäden „logopädieaustria“ aber nicht nachvollziehbar, wie dieser in einem Statement erklärt: Wie aus dem aktuellen Bericht der Gesundheit Österreich GmbH ersichtlich, beträgt der Faktor „Logopädinnen/1000 Einwohner“ 0,31 - also nahezu das Doppelte. Weiters sei Oberösterreich jenes Bundesland mit der zweitbesten logopädischen Versorgungskapazität hinter Tirol, gemessen an der Einwohnerzahl (Quelle: GÖG Jahresbericht 2023).

Rasche Abklärung erforderlich

So oder so gilt auch in der Sprachentwicklung, je früher desto besser. Zeigen Kinder Auffälligkeiten, ist eine rasche Intervention erforderlich, um Zeit, Ressourcen und Kosten zu sparen. Vergeht hingegen ein Jahr oder länger, bis das betreffende Kind eine logopädische Abklärung erhält, verstreicht viel wertvolle Zeit, in der sich die sprachlichen Probleme oftmals noch verschärfen.

Ein frühzeitiger Interventionsbeginn kann rasch Erfolge erzielen, der Entwicklung komplexerer Störungsbilder effektiv vorbeugen und somit enorme Kosten sparen, weil die Dauer der Therapienotwendigkeit dadurch stark reduziert wird.

Wenn die sprachlichen Probleme hingegen unbehandelt bleiben, hat das einen erheblichen negativen Einfluss auf den späteren schulischen Erfolg und kann bei Kindern auch aggressive Verhaltensweisen hervorrufen, weil ihre Gefühle und Bedürfnisse vom Umfeld nicht verstanden werden.

Frühzeitig Auffälligkeiten erkennen

Um Risikokinder so früh wie möglich zu erkennen, müssen bereits die Vorläuferfähigkeiten der Sprache beobachtet und bei Auffälligkeiten logopädisch abgeklärt bzw. behandelt werden.

Zeigt ein Kind Probleme in der Interaktion mit seinen Eltern, kann bereits mit zwölf Monaten eine Vorstellung bei Logopäden sinnvoll sein. Ohne Blickkontakt und gemeinsamer Aufmerksamkeit fehlt dem Kind die Basis für den Spracherwerb und es braucht Unterstützung, um diese Entwicklungsschritte in Gang zu bringen.

Mit zwei Jahren lässt sich das Risiko für eine beginnende Sprachentwicklungsstörung gut einschätzen und bei früher Intervention (in Form von Elternanleitung zu sprachförderlichen Verhaltensweisen, regelmäßigen Kontrollen, begleitender Beratung usw.) können gute Erfolge erzielt werden, die viel Zeit und Kosten einsparen. Zurzeit ist es leider so, dass Late Talker (Kinder, die mit zwei Jahren noch keine 50 Wörter sprechen) zu spät eine logopädische Intervention bekommen und dadurch ein Drittel dieser Kinder im Schulalter immer noch sprachlich auffällig ist.

Übersichtliche Infoblätter

Zum Zweck der Früherkennung hat der Verband der LogopädInnen für OÖ mehrere Infoblätter gestaltet, die den Kinderarztpraxen in ganz OÖ zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist eine lückenlose Aufklärung.

Für Ärzte dient das Infoblatt mit fundierten Fachinformationen zur schnellen Übersicht, ab wann eine logopädische Abklärung und somit eine Überweisung notwendig ist. Für Eltern sollen die Infoblätter mit Tipps zur Sprachförderung zuhause eine Unterstützung sein, aber auch klar aufzeigen, wann eine logopädische Therapie notwendig ist.

Wichtig: Die Eltern sind nicht schuld an der Sprachstörung der Kinder, jedoch können sie durch sprachförderliches Verhalten im Alltag Positives zur Sprachentwicklung beitragen.

Wunsch: Errichtung einer logopädischen Beratungsstelle

Um eine schnelle Beratungsmöglichkeit für betroffene Eltern anzubieten, müssten neue Stellen geschaffen werden, da niedergelassene Logopäden und Institutionen bereits mehr als ausgelastet sind und somit keine zeitnahen Beratungstermine anbieten können. Wunsch des Verbands wäre die Errichtung einer logopädischen Beratungsstelle für Eltern von Kindern ab Geburt bis zum Kindergarteneintritt. In dieser sollen Logopäden über das Land OÖ angestellt sein und nach Feststellung von Auffälligkeiten rasch Beratung für betroffene Eltern und Angehörige anbieten können.

Somit gäbe es eine erste Anlaufstelle, welche Familien zeitnah Tipps und Übungen an die Hand geben könnte, um erste Erfolge zu erzielen oder der Verschärfung sprachlicher Defizite vorzubeugen. Diese Maßnahme wäre eine sinnvolle Möglichkeit, um die Wartezeit auf einen regulären Therapieplatz für gezielte Sprachförderung der vorsprachlichen Fähigkeiten im Alltag zu nutzen.

Themen wie sprachförderliche Verhaltensweisen und Auswirkungen des übermäßigen Medienkonsums könnten präsent oder online angeboten werden, um das Angebot möglichst niederschwellig und gut zugänglich zu gestalten.

Ein erstes Pilotprojekt in diese Richtung wird gerade in Eferding mit dem SPES-Projekt der Barmherzigen Brüder Linz getestet. Eine Ausweitung dieses Projekts auf ganz Oberösterreich wäre aus Sicht des Verbandes wünschenswert, damit nicht nur die Kinder in diesem Bezirk von solch einer raschen Versorgungsmöglichkeit profitieren.

Kostenloser Online-Vortrag

Am 25. Oktober, 18 Uhr, bietet der Verband der LogopädInnen für OÖ den kostenlosen Online-Vortrag „Das wächst sich schon noch aus… oder?“ an. Ziel ist es, Eltern, Ärzten, Pädagogen und allen Interessierten im Sinne der Prävention und Früherkennung über frühe Zeichen von Sprachstörungen und gängige Mythen zum Thema Spracherwerb aufzuklären.

Anmeldung schon jetzt möglich: anmeldung.infoabend@logopaedie-ooe.at


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