1.148 Linzer Straßennamen stehen unter der Lupe: Welche sind antisemitisch vorbelastet?
Linz. Nach wiederholter Kritik an früheren Benennungen von Linzer Verkehrsflächen, folgt ein Gemeinderatsantrag von Bürgermeister Klaus Luger zur Untersuchung von 1.148 Linzer Straßennamen. 10.000 Euro pro Jahr stehen bis 2021 zur Verfügung.
„Sämtliche Linzer Straßen und deren Namensgeber sollen auf ihren historischen Hintergrund untersucht und erforscht werden, ob die Personen, nach denen in Linz Straßen benannt wurden, Anhänger von Antisemitismus oder Rassismus waren. Es sollen alle Straßennamen unter die Lupe genommen werden, damit erstmals eine Übersicht vorliegt, wie viele historisch belastete Straßennamen existieren und worin eine Belastung der historischen Namensgeber begründet ist“, erklärt Bürgermeister Klaus Luger. Welche Entscheidung zwecks Umbenennung, man in der Folge der Ergebnisse trifft, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. In der kommenden Gemeinderatssitzung am 4. Juli wird die Einsetzung einer Historikerkommission eingereicht. Walter Schuster, der Leiter des Archivs der Stadt Linz soll die Untersuchung leiten und ist auch für die Zusammenstellung der Expertenkommission zuständig. Bis 30. Juni 2021 soll ein Endbericht vorliegen.
Endbericht ermöglicht fundierte Beurteilung
Es wird 2021 ein Endbericht erstellt, der die detaillierten Forschungsergebnisse zu allen untersuchten Straßennamen (inklusive der Biographien der betroffenen Personen) enthält. Der Forschungsbericht wird veröffentlicht werden. Auf Basis dieses Endberichts und der Aufarbeitung der Geschichte der in Frage kommenden Personen wird über Konsequenzen im öffentlichen Raum der Stadt Linz entschieden werden. „Wie wir in der Folge mit den Ergebnissen der Studie umgehen, und ob es zu Umbenennungen kommen wird, müssen dann die politischen Entscheidungsträger fällen“, sagt Bürgermeister Klaus Luger.
Mehrstufiges, anspruchsvolles Verfahren steht bevor
„Zuvor aber wird das gesicherte Fundament an gesammeltem historischen Wissen, dass dem Archiv der Stadt Linz bereits zugrunde liegt, aufbereitet. Ein mehrstufiges Verfahren steht bevor. Wir werden damit Pionierarbeit leisten. Klar ist aber jetzt schon, dass die Entscheidung, ob einige der Personen bzw. ihre Namen belastet sind, alleine an einer NSDAP-Mitgliedschaft aufzuhängen, ziemlich sicher zu wenig sein wird. Ich habe keine vorgefertigte Meinung, eine Expertenkommission, die noch gebildet werden muss, muss dann bewerten. Wir werden eine Kategorisierung und Differenzierung der Ergebnisse vornehmen, welche Straßennamen historisch belastet sind, entscheiden über eine Umbenennung muss dann die Politik“, erklärt der Leiter des Archivs der Stadt Linz, Walter Schuster seine Vorgehensweise.
1.148 Verkehrsflächen werden untersucht
In Linz existieren derzeit 1.148 offiziell benannte Verkehrsflächen, 556 sind nach Personen benannt, davon 510 nach Männern und 46 nach Frauen. Eine amtliche Benennung von Straßen und Plätzen ist seit 1869 üblich. Seit damals hat sich die Praxis herausgebildet, Verkehrsflächen besonders auch nach bedeutenden Persönlichkeiten zu benennen, weshalb heute beinahe die Hälfte der Linzer Straßennamen Personen gewidmet ist. In Zeiten gewaltsamer politischer Umbrüche wie während des autoritären „Ständestaates“ 1934 – 1938 und während des NS-Regimes 1938 – 1945 erfolgten zahlreiche Neubenennungen und Umbenennungen. Während die politisch motivierten Bezeichnungen des „Ständestaates“ 1938 umbenannt wurden, mussten die Straßennamen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu einem großen Teil unmittelbar nach 1945 korrigiert werden. Ungeachtet dessen spiegeln die Namen gegenwärtiger Verkehrsflächen vielfach politische Einstellungen und Wertvorstellungen wider, die nach heutigen Maßstäben nicht mehr zeitgemäß sind. Auf der anderen Seite geben die Benennungen Auskunft über die historische(n) Identität(en) von Linz und zeugen von der wechselvollen Geschichte der Stadt und ihrer Bevölkerung im 19. und 20. Jahrhundert.
Grüne wollen Maßnahmen sehen
Wenn das Gutachten auf dem Tisch liegt, muss nach Ansicht der Linzer Grünen eine politische Entscheidung fallen, was mit jenen Straßen passiert, die nach Personen mit bedenklichem Hintergrund benannt sind. „Hier erwarte ich mir, dass dann nicht zur Tagesordnung übergegangen wird, sondern entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Eine Möglichkeit wären Zusatztafeln bei den fraglichen Straßenschildern, die über die vollständige historische Rolle der Namensgeber informieren. Eine solche Vorgehensweise haben wir ja bereits bei der Dinghoferstraße gefordert“, erinnert Helge Langer, Klubobmann der Grünen Linz.
ÖVP kritisiert Bürgermeister-Alleingang
Für ÖVP-Klubobmann Martin Hajart ist dabei der Alleingang des Bürgermeisters bei der Bestellung der Historiker-Kommission nicht nachvollziehbar. „Ein objektiver Zugang wäre, wenn jede Fraktion einen Experten für die Kommission nominieren könnte. Den Kommissions-Vorsitz solle der Leiter des Linzer Stadtarchivs übernehmen“, so Hajart.
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