Kreditschutzverband: Keine Insolvenzwelle im 2. Quartal 2021
OÖ/LINZ. Die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen in Oberösterreich zeigen im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 59,2 Prozent. Die eröffneten Privatinsolvenzen sind in Oberösterreich ebenfalls gesunken. Auch im 2. Quartal 2021 ist keine Insolvenzwelle in Sicht, so der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870).
In den ersten drei Monaten dieses Jahres schlittern 51 oberösterreichische Unternehmen in die Insolvenz – das sind 74 Fälle weniger (minus 59,2 Prozent) als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Anzahl der eröffneten Verfahren sinkt um 57,4 Prozent auf 37 Fälle. Die mangels kostendeckendem Vermögen nicht eröffneten Verfahren verringern sich um 70,2 Prozent auf 14 Fälle. Österreichweit stellt der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) einen Rückgang von 58,6 Prozent auf 473 Unternehmensinsolvenzen fest. Im Bundesländerranking findet sich Oberösterreich mit 51 Firmenpleiten auf Platz 4 hinter Wien.
„Finanzbehörden und Gesundheitskassen stellen aktuell keine Insolvenzanträge, die Stundungen der Abgabenzahlungen werden bis 30. Juni 2021 verlängert. Im Anschluss daran können voraussichtlich individuell Ratenzahlungspläne vereinbart werden. Demzufolge ist ein deutlicher Rückgang bei den Konkursabweisungen gegeben“ erläutert Petra Wögerbauer, Insolvenzexpertin des KSV1870 am Standort Linz.
Mehr als die Hälfte der Fälle aus drei Branchen
Drei Branchen führen in Oberösterreich 2021 die heimische Insolvenzstatistik an: Die Bauwirtschaft mit 11 Insolvenzen, gefolgt von den unternehmensbezogenen Dienstleistern mit 9 Insolvenzen und vom Gastgewerbe mit 7 Insolvenzfällen. Die Branche der unternehmensbezogenen Dienstleister umfasst Tätigkeiten, die von Unternehmen in Anspruch genommen werden, wie zum Beispiel in den Bereichen Immobilien, Finanzen, Reinigungs- und Wachdienste sowie Werbeagenturen.
Appell: Auf Schieflagen reagieren
Aus heutiger Sicht ist auch im 2. Quartal 2021 mit keinem weiteren Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu rechnen. Derzeit unternimmt die Regierung große Anstrengungen, um eine Insolvenzwelle hintanzuhalten. Es ergibt sich daraus folgende paradoxe Situation: Einerseits gab es noch nie gab es so viele Unternehmen in finanziellen Nöten - auch Unternehmen mit „Vorerkrankungen“ – andererseits fallen keine Insolvenzen an. „Ich denke hier an stark unterkapitalisierte oder schlecht organisierte Unternehmen mit mangelhaftem Rechnungswesen, schwachem Debitorenmanagement, Qualitätsmängeln in der Leistungserbringung oder fehlenden zukunftsorientierten unternehmerischen Konzepten“, so Wögerbauer. Der KSV1870 rät allen Unternehmen, die in Schieflage geraten sind, rechtzeitig Insolvenz zu beantragen und die Chance auf einen Neubeginn und eine nachhaltige Sanierung zu nutzen. Covid-bedingt wurde für Sanierungspläne, die 2021 beantragt werden, die gesetzliche Zahlungsfrist von zwei auf drei Jahre angehoben.
Rückgang an Privatkonkursen
251 Privatkonkurse wurden in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres bei den oberösterreichischen Bezirksgerichten eröffnet. Das sind um 6 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Damit liegt Oberösterreich auf Platz 2 der Bundesländerreihung unter Wien mit 682 Fällen und über Niederösterreich mit 238 Verfahren. Die angemeldeten Verbindlichkeiten sinken auf 28 Millionen Euro, das bedeutet einen Rückgang um 2,7 Prozent.
Ein seriöser Ausblick auf das gesamte Jahr sei derzeit noch nicht möglich. Ob es im Bereich des Privatkonkurses zu einer Insolvenzwelle kommt, hänge weitgehend davon ab, wie schnell ein Normalniveau an wirtschaftlicher Aktivität und Beschäftigung wiederhergestellt werden kann.
Rechtzeitig Hilfe suchen
Leider übersehen auch viele, dass Stundungen keineswegs einen Erlass bedeuten, sondern die Zahlungen lediglich zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollen: „Rechtzeitig ein Schuldenregulierungsverfahren zu beantragen, kann den Teufelskreis der Verschuldung frühzeitig unterbrechen und erhöht die Chance auf einen Neubeginn“, rät Wögerbauer. Hilfe und Beratung bei Finanzfragen - auch bevor es zur Zahlungsunfähigkeit kommt - auch die Schuldnerhilfe OÖ und die Schuldnernberatung OÖ.
Die von der EU-Kommission vorgelegte „Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz“ (RIRL) sieht der KSV1870 kritisch. Diese wird mit Juli 2021 in Österreich in Kraft treten und sieht eine Verkürzung der Entschuldungsdauer von derzeit fünf auf drei Jahre vor. „Schuldner brauchen Zeit, um ihre Schulden zurückzuzahlen, die Novelle nimmt dem Schuldner die Chance sich bei den Gläubigern zumindest teilweise zu rehabilitieren“ so Wögerbauer.
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