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Prozess in Linz wegen übler Nachrede gegen Bundespräsident: Freispruch

Anna Fessler, 24.05.2023 13:43

LINZ. Eine heutige Verhandlung am Landesgericht Linz sprengte die Kapazitäten der Räumlichkeiten: das Zuschauerinteresse war derart groß, das der Eingangsbereich von der Polizei geräumt werden musste. Im Prozess ging es um den Vorwurf der üblen Nachrede gegen den Bundespräsidenten Alexander van der Bellen.

Am Landesgericht Linz herrschte aufgrund eines Prozesses gegen einen Journalisten wegen übler Nachrede großer Besucherandrang. (Foto: TEAM FOTOKERSCHI / BAYER)

Ein 48-jähriger Journalist hatte am 18. September 2022 in seinem Corona-Maßnahmen-kritischen Online-Medium den Bundespräsidenten Alexander van der Bellen als „einen Mann, der die Verfassung mit Füßen tritt und die Spaltung der Gesellschaft zulässt“ bezeichnet. Zudem bezeichnete er Van der Bellen als jemanden, der für ein System stehe, das mit einer offenen Unterstützung eines Krieges in Zusammenhang stehe. Der Bundespräsident lache „gönnerhaft von euren Fotos“, während die Energiebetriebe alleinerziehenden Müttern den Exekutor nach Hause schicken würden, so der Artikel.

Anklage wegen übler Nachrede, Andrang vor Gerichtssaal enorm

Diese Äußerungen hatten eine Anklage der Staatsanwaltschaft Linz wegen übler Nachrede zur Folge. Am 24. Mai 2023 musste sich der Journalist in Linz vor Gericht verantworten. Er bekannte sich nicht schuldig und verwies auf die Pressefreiheit. Die Verhandlung wurde mit großem Interesse verfolgt, es waren laut Angaben des Landesgerichts rund vierzig Zuschauer und Medienvertreter im Saal anwesend. Ein Teil der Besucher konnte aus Sicherheitsgründen nicht eingelassen werden. Nachdem einzelne, nicht eingelassene Personen, gegenüber dem Sicherheitspersonal äußerten, das Gebäude stürmen zu wollen wurde die Räumung des Eingangsbereiches mithilfe der Polizei veranlasst.

Freispruch: Äußerungen durch Meinungsfreiheit gedeckt

Der Prozess endete mit einem Freispruch für den Angeklagten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Als Begründung für das Urteil verweist das Landesgericht Linz auf die durch die EMRK (Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) garantierte Meinungsfreiheit. Bei den Äußerungen des Journalisten würde es sich um Werturteile handeln, „die der Beschuldigte in eine Redewendung gepackt“ hätte und die mehrere Interpretationsmöglichkeiten offenlassen würden. Es liege kein Wertungsexzess vor.

Zudem habe der Verfassungsgerichtshof mehrere Gesetze und Verordnungen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen aufgehoben, die durch den Bundespräsidenten (mit-)unterzeichnet waren. Auch hatte der Verteidiger darauf verwiesen, dass der Bundespräsident selbst die Formulierung „Verfassung mit Füßen treten“ verwendet hatte – im Jahr 2006 als damaliger Bundessprecher der Grünen im Zuge einer Presseaussendung. Die Äußerungen des Journalisten seien laut Richter durch die Meinungsfreiheit gedeckt, nicht diffamierend und kein Wertungsexzess.


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