LINZ/OÖ. Hohe Kosten und sinkende Wettbewerbsfähigkeit gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich. Im Tips-Interview fordert der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung OÖ, Joachim Haindl-Grutsch, rasche Maßnahmen von der künftigen Regierung.
Tips: Kündigungen und steigende Arbeitslosenzahlen, die Probleme der Industrie sind beim Einzelnen angekommen. Wie kann eine neue Bundesregierung Jobs retten?
Joachim Haindl-Grutsch: Wir brauchen jetzt sofort ein Standortrettungspaket, denn wir verlieren jeden Tag Industriearbeitsplätze. Jeder Arbeitsplatz, der hier verloren geht, reißt zwei weitere bei Dienstleistern und Zulieferern mit. Es ist Feuer am Dach, das kann man gar nicht deutlich genug sagen.
Was könnten erste Schritte sein, die schnell Wirkung zeigen?
Auf der einen Seite brauchen wir eine schnelle Kostenentlastung bei den Personalkosten, Stichwort Senkung der Lohnnebenkosten, gleichzeitig weniger Überregulierung und Bürokratie. Zweitens braucht es ein Leistungsanreizpaket, damit die Menschen mehr arbeiten. Leistung muss sich lohnen. Und drittens brauchen wir Anreize für Forschung, Innovation und Technologie. Wir sind nicht mehr um das besser, was wir teurer sind. Andere haben aufgeholt, manche sagen, die Chinesen haben uns in einigen Bereichen schon überholt. Und auch die Ost- und Südeuropäer haben aufgeholt, weil sie bei weitem nicht diese Teuerung hatten.
Trump hat die Wahlen in den USA gewonnen. Sehen Sie Auswirkungen, die wir in Europa und in Österreich relativ rasch spüren werden?
Ganz klar: Ja. Europa muss sich bewusst werden, dass es weltweit eine tektonische Plattenverschiebung gibt. Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut davon gelebt, dass die Amerikaner uns verteidigt haben, dass wir billige Energie aus Russland bekommen haben, und dass wir alles, was wir produziert haben, nach China exportieren konnten. Alle drei Erfolgssäulen dieses Modells sind weg. Deutschland und Österreich sind innerhalb Europas die Schlusslichter bei Wirtschafts- und Produktivitätswachstum geworden. Wir arbeiten im Vergleich zu kurz. Die Schweizer, die Skandinavier und die Deutschen arbeiten alle länger. Wer glaubt, dass sich das in Zukunft ausgehen wird, der verweigert die Realität.
Dennoch entwickeln sich manche Unternehmen sehr gut.
Wenn man in einer Nische unterwegs ist, in der man technologisch am Weltmarkt die Nummer eins ist, dann ist eine stärkere Kostensteigerung drin. Auch entwickeln sich die Märkte unterschiedlich und stark zeitversetzt.
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Ist dieses Ziel überbordend und können wir das einhalten?
Ein klares Ja zu überbordend. Und nein, das werden wir nicht einhalten können.
Die Bevölkerung fürchtet, dass Unternehmen ins Ausland abwandern. Zu Recht?
Es zeigt wunderschön, was seit den 90er-Jahren passiert ist, mit der Ostöffnung und der Globalisierung. Man hatte schon damals Angst, dass der große Ausverkauf kommt. Das Gegenteil war der Fall. Österreich hat in den letzten 25 Jahren davon profitiert, dass wir in die ganze Welt exportieren konnten. Jetzt ist es so, dass dieser Export in die ganze Welt immer stärker eingeschränkt wird. Handelshemmnisse und Zölle sind schlecht für Exportländer. Auch wird die lokale Produktion immer mehr gefordert. Wer in den USA ein Geschäft machen will, braucht ein Werk in den USA. Was natürlich für den Heimatstandort eine weniger gute Nachricht ist.
Würde eine „Europa First“-Strategie Sinn machen?
Das würde keinen Sinn machen. Der europäische Binnenmarkt ist das Wertvollste, was Europa hat. Aber er reicht nicht aus. Es gibt über 60 Länder auf der Welt, die wachsen, die ganze Welt wächst mit 3,2 Prozent. Das ist sehr gut für uns. Unsere Probleme sind hausgemacht.
Müssen sich Unternehmen auf weiter steigende Gaspreise einstellen?
Die Preise sind schon in den letzten Monaten gestiegen, also bereits vor dem Lieferstopp. Aber wir stehen im weltweiten Wettbewerb, und andere Länder haben viel günstigere Energiepreise. Die Differenz beträgt bis zu 500 Prozent, das kann niemand durch Produktivität wettmachen.
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