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Doris Hummer: "Wir brauchen mehr Windkraft und weniger Bürokratie"

Alexandra Mittermayr, 16.06.2025 17:14

LINZ/OÖ. Bei der konstituierenden Sitzung des oberösterreichischen Wirtschaftsparlaments wurde Doris Hummer für die Periode 2025 bis 2030 erneut zur Präsidentin der WK Oberösterreich gewählt. Im Tips-Interview spricht sie über Chancen und Notwendigkeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.

Die wiedergewählte OÖ-Wirtschaftskammerpräsidentin Doris Hummer besuchte für ein Interview die Tips-Redaktion in den Promenadengalerien. (Foto: Tips/Kerschbaummayr)

Tips: Was macht Sie persönlich optimistisch für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich – trotz aller aktuellen Herausforderungen?

Doris Hummer: Ich glaube, dass wir jetzt eine ungemeine Chance haben, durch Strukturreformen die Wettbewerbsfähigkeit auf neue Beine zu stellen. Wir stecken im dritten Jahr der Rezession, aber es sind sehr verhaltene, positive Signale sichtbar. Wir haben heute ein Wettbewerbsfähigkeitsproblem auf der Kostenseite. Wenn wir jetzt die Systeme verändern, Stichworte sind Lohnkosten und Energiekosten, dann wird uns das nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Österreich gilt als eines der Länder mit den höchsten Energiekosten. Nun hört man von einem geplanten Industriestrom-Bonus. Welche Lösungen sehen Sie, um die Unternehmen zu entlasten?

Das klare Signal in Richtung energieintensiver Industrien war wichtig, dass es hier wieder eine Kompensation der Mehrkosten geben wird. Andernfalls werden diese Industrien abwandern, weil sie ihre Produkte zu diesen Kosten nicht mehr auf den Weltmärkten absetzen können. Alle anderen Länder haben solche Kompensationsmodelle. Ebenso wichtig ist es, den Strompreis für die gesamte Wirtschaft und auch für die Bevölkerung in den Griff zu bekommen. Wenn wir billigere Preise haben wollen, dann werden wir diese Energie bei uns im Land erzeugen müssen und dürfen nicht von teuren Importen abhängig sein. Wir müssen über nachhaltige Energieerzeugung und erneuerbare Energien reden. Es braucht eine Strukturänderung, die bestimmt, wie sich der Preis zusammensetzt, Stichwort Merit-Order-Prinzip. Die Hälfte der Kosten sind Abgaben und Steuern. Da haben wir auf politischer Seite noch einige Hausaufgaben zu erledigen, damit wir mit den Preisen wieder auf ein vernünftiges Niveau kommen.

Sie fordern einen beschleunigten Ausbau der Windkraft in Oberösterreich und sprechen sich für sogenannte ‚positive Zonen‘ aus. Welche konkreten Schritte erwarten Sie sich von der Landespolitik, um diesen Ausbau rasch und konfliktarm umzusetzen?

Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, die wir im Land haben, um nachhaltige Energie zu erzeugen. Es ist schade, dass es uns nicht gelingt, regionalpolitisch zu vermitteln, wie wichtig das ist. Ich glaube, dass wir einen österreichweiten Masterplan brauchen. Die aktuellen Beschleunigungszonen sind viel zu wenig. Der Windpark Sandl wäre sofort umsetzbar und ich plädiere wirklich dafür, dass wir das tun.

Bürokratieabbau ist ein Dauerbrenner. Gibt es erkennbare Fortschritte?

Wenn ein Industriebetrieb bei uns in Oberösterreich 70 Personen braucht, um einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, den vielleicht kein Mensch liest, dann ist das verrückt. So gesehen bin ich froh, dass die Europäische Union hier die Weichen neu stellt und der Schwerpunkt auch auf die Wettbewerbsfähigkeit gesetzt wird. Das beste Formular ist jenes, das ich nicht brauche. In Oberösterreich ist hier schon einiges am Laufen und ich erhoffe mir in der nächsten Zeit sichtbare Ergebnisse. Was es jetzt noch braucht, ist eine Art Entbürokratisierungsrechnungshof. Wir haben einen Staatssekretär, der Vorschläge erarbeiten soll. Jetzt müssen wir aber in die Umsetzung kommen.

Sie sind Präsidentin der Wirtschaftskammer, Unternehmerin und Mutter. Wie kann man Frauen für Führungspositionen begeistern?

Es geht ganz stark um die Vorbildfunktion. Und natürlich braucht es die viel zitierten Unterstützungssysteme, weil sich Frauen auch für eine Familie entscheiden wollen. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Aber wir haben auch zwei Dinge, die uns noch bremsen. Einerseits ist es die Sozialisierung der Frauen selbst. Die erste Reihe, das lernen wir anscheinend in unserer Erziehung, ist nicht für Frauen gemacht, denn dafür braucht es Durchsetzungsstärke, manchmal vielleicht sogar Ellbogen. Wir müssen Frauen und Mädchen ermutigen, weil wir diese Vielfalt in der ersten Reihe brauchen. Zweitens werden Männer, solange sich die Führungsriege ausschließlich aus Männern zusammensetzt, auch wieder Männer auswählen – unbewusst, und ohne jemandem einen Vorwurf zu machen. Gleich und gleich gesellt sich eben gerne.

Technische Berufe bieten Frauen große Chancen, auch im Hinblick auf die Bezahlung. Wie kann man sie dafür begeistern?

Ich denke, dass die Möglichkeit, sich neu zu orientieren, eine Chance sein kann. Sie entsteht durch die zunehmenden Angebote, die heutzutage fast jeder Berufstätige erhält. Ein Beispiel aus meinem Unternehmen: Ich habe eine technische Zeichnerin ausgebildet, die zuvor in der Gastronomie gearbeitet hat. Über ein Unterstützungsprogramm wurde ihr diese Möglichkeit eröffnet, und sie ist jetzt glücklich in ihrem Beruf. Auch mit unserer dualen Akademie kann man nach einer allgemeinen Ausbildung eine spezifische Ausbildung, zum Beispiel in den Bereichen Coding, Mechatronik oder Technik, absolvieren. Es schlummern viele Talente in Mädchen und Burschen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir unseren Talent Space gegründet haben. Die Teststationen sind so konzipiert, dass man einfach Spaß daran hat, sich zu erproben. Ich glaube, dass es am Ende des Tages darum geht, dass man einen Job ausübt, der Freude macht. Wo man abends rausgeht und denkt: Hat gepasst, hab was weitergebracht.


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