Neue Doku beleuchtet größten Missbrauchsfall der Church of England
LONDON. Über Jahrzehnte hinweg soll der britische Barrister John Smyth Jungen in streng evangelikalen Kreisen misshandelt haben. Der Fall wurde lange intern abgehandelt, Strafverfahren gab es nie. Erst Aussagen von Betroffenen brachten das volle Ausmaß ans Licht.
Smyth galt in konservativ-christlichen Kreisen als charismatischer Jurist und Prediger, organisierte Bibelkreise und exklusive Ferienlager für Schüler und Studenten. Wie der Guardian am 10. Dezember 2025 berichtet, nutzte er diese Nähe, um Jugendliche systematisch zu isolieren und zu kontrollieren. Hinter der religiösen Fassade stand demnach ein System aus Gewalt, Drohungen und Schuldgefühlen.
Gewalt unter dem Deckmantel des Glaubens
In den Ferienlagern und Privathäusern soll Smyth Jungen zu „geistlichen Gesprächen“ eingeladen und sie dort körperlich misshandelt haben. Er soll Prügelstrafen als religiöse „Züchtigung“ verkauft und seine Opfer dazu gebracht haben, über angebliche Verfehlungen zu berichten. Viele Betroffene schwiegen aus Angst, Scham oder weil sie dem einflussreichen Juristen ausgeliefert waren.
Der Missbrauch zog sich über Jahre und verschiedene Orte hin. Einige Betroffene berichten, sie hätten sich niemandem anvertrauen können, weil Smyth in ihrem Umfeld als moralische Autorität galt. In konservativen Gemeinden, Internaten und Universitätskreisen blieb sein Wort lange weitgehend unangetastet.
Warnungen ignoriert, Täter nie vor Gericht
Interne Hinweise auf Übergriffe soll es bereits früh gegeben haben. Einzelne Verantwortliche in kirchennahen Organisationen wurden demnach informiert, entschieden sich aber dafür, den Fall intern zu behandeln. Statt die Polizei einzuschalten, wurde Smyth mit Auflagen zurückgezogen und später ins Ausland geschickt.
Dort arbeitete er weiter mit Jugendgruppen, diesmal in afrikanischen Ländern. Auch dort kam es laut Schilderungen von Betroffenen zu neuen Übergriffen. Dennoch leitete keine der zuständigen Behörden ein Verfahren ein, das den Juristen vor ein britisches Gericht gebracht hätte. Smyth starb 2018 – ohne je für die Vorwürfe verurteilt worden zu sein.
Späte Aufarbeitung und offene Fragen
Erst in den vergangenen Jahren traten immer mehr Betroffene an die Öffentlichkeit und zwangen Kirchenleitungen sowie ehemalige Weggefährten zur Stellungnahme. Unabhängige Untersuchungen werfen Institutionen vor, Warnsignale über Jahre nicht ernst genug genommen und Opfer alleingelassen zu haben. Für viele Betroffene steht deshalb nicht nur der Täter im Mittelpunkt, sondern auch das Umfeld, das ihn schützte.
Eine aktuelle TV-Dokumentation nimmt den Fall zum Anlass, die Rolle von Macht, Loyalität und Schweigen in religiösen Gemeinschaften zu beleuchten. Für die Betroffenen ist sie vor allem ein weiterer Schritt, damit ihre Erfahrungen nicht wieder im Verborgenen verschwinden. Die erste Folge der Doku-Serie erscheint am 10. Dezember auf dem britischen Sender Channel 4. Wann und ob die Folgen auch in Österreich zugänglich sind, ist bislang nicht bekannt.
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