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Ein Experiment, das 100 Jahre überdauern soll: Digitale Zeitkapsel im Linzer Landhaus

Tips Logo Karin Seyringer, 21.08.2023 19:34

OÖ/LINZ/AIGEN-SCHLÄGL. Wohl kaum jemand aus dem Heute wird noch selbst Zeuge sein können, wenn in 100 Jahren jene digitale Zeitkapsel geöffnet wird, die am Montag, 21. August im Minoritenhof des Linzer Landhauses versiegelt wurde. Die Zeitkapsel ist symbolischer Teil des umfassenden Projekts „Digitale Zeitkapsel 2023 – 2123“, das in Zeiten von Informations-Fluten aktuelles Geschehen bewahren will. Um die Spannung aufrechtzuerhalten, wurde auch ein Online-Countdown gestartet.

Digitale Zeitkapsel im Granitquader: Landesamtsdirektor Erich Watzl, Cornelia Sulzbacher (Direktorin des OÖ Landesarchivs), Künstlerin Gabriele Berger und Landeshauptmann Thomas Stelzer (v. l.) (Foto: Land OÖ/Peter C. Mayr)

In der Turmspitze des Landhaus-Turms gibt es bereits eine Zeitkapsel, seit Montag birgt auch ein kunstvoll gestalteter Granitquader im Minoritenhof des Landhaues eine Zeitkapsel – diese mal in digitaler Form, auf einer besonders robusten Festplatte. Mit ihrer Hinterlegung wird die Zeitkapsel ihrem Schicksal hinterlassen, Eingriffe sind nicht möglich.

Gleichzeitig wurden im OÖ Landesarchiv digitale Akten mit den identen Inhalten der „digitalen Zeitkapsel“ angelegt. Hier wird gemäß dem Konzept der digitalen Archivierung laufend am Erhalt der Informationen gearbeitet, das heißt, es wird alles getan, um die Informationen über Generationen hinweg lesbar und nutzbar zu halten.

„Geschichtsträchtiger Vorgang“

Es sei ein geschichtsträchtiger Vorgang und ein spannendes Experiment, so Landeshauptmann Thomas Stelzer bei der Präsentation. „Es hat immer schon zu einer guten Gestaltung und Verwaltung gehört, Informationen für die Nachwelt zugänglich zu machen und aufzubewahren. Wir sind jetzt an einem Punkt, wo es deswegen besonders spannend ist, weil es noch nie so viele Informationen wie jetzt gegeben hat - Stichwort Digitalisierung.“

So entstehen alleine im Landesdienst jährlich 500.000 digitale Akten neu, im elektronischen Aktensystem des Landes sind bis dato rund 5,5 Millionen Akten erfasst.

„Wir möchten auch anregen, sich damit auseinanderzusetzen: Was bedeutet es, wenn wir etwas geistig erwerben, welchen Bestand hat das und mit welchen Methoden können wir das weitergeben?“, so Stelzer.

Vom Dachsteingletscher bis zur FFP2-Maske: „Botschaft an die Zukunft“

Gestaltet wurde der Granitquader, der nun im Minoritenhof die „Botschaft an die Zukunft“ enthält, von Künstlerin Gabriele Berger. Die gebürtige Wienerin lebt und arbeitet in Aigen-Schlägel, wo sie ihrem bevorzugten Werkstoff, dem Mühlviertler Granit besonders nahe ist.

Was sich auf der Festplatte befindet, darf nicht genau gesagt werden, „sonst wäre es ja keine Zeitkapsel“, schmunzelt Landesamtsdirektor Erich Watzl.

Soviel sei aber verraten: Anhand eines Online-Votings konnten die Oberösterreicher darüber abstimmen, welche Motive aus dem heutigen Leben sie künftigen Generationen zeigen möchten - Tips hat berichtet. Ausgewählt wurden unter anderem eine Radfahrergruppe, ein fleischloses Gericht, die Baustelle der 4. Donaubrücke, der Dachsteingletscher, die Klangwolke, eine Schulklasse mit FFP2-Masken sowie eine von einer Blasmusikkapelle gespielte Version der Landeshymne.

Zudem wurden die Direktionen der Landesverwaltung, die Bezirkshauptmannschaften, der Landesrechnungshof, die Umweltanwaltschaft und das Landesverwaltungsgericht eingeladen, Inhalte aus ihren Tätigkeitsfeldern für die Zeitkapsel zur Verfügung zu stellen.

Landesarchiv sorgt für Erhaltung der Informationen

Vor der großen Aufgabe, die Unmengen an Informationen für die Nachwelt zu erhalten und vor allem angesichts der raschen Weiterentwicklung von Dateiformaten und Speichermedien lesbar zu halten, steht das OÖ Landesarchiv, federführend beim Projekt „Digitale Zeitkapsel 2023 – 2123“.

Das „großartige Kunstwerk sei Symbolik“, das Projekt ein „Sinnbild dafür, dass die OÖ Landesverwaltung gewissermaßen Trendsetter ist und anstößt, was digitale Transformation bedeutet“, so Landesamtsdirektor Watzl.

Im Jahr 2018 wurde ein Projekt gestartet, um die Massen an neuen digitalen Akten zu sichern und zu archivieren, aber auch künftig zugänglich zu machen. Dafür wurde eine Software in Auftrag gegeben, die die digitalen Akten ohne Personalressourcen in das digitale Landesarchiv übernimmt. „Für uns als Landesverwaltung ist es wichtig, transparent und bewahrend für die Nachwelt zu sein“, unterstreicht Watzl.

„Keine klassischen Dachbodenfunde mehr“

Wichtig sei die digitale Archivierung auch deswegen, weil digitale Informationen sehr flüchtig seien, so die Leiterin des OÖ Landesarchivs Cornelia Sulzbacher. „Wir werden die klassischen Dachbodenfunde wie früher nicht mehr haben. Das ist das eine. Die andere ist: Man kann digitale Information viel einfacher fälschen. Ziel des Landesarchivs ist es, dafür zu sorgen, dass die Informationen erhalten bleiben, für uns selber, aber noch viel mehr für nachfolgende Generationen. Damit diese wissen, wie wir gelebt haben, wieso wir getan oder entschieden haben, wie wir haben. Wir müssen nicht nur wie bisher die Pergamenturkunde erhalten, sondern die Information selbst. Der Anspruch ist, dass die Information auch in 500 Jahren noch lesbar ist. Das ist möglich, mit sehr viel Know-how und Technologie, sowie sehr viel Gefühl dafür.“

„Zeit erfunden, um die Vergänglichkeit zu bewältigen“

Künstlerin Gabriele Berger machte sich auch philosophische Gedanken zu der von ihr gestalteten Zeitkapsel: „Wir haben die Zeit erfunden und messbar gemacht, um die Vergänglichkeit zu bewältigen. In der Kapsel wird die Zeit bewahrt, draußen ziehen Generationen vorbei. Daten werden festgehalten und verpackt auf Festplatte, Schachtel in Schachtel in Schachtel  – der Deckel 800 Kilo schwer. Wenn die Zeitschachtel nach 100 Jahren geöffnet wird: Die Zeit, die freigelassen wird, verhindert das Vergessen, lässt die Spuren, die wir hinterlassen, wieder sichtbar werden im Sinne einer Kontinuität der Menschheit.“

Countdown gestartet

Ein zugehöriger Online-Countdown, einsehbar unter https://ooe.gv.at/zeitkapsel wurde am frühen Montagnachmittag, 21. August gestartet. 36.523 Tage, 23 Stunden, 43 Minuten und 20 Sekunden zeigte diese beim Start an, bis es in 100 Jahren so weit ist, die Kapsel zu öffnen. Die Zeituhr solle erinnern, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, wichtige Informationen zu erhalten.


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