"Wir wünschen uns, dass es bessere Behandlungsmöglichkeiten gibt"
OÖ. Am 17. Mai, dem internationalen Neurofibromatose-Tag, werden im Rahmen der weltweiten Aktion „Shine a light on NF“ das LENTOS Kunstmuseum, das ARS Electronica Center, das Casino Linz, das Welios Science Center und Balanced Mind Linz in den offiziellen Farben der genetischen Erkrankung – in blau und grün – erstrahlen. Damit leisten sie als fünf von 32 Gebäuden österreichweit einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von mehr Bewusstsein für die bislang unheilbare Tumorerkrankung, die im frühen Kindheitsalter auftreten kann.
Etwa 4.000 Österreicher sind von Neurofibromatose - auch als Morbus Recklinghausen bekannt - betroffen. Der Begriff umfasst drei unterschiedliche Formen der Krankheit: NF Typ 1, NF Typ 2 und Schwannomatose. Die Folgen dieser genetisch bedingten Tumorerkrankung können Taubheit, Blindheit, orthopädische Probleme, Knochenfehlbildungen, kosmetische Beeinträchtigungen durch Neurofibrome, Lernschwierigkeiten, chronischer Schmerz oder Krebs sein. Welche der Symptome auftreten, ist individuell verschieden. Eine Vorhersage des Krankheitsverlaufes ist unmöglich. Alle drei Krankheiten sind derzeit unheilbar und sträflich vernachlässigt.
Hohe Dunkelziffer
Aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung und fehlenden Beratung der Betroffenen wird eine hohe Dunkelziffer angenommen.Alleine im deutschsprachigen Raum kommt jeden Tag ein betroffenes Kind zur Welt. Obwohl es in Österreich nur etwa 3-4 Mal mehr HIV-Patienten als Neurofibromatose-Patienten gibt, ist Neurofibromatose in der Öffentlichkeit vollkommen unbekannt.. „Wenn eine Krankheit wie NF ignoriert wird, dann wird auch auf die Betroffenen vergessen. Es wird vergessen, die Betroffenen medizinisch zu versorgen, sie psychologisch zu betreuen und Therapieangebote aufzubauen. Es wird vergessen, an einer Heilung zu forschen und der Staat vergisst, die Betroffenen in ihrer schwierigen Situation zu unterstützen“, so Claas Röhl.
Vater eines betroffenen Mädchens
Claas Röhl ist selbst Vater eines von NF Typ 1 betroffenen Mädchens. Bei seiner Tochter Rhea wurde mit sechs Monaten nach einer blutgenetischen Untersuchung Neurofibromatose Typ 1 diagnostiziert. Als sie zwei Jahre alt war wurden auf beiden Augen Sehnervtumore entdeckt die leider schnell wuchsen. Eine Operation dieser Tumore ist nicht möglich. Da eine Strahlentherapie auch keine Option war, konnte einzig eine Chemo-Therapie helfen, ihr Augenlicht zu bewahren. Tapfer und mutig stellte sich das kleine Mädchen den zahlreichen Untersuchungen und Behandlungen. Nach knapp 1,5 Jahren Chemotherapie und insgesamt drei chirurgischen Eingriffen war die Behandlung beendet. Ihre Tumore sind derzeit stabil. Doch Neurofibromatose ist eine Krankheit, die Betroffene und Angehörige in ständiger Unsicherheit leben lässt. „Die Angst, bei der nächsten Kontrolluntersuchung einen neuen Tumor oder andere Komplikationen zu entdecken, begleitet einen jedoch Tag für Tag“, sagt Röhl.
Unerträglich, passiv zu bleben
Für Claas Röhl war es damals unerträglich, einfach passiv zu bleiben und dabei zuzusehen, wie sich nichts verändert. Deshalb gründete er im Dezember 2013 den Verein „NF Kinder - Hilfe für Neurofibromatose-Patientinnen und Angehörige Österreich“. „Ich möchte mit dem Verein NF Kinder allen Betroffenen und Angehörigen von NF Patienten die Möglichkeit geben, aktiv zu werden und an einer positiven Zukunft für Menschen mit NF mitzuarbeiten“, erzählt Claas Röhl. Der Vereinszweck ist neben der direkten Unterstützung für Betroffene auf die Forschungsförderung und den Aufbau der dazu notwendigen medizinischen Infrastrukturen ausgerichtet. „Dank unserer Spender und Unterstützer konnten wir 2018 in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien das NF Kinder Expertisezentrum eröffnen. Es ist das erste und einzige seiner Art in Österreich und widmet sich nicht nur der medizinischen und psychologischen Betreuung von Betroffenen, sondern führt auch Studien zu der wenig erforschten Krankheit durch“, erzählt der Vereinsobmann.
Tapferer Erik
Erik wirkt mit seinen blonden Haaren, dunkelbraunen Augen und seinem strahlenden Lächeln wie jedes andere Kind. Auf den ersten Blick. Erik hat Neurofibromatose Typ 1. Im Sommer, wenn er kurze Hosen trägt, fällt einem eine Orthese an seinem Bein auf. Diese muss er ständig tragen, da sich sein Schienbeinknochen schon in seinen ersten Lebensjahren verkrümmte. Diese Tibia Dysplasie kann unbehandelt zu einem Bruch des Knochen führen, der im schlimmsten Fall nie wieder richtig heilt. In besonders schweren Fällen kann das bis zu einer Amputation des Unterschenkels führen. Häufig hat er starke Schmerzen in seinem Bein und findet keinen Schlaf.
Im Hier und Jetzt leben
Bei einer MRT-Untersuchung wurden bei Erik auch mehrere Gehirntumore festgestellt, die nun alle drei Monate kontrolliert werden müssen. Eine Chemotherapie könnte jeden Moment unausweichlich sein. Unter diesem ständigen psychischen Druck lebt seine Mutter Irmi gemeinsam mit Erik und seiner älteren Schwester. „Die Unsicherheit und Angst ist unser täglicher Begleiter. Doch Erik lässt sich nicht unterkriegen und steckt uns mit seiner Fröhlichkeit an. Das hilft uns, im Hier und Jetzt zu leben. Wir wünschen uns sehr, dass es bessere Behandlungsmöglichkeiten gibt“, sagt seine Mutter Irmi.
Betroffenen ohne Vorurteile und Ängste begegnen
Und auch Claas Röhl hatte große Wünsche und Ziele. „Unser größter Wunsch für die Zukunft ist, dass wir mit Spendengeldern unser Neurofibromatose Expertisezentrum in Wien weiter ausbauen können und ein landesweites Netzwerk mit Partnerkliniken mit einem landesweiten Patientenregister herstellen können. So können wir klinische Medikamentenstudien nach Österreich holen und NF Patienten den Zugang zu innovativen Medikamenten ermöglichen“, mein Röhl. So könnte eine bestmögliche Versorgung in allen Bundesländern angeboten werden. „Vor allem braucht es auch ganz dringend Anlaufstationen für erwachsene Betroffene. Wir wünschen uns, dass die Bevölkerung über NF Bescheid weiß und Betroffenen ohne Vorurteile und Ängste begegnet und Solidarität zeigt“, unterstreicht Röhl.
Aktion „Shine a light on NF“ soll aufklären
Mit der Teilnahme an „Shine a light on NF“ erhöhen die oberösterreichischen Gebäude die Aufmerksamkeit gegenüber der Krankheit und tragen maßgeblich dazu bei, die Situation von NF-Betroffenen zu verbessern. Die Initiative wurde 2014 durch die amerikanische NF Organisation Children's Tumor Foundation ins Leben gerufen. 2018 setzten insgesamt 205 Gebäude ein Zeichen für NF. „Da NF so unbekannt ist, gibt es viele Vorurteile gegenüber Betroffenen. Diese weltweite Aktion trägt zur Aufklärung über die noch wenig bekannte Krankheit bei. Wir sind sehr dankbar, dass wir so viel Unterstützung von österreichischen Gemeinden, Sehenswürdigkeiten und Firmen erhalten. Denn durch diese Öffentlichkeit werden die Schicksale von NF Betroffenen aus dem Schattendasein befreit und die Chancen steigen, eines Tages eine Heilung zu finden“, so Röhl.
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