Sexualisierte Gewalt: Verein Pia feiert 25-jähriges Jubiläum
LINZ/OÖ. Fünf bis zehn Prozent aller Mädchen und bis zu fünf Prozent aller Jungen sind von sexualisierter Gewalt betroffen. Um Erwachsenen zu helfen, die als Kinder missbraucht wurden, aber auch um Prävention zu leisten, wurde der Verein Pia gegründet. 2021 wird bereits das 25-Jahr-Jubiläum gefeiert. Obwohl heute mehr über sexualisierte Gewalt gesprochen werde, gebe es immer noch viel zu tun, berichtet das Team in einer Pressekonferenz am Donnerstag, 23. September.
Begonnen hat die Geschichte des unabhängigen und gemeinnützigen Vereins mit dem Buch „Friede um jeden Preis“, in dem sexualisierte Gewalt behandelt wird. Nachdem sie es gelesen hatten, setzten sich sechs Frauen das Ziel, offen über sexualisierte Gewalt zu sprechen, das Tabu in der Gesellschaft zu brechen sowie den Betroffenen zu helfen. Der Start von Pia erfolge in einem Sozialzentrum in Traun, 2001 übersiedelte der Verein nach Linz. Seither wurden mehr als 23.500 Kinder und Jugendliche sowie mehr als 7.100 Erwachsene in Workshops erreicht. Rund 7.000 Telefonberatungen und 845 Onlineberatungen (seit 2007) wurden durchgeführt. Hinzu kommen rund 27.500 Therapiestunden für Erwachsene ab 18 Jahren (Für Kinder und Jugendliche sind unter anderem Kinderschutzzentren zuständig, mit denen der Verein vernetzt ist, Anm.). Diese wurden in erster Linie bereits im Kindesalter missbraucht und sind häufig auch im Erwachsenenalter noch von Übergriffen betroffen. Hintergrund ist, dass sie sich aufgrund ihrer Erfahrung selbst nur schlecht schützen beziehungsweise kaum Grenzen wahren könnten, führt Christine Ableidinger-Schachinger, Leiterin der Therapie, aus.
Folgen wie psychische Erkrankungen
Die überwiegende Mehrheit (80 Prozent) aller sexuellen Übergriffe von Kindern ereigne sich im sozialen Umfeld wie in Familien, in der Schule oder Freizeit. Viele Betroffene von sexualisierter Gewalt würden sich schuldig fühlen und beispielsweise ihr eigenes Verhalten überdenken. Dabei liege die Verantwortung immer beim Täter, sagt Ableidinger-Schachinger. Die Folgen, unter denen die Betroffenen leiden, seien unterschiedlich. Sie reichen von Schwierigkeiten, sich selbst wahrzunehmen, freundlich mit sich umzugehen und sich zu schützen, über jegliche Art psychischer Erkrankungen wie Ängste, Depressionen und Essstörungen bis hin zu selbstzerstörerischem Verhalten und psychosomatischen Beschwerden wie beispielsweise Schmerzzuständen und Schlafstörungen.
Auch die Therapiedauer und Frequenz sei laut der Leiterin der Therapie divers. Zwischen 20 und 200 Stunden sind ungefähr nötig, etwa die Hälfte absolviert bis zu 100 Therapiestunden. Diese Einheiten, von Therapeuten mit Zusatzqualifikationen wie Traumatherapie, sind für die Klienten kostenlos. Mehr als die Hälfte der Kosten übernehmen die Krankenkassen, weitere werden durch Subventionen und Spenden gedeckt. „Da ich die finanziellen Mittel niemals hätte aufbringen können, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht mehr leben. Die Beendigung der Gewalt in meinem Leben wäre ohne Therapie wahrscheinlich nur durch Suizid möglich gewesen“, erzählt eine dankbare Betroffene nach der Therapie. Aktuell betreut der Verein mehr als 100 Klienten, acht von ihnen sind männlich, wobei hier mit einer Dunkelziffer gerechnet wird. Auf der Warteliste stehen bis dato weitere 18 Personen, wobei ungefähr zwischen vier und sechs Monaten auf einen Therapieplatz gewartet werden muss. Vor der Corona-Pandemie hatte der Verein „nur“ etwa 95 Klientinnen.
Arbeit in Zeiten von Corona
In den vergangenen 1,5 Jahren wurden Therapiestunden online oder vor Ort mit einer Plexiglasscheibe abgehalten. Drastisch reduziert werden mussten hingegen die Workshops in Schulen von Sozialarbeiterinnen beziehungsweise Sexualpädagoginnen (Kosten für Schulen betragen 200 Euro). Ein Beispiel hierfür ist „Mein kunterbuntes Bauchgefühl“, ein Präventionsworkshop gegen sexuelle Gewalt und für Gesundheitsförderung für die erste bis vierte Klasse. Laut Pia sei es wichtig, eigene Gefühle wahrzunehmen und ausdrücken zu können, über den Körper und Sexualität zu sprechen, aber auch sich bei Bedarf Hilfe zu holen. Statt diesen Workshops griff der Verein unter anderem Themen wie Medien und Sexualität online auf und bot Onlinefortbildungen für Pädagogen sowie weitere Bezugspersonen von Kindern an. Diese Angebote sollen fortgeführt werden.
Ausblick
Pia hat für die nahe Zukunft auch darüber hinaus Pläne. So startet im Herbst der erste Lehrgang „Sexuelle Bildung“ gemeinsam mit „sexOlogisch“, bei dem Erwachsene zu Sexualpädagogen ausgebildet werden. Dieser war schnell ausgebucht, weshalb im Februar bereits der nächste folgt. Zudem sollen weitere Präventions- und Schutzkonzepte ausgebaut werden, da Erwachsene beispielsweise wissen müssten, wie sie damit umgehen sollen, wenn ein Kind sexuell missbraucht wird.
Vor all diesen Schritten gilt es aber, einmal auf 25 Jahre erfolgreiche Arbeit zurückzublicken. Am Freitag, 12. November ist eine Feier an der Anton Bruckner Privatuniversität geplant. Auf dem Programm stehen unter anderem Livemusik von Studierenden, Catering, eine Tombola und Modenschau. Unterstützende des Vereins sollen vor den Vorhang geholt werden. Der Eintritt ist frei.
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