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"In 24 Monaten Corona-Pandemie ist jeder Tag ein Tag der Kranken"

Tips Logo Nicole Dirnberger, 08.02.2022 20:00

OÖ/LINZ.  Am 11. Februar ist Welttag der Kranken. Durch die Corona-Pandemie ist Krankheit von der Krisensituation Einzelner zum gesellschaftlichen Dauerthema geworden. Christiane Roser, Referentin für Krankenhausseelsorge in der Diözese Linz: „Menschliche Nähe und Zuwendung ist für kranke Menschen wichtiger denn je.“
 

„Liebevoller Augenkontakt, Präsenz und verantwortete Berührungen sind möglich und schaffen heilsame Nähe“, Christiane Roser. Foto: Diözese Linz

„In 24 Monaten Corona-Pandemie ist jeder Tag ein Tag der Kranken“, stellt Christiane Roser fest. Sie ist Referentin für Krankenhauspastoral in der Diözese Linz und als Seelsorgerin in einer Reha-Klinik in Bad Ischl tätig. 

Aus Rosers Sicht ist die Corona-Pandemie eine gewaltige Herausforderung für den gesamten Gesundheitsbereich – für Patienten und ihre Angehörigen ebenso wie für das Spitalspersonal. „Bei erkrankten Menschen bewirkt Covid-19 eine große Verunsicherung. Im Grunde ist beinahe jedes Kranksein eine krisenhafte Situation für alle Betroffenen, steht doch immer die Frage im Raum: Werde ich wieder gesund? Habe ich etwas falsch gemacht? Wie geht es weiter? Krankheitszeiten sind immer auch Krisenzeiten, weil sie uns mit unserer Zerbrechlichkeit und unserer Gefährdetheit in Verbindung bringen. Durch Covid-19 hat diese Verunsicherung und Gefährdung auch gesellschaftliche Ausmaße bekommen.“ Auch für Patienten, die mit anderen Krankheiten als Corona ins Krankenhaus eingeliefert werden oder sich Eingriffen unterziehen müssen, bringen die mit Corona verbundenen Präventionsmaßnahmen zusätzliche Belastungen mit sich. Vor allem ist die Besuchsmöglichkeit – und damit die Nähe vertrauter Menschen – durch die Corona-Präventionsmaßnahmen stark eingeschränkt. Durch das notwendige Distanz-Halten wurde ein existentielles menschliches Bedürfnis noch deutlicher: „Wir sind darauf angewiesen, dass jemand „leibhaftig“ da ist, wenn es uns nicht gut geht“, so Roser. Zwar erschwert die FFP2-Maske die Kommunikation, aber weder Maske noch Schutzkleidung oder Handschuhe sind echte Hindernisse beim Da-Sein für kranke Menschen: „Liebevoller Augenkontakt, echte Präsenz und verantwortete Berührungen sind möglich und schaffen heilsame Nähe.“

„Wunsch nach seelsorglicher Begleitung enorm gestiegen“

Der Wunsch nach spiritueller, seelsorglicher Begleitung, nach Nähe und Zuwendung sei in Corona-Zeiten enorm gestiegen, so Roser. Nähe und Begleitung hat viele Facetten: „Es kann bedeuten, auf der Intensivstation bei einem schwerkranken Menschen einfach da zu sein. In anderen Fällen können wir durch Gebete, Rituale, Feiern mit Kommunionspendung, Krankensalbung oder Krankensegen spürbar machen, dass Gott auch an diesem Ort, in dieser schwierigen Situation da ist.“ Die Seelsorger übernehmen auch Boten- und Mittlerdienste: Sie übergeben Geschenke, nehmen frische Kleidung in Empfang, übermitteln Nachrichten oder verbinden Kranke via Tablet mit ihren Angehörigen. Ein wichtiger Dienst ist die Begleitung von Hinterbliebenen zum Verabschiedungsraum. „Manchmal gestalten wir Verabschiedungen mehrfach nacheinander, um den Angehörigen, die ja immer nur in kleinen Gruppen anwesend sein können, ein gutes Abschiednehmen zu ermöglichen.“

„Ich bin froh, dass Sie da sind“

Für Mitarbeitende im Gesundheitswesen war die Belastung in den letzten beiden Jahren außergewöhnlich groß, wie Roser betont: „Die Abläufe im Krankenhaus haben sich völlig verändert.“ Jetzt, nach knapp zwei Jahren Corona-Pandemie, ortet Roser im Krankenhaus eine gewisse „Covid-Routine“: „Man hat gelernt, damit umzugehen – Abläufe sind inzwischen klar, Hygienemaßnahmen vertraut. Stationen können inzwischen wieder zurückgebaut werden, Normalstationen nehmen ihren Dienst auf.“

Doch zwei Jahre „Ausnahmezustand“ haben Spuren hinterlassen und die Menschen körperlich und psychisch ausgelaugt. Viele – Patienten, Ärzte und Pflegende – haben liebe Menschen durch Covid-19 verloren - häufig war ein gutes Abschiednehmen nicht möglich. „Vieles ist offengeblieben und macht den Trauerprozess noch schwieriger“, weiß die Seelsorgerin. Das Krankenhauspersonal hat in den letzten beiden Jahren erleben müssen, wie Corona-Kranke um ihr Leben gekämpft und diesen Kampf häufig doch verloren haben. Diese Belastung zu verarbeiten, dafür bleibt meist keine Zeit.

Berührende Geschichte eines jungen Mediziners

Roser hat ein Bericht eines jungen Mediziners in Ausbildung, der eine ältere Patientin auf der Covid-Intensivstation begleitete besonders berührt. „Die Patientin kämpfte lange Zeit eisern, zuerst auf der Normalstation, dann auf der Intensivstation. Sie ertrug auch die Überdruck-Maske, die extrem belastend ist, weil sie ganz eng ans Gesicht geschnallt ist und die ganze Zeit pfeift. Eines Nachts konnte sie nicht mehr und hatte einen Nervenzusammenbruch: Sie wollte sich die Maske vom Gesicht ziehen, hatte Angst, dass sie es nicht schafft, hat gefragt, warum es sie trifft, wo sie doch geimpft ist. Der junge Mediziner hatte Nachtdienst, hat sich zu ihr gesetzt, mit ihr gesprochen, ihr gesagt, wie gut er sie verstehen kann, und sie ermutigt, noch durchzuhalten. Das hat ihr Kraft gegeben, sie hat weitergekämpft – und ist letztlich einige Tage später doch verstorben. Für mich ist dieser junge Mediziner ein Beispiel für seelsorgliches Handeln: Er hat sich dem Elend und der Verzweiflung der Patientin ausgesetzt, hat die Angst mit ihr ausgehalten und ihr durch sein Da-Sein Mut zum Weitermachen gegeben.“

Auch beim Gesundheitspersonal ist der Bedarf nach seelsorglicher Zuwendung größer geworden. Roser erzählt: „Für lange Gespräche fehlt meist die Zeit – aber schon kurze Begegnungen beim Mittagessen oder in einer Pause können stärken. „Ich bin froh, dass Sie da sind!“: Diesen Satz hören wir SeelsorgerInnen derzeit oft.“

Welttag der Kranken

Am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, begeht die Katholische Kirche den Welttag der Kranken. Papst Johannes Paul II. hat diesen 1993 eingeführt – anlässlich des Gedenkens an alle von Krankheit betroffenen Menschen.


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