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"Bitte kein Smartphone unter 16": Silke Müller zu Gast bei Gewalt-Schule-Medien

Tips Logo Karin Seyringer, 14.03.2024 21:07

OÖ/LINZ. Am Freitag, 15. März findet im Schlossmuseum Linz und via Livestream das mittlerweile neunte Vernetzungstreffen „Gewalt-Schule-Medien“ statt. Dabei werden aktuelle Herausforderungen, die durch digitale Kommunikation und soziale Netzwerke entstehen, thematisiert. Sprechen wird dort auch Silke Müller, selbst Schulleiterin, Autorin zu diesem Thema und Digital-Botschafterin Niedersachsens. Wenn es nach ihr geht, haben eigene Smartphones zumindest bei unter 14-Jährigen nichts verloren.

 (Foto: africa-studio.com (Olga Yastremska and Leonid Yastremskiy)/stock.adobe.com)
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„Jugendliche in Oberösterreich verbringen im Durchschnitt 130 Minuten täglich nach der Schule im Internet. Eltern haben oft keine Ahnung, was sie im online machen, oft fehlt auch bei den Eltern selbst die Medienkompetenz“, so Bildungs-Landesrätin, LH-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP).

Eine Studie, aus der Silke Müller zitiert, zeigt noch weitgehendere Zahlen aus Deutschland: Diese besagt, dass Kinder und Jugendliche im Alter von etwa 15 Jahren 64 Stunden pro Woche online sind. Das übertreffe die Zahlen aus Oberösterreich nochmal um Längen.

Das Problem bleibt aber das Gleiche: „Wir sprechen von Gewalt, von Cyber-Grooming – also die Anbahnung von sexualisierten Kontakten zu Erwachsenen. Es geht aber auch um Folter, um Rassismus in jeglicher Art und Weise, es geht um verstörende Inhalte und immer wieder um Cybermobbing, wo Kinder und Jugendliche eine Dimension von Grausamkeit erfahren, die neu ist“, findet Müller ganz klare Worte. Natürlich habe es immer wieder Druck, Mobbing, Ärger gegeben: „Aber die Art und Weise, wie mittlerweile Konflikte gelöst werden – bzw. nicht gelöst, sondern ausgetragen werden, ist eine völlig andere Dimension geworden.“

Gesellschaftliche Teilhabe

Aber: Es gehe um gesellschaftliche Teilhabe. „Wir können nicht einfach den Stecker ziehen bei manchen Netzwerken. Wir müssen auch schauen, wie sehr sie schon Alltag unserer Kultur geworden sind - aber eben auch zum Alltag der Kinder und Jugendlichen. Es geht um einen reflektierten, souveränen und auch um resilienten Umgang mit den Erlebnissen in sozialen Netzwerken.“

Erwachsene können nur verstehen und begleiten, wenn selbst darüber Bescheid wissen

Die Erwachsenen – in der Schule, in Elternhäusern, auch im medizinischen oder psychologischen Bereich, könnten nur begleiten, verstehen und an die Hand nehmen, „wenn wir überhaupt selber ein Bewusstsein haben und Erfahrungswerte, was in sozialen Netzwerken an der Tagesordnung steht.“ Hier wolle sie Bewusstsein schaffen, so Silke Müller. Aber auch erklären: „Wie kann ich Kinder an die Hand nehmen, ohne dass ich mit Verboten agiere oder letztendlich das Smartphone verbiete. Ich möchte sensibilisieren, wachrütteln und ehrlicherweise auch schockieren: Man muss sehen: Soziale Netzwerke sind nicht nur ‚ein Problem‘ in der Kinder- und Jugendzeit, sie sind das Problem, dass den massivsten Einfluss auf die Entwicklung im Psychosozialen, möglicherweise auch die körperliche Entwicklung - denkt man an Essstörungen – nimmt.“

Verbote sind schwierig

Die Frage nach Verboten müsse man differenziert betrachten: „Ich würde sagen: Bitte kein Smartphone unter 16, mindestens aber ehrlicherweise nicht unter 14, und schon gar nicht in der Grundschule.“

Generell sollten Kinder möglichst lange aus sozialen Online-Netzwerken ferngehalten werden. „Kinder haben einfach noch nicht diese Resilienz, noch kein kritisches Umgehen mit Falschinformationen gelernt – was auch selbst Erwachsene manchmal nicht können. Geschweige denn können sie mit wirklich dramatischen und grausamen Inhalten umgehen. Gleichzeitig muss man auch den realistischen Blick walten lassen: Wenn man ein Verbot ausspricht, ist die Frage: wie kontrolliert und wie reguliert man das?“

Sensibilisieren

„Oder geht es nicht vielmehr darum, zu sensibilisieren? Dass Eltern, Schulen und Erziehende sich zur Aufgabe machen zu sagen: Mein Kind bekommt noch nicht so früh ein Smartphone? Und diese Plattformen sind dadurch dann auch nicht zugänglich?“ Aber: Ein Kind im Freundeskreis habe trotzdem immer unbegrenzten Zugang zum Netz, dann werde auf deren Smartphones geschaut. Eine Möglichkeit für Müller: Regelungen im Jugenschutzgesetz.

Plattform-Betreiber in Verantwortung ziehen

Es geht auch darum, Plattform-Betreiber verantwortlich zu machen für Inhalte, die menschenunwürdig sind. „Es geht ja weniger um die Plattform an sich, es geht um die dort zur Verfügung gestellten Inhalte. In meinem Vortrag spreche ich von der offenen Kastration eines Mannes, davon, dass Kinder sehen, wie Menschen enthauptet werden, ohne eine Triggerwarnung zu bekommen, von härtester Pornografie und schlimmster Tierquälerei. Plattform-Betreiber müssen in die Verantwortung gezogen werden, dass solche Dinge nicht zugelassen werden.“

Wie sollen Eltern sensibilisiert werden?

Ein großes Anliegen ist, wie Eltern sensibilisiert werden können. „Wir sprechen ganz viel über Prävention, über Medien-Elternabende, wo dann nachher nur die Eltern kommen, die sich sowieso schon kümmern. Das ist ein großes Fragezeichen, wie man politischen Druck dahinter setzen könnte. In Deutschland habe ich spaßeshalber gesagt: Wenn die Eltern wenigstens einen Medienführerschein abgeben müssten - zur Steuererklärung. Oder dass bei allen verpflichtenden Terminen, wo Eltern kommen müssen – ob es die Schulanmeldung ist oder ähnliches - dass da eine erste Aufklärung stattfindet, wäre total richtig“, so Müller.

Ein Vorschlag von ihr ist auch eine europaweite Plattform, wo regelmäßig über neueste Trends auf Social Media – etwa potenziell gefährliche Mitmach-Challenges – informiert würde. Eltern könnten dann gezielt, klar und konkret darüber mit ihren Kindern sprechen. „Kinder müssen, wie im Straßenverkehr, wissen, vor welchen Gefahren sie genau geschützt werden wollen und sollen – dann hören sie auch anders zu. Aber dafür müssen die Eltern zuerst die Kenntnisse haben.“

Wenig hält Silke Müller übrigens davon, den Standort der Kinder mittels Apps zu orten. „Mein Problem dabei ist, dass Eltern oft denken: Wenn ich nur technisch ganz viel einschränke, kann nichts mehr passieren. Das ist aber totaler Blödsinn. Ich kann das Risiko minimieren, wenn ich selber Experte bin, ich selber weiß, was passieren kann, ich selber weiß, wie und wovor ich meine Kinder schütze.“

9. Vernetzungstreffen „Gewalt-Schule-Medien“

Das Vernetzungstreffen findet am Freitag, 15. März, von 10 bis 17 Uhr, im Schlossmuseum Linz statt. Veranstaltet wird es von der Education Group, Partner sind die Bildungsdirektion OÖ, Schulpsychologie OÖ, Saferinternet, Landeskriminalamt OÖ, Institut Suchtprävention, Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie weitere Medienexperten.

Die Einflüsse der Medien würden sich verstärkt auf die Bildungsarbeit auswirken, so Peter Eiselmair, Geschäftsführer der Education Group und Entwickler des Projekts. „Das erfordert vor allem im Bildungskontext eine klar fokussierte Betrachtung der möglichen Einflussnahmen auf die Entwicklung junger Menschen sowie eine proaktive, grundlegende ethische Auseinandersetzung.“

Interessierte können auch via Live-Stream dabei sein – auf: https://gewalt-schule-medien.edugroup.at/

Buchtipp
Silke Müller: „Wir verlieren unsere Kinder!“, erschienen im Verlag Droemer Knaur
ISBN 978-3-426-27896-3

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