"Die Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben"
LINZ. Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Während viele darüber jubeln, stehen bei manchen Zweifel und Ängste im Vordergrund. Tips hat den KI-Experten Alexander Schurr zu Chancen und Möglichkeiten für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft befragt.
Tips: Wie wird KI unseren Alltag künftig verändern?
Schurr: Es ist schwer zu sagen, wie genau KI den Alltag jedes Einzelnen verändern wird. Und es gibt auch eine klare Unterscheidung zwischen „Generativer KI“ (das, was wir als ChatGPT kennen) und der KI, die schon seit über 70 Jahren existiert - auch bekannt als Machine Learning.
Klar ist, dass KI gekommen ist, um zu bleiben, auch wenn der Hype aktuell groß ist. Wie es konkret den Arbeitsalltag verändern wird? Sagen wir mal so: (Generative) KI ist vor allem dort stark, wo Routineaufgaben, einfache Prozesse oder auch oft bekannte Aufgaben, die als „lästig“ bezeichnet werden, anfallen. Ich hoffe und vermute, dass wir durch den Einsatz von KI weniger „Standard“-Aufgaben erledigen müssen und mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge gewinnen. Innovation, Problemlösung, Kreativität und vor allem auch das „Menschsein“ dürfen in den Vordergrund rücken.
Es ist interessant, dass viele denken, KI wird unsere Jobs nehmen – aber im Endeffekt ist KI hier, damit wir wieder etwas mehr Mensch sein dürfen, da wir mehr Zeit für das Wichtige gewinnen.
Und dann gibt es natürlich noch die KI, von der viele träumen, die uns den Geschirrspüler ausräumt, unsere Kleidung bügelt oder andere Dinge im Alltag erledigt. Diese werden bestimmt auch kommen, das wird aber noch dauern. Hier sprechen wir auch von Robotik und nicht von generativer KI.
Tips: Welche konkreten Vorteile sehen Sie in der Nutzung von KI - beruflich wie privat?
Schurr: Generative KI kann bei einfachen Tätigkeiten wie Recherche, Wissensaneignung, Formulierungen und Ideenfindung unterstützen. Im beruflichen Kontext gibt es viele Anwendungsfälle. Einige davon sind auch vom Privaten ins Berufliche übertragbar, wo wir uns auch ständig weiterentwickeln müssen. Spannend wird es allerdings dann, wenn wir KI in konkrete Prozesse integrieren. Wenn eine Person nicht mehr sieben Social-Media-Beiträge schreiben muss, sondern einen Knopf drückt, die KI erstellt sieben spezifische Beiträge angepasst auf den Leser, und der Mensch hat mehr Zeit gewonnen, die Beiträge wirklich qualitativ hochwertig zu gestalten, den Faktor Mensch und eine Differenzierung hineinzubringen – oder auch Zeit für eine entsprechende Strategie und möglicherweise einen neuen Kanal, der bespielt werden kann … dank KI. Das ist aber nur einer von vielen.
Wissensmanagement - also die Informationssuche mit Unternehmensdaten – wird immer wichtiger. Also kurz gesagt, eine KI, die alle Unternehmensdaten kennt, und der Mitarbeiter kann plötzlich mit allen Informationen sprechen. „Mit Informationen sprechen“ bedeutet, Daten abfragen, Prozesse abfragen, sich auf Kundenworkshops viel spezifischer vorzubereiten, Konzeptionen qualitativ hochwertiger abzuwickeln, strategische Planungen mit einer KI, die alle Daten kennt, zu optimieren und vieles mehr. KI ist somit ein digitaler Assistent, der im Arbeitsalltag unterstützt.
Tips: Inwieweit können Menschen in der Gesundheitsvorsorge von KI profitieren?
Schurr: Es kommt oft vor, dass wir beispielsweise unser eigenes Blutbild nicht verstehen und wir den Arzt aus Schüchternheit, Zeitstress oder anderen Gründen nicht explizit danach fragen, was das konkret bedeutet. Hier kann man mittlerweile auf KI zurückgreifen, die einfache Begrifflichkeiten erklärt und Empfehlungen gibt, wie man gewisse Werte wieder optimiert. Die Informationen sind aber mir Bedacht zu behandeln. KI macht Fehler und kann auch - anders als ein Mensch - keine psychologischen Aspekte berücksichtigen. Man muss die Ergebnisse der KI daher immer kritisch hinterfragen. Letztendlich geht es um die eigene Gesundheit – da würde ich trotzdem den Arzt aufsuchen. KI ist aktuell bereits sehr stark in der Krebserkennung bzw. der generellen Erkennung von Anomalien und Krankheiten – das wird noch ein hochrelevanter Bereich, der uns alle positiv beeinflussen kann.
Tips: Welche neuen Lernmöglichkeiten werden durch KI eröffnet?
Schurr: Bildung und KI sind meiner Meinung nach einer der wichtigsten Aspekte. Der richtige Umgang mit KI muss gelernt sein, um entsprechend qualitativ hochwertige Resultate zu bekommen. Oft hören wir die Aussage: „KI ist doch gar nicht so gut“ – richtig! KI ist nur so gut wie der Anwender - also der Mensch - und die Datenqualität. Im Bereich Bildung müssen wir viel Aufklärung leisten, auch was ethische und moralische Aspekte betrifft.
KI selbst wird auch die Art und Weise verändern, wie wir lernen und Wissen bzw. Informationen sammeln. Man kann KI als Wissensträger und Transferierer verwenden – als Lektor, als Mathelehrer, als Biologielehrer etc. Es wird aber trotzdem den Menschen als Lehrer nicht ersetzen, da vor allem in der Bildung die soziale Komponente ein unendlich wichtiger Faktor ist, den KI (noch) nicht bieten kann.
Was wir jetzt schon sehen: KI ermöglicht uns, Informationen schneller zu finden, sie besser zu verstehen und sie auch optimierter aufzubereiten. Wir haben alle Zugriff auf einen unendlich großen Wissensschatz, und den sollen und dürfen wir auch verwenden. Wichtig dabei, dass wir uns einerseits nicht blind auf die „Maschine/KI“ verlassen, sondern immer alles kritisch hinterfragen und dass wir andererseits das Lernen nicht verlernen. Also dass wir nicht faul werden, weil die KI eh so viel kann, sondern dass wir umso mehr Fokus auf kritisches Denken, verschiedene Perspektiven, Innovation, Problemlösung und Kreativität legen. Hierfür bedarf es Aufklärung – bei der jüngeren Generation genauso wie bei der mittleren und älteren Generation.
Tips: Wie wird KI Menschen im Umgang mit komplexen Informationen unterstützen, und welche Vorteile bringt das im Alltag?
Schurr: Vor allem in den Bereichen Mathematik, Physik, Chemie, aber auch beim Programmieren kann KI bereits gravierend unterstützen. Der CEO von NVIDIA sagte kürzlich, dass Programmieren bald nicht mehr benötigt wird, weil die KI es erledigen kann. Ob er mit dieser Aussage recht hat oder nicht, sei mal dahingestellt. Aber KI kann mittlerweile gut Prozesse erkennen, logisch schlussfolgern und auswerten. Vereinfacht gesagt macht KI eine Art Wahrscheinlichkeitsberechnung mit komplexen Algorithmen. Das unterstreicht einerseits die Möglichkeiten im Bereich „komplexe Informationsabwicklung“, was die KI sehr gut kann, sofern man sie richtig trainiert und verwendet. Das bedeutet aber zugleich auch, dass wir nicht alles glauben sollen, was die KI sagt.
Tips: Welche Branchen werden Ihrer Meinung nach am meisten von KI profitieren und warum?
Schurr: Hier kommt es darauf an, von welcher KI wir sprechen. Beispielsweise werden Robotik und KI der Industrie einen mächtigen Boost geben, was Effizienz und Qualität betrifft. KI kann aber genauso den Verkaufsprozess um ein Vielfaches optimieren, beispielsweise was Kundensuche und Kundengenerierung betrifft. Dasselbe Prinzip trifft aber auch auf viele andere Abteilungen und Branchen wie Finanzwesen, E-Commerce, Informatik, Landwirtschaft etc. zu.
Ich denke, der größte Hebel nach aktuellem Stand - mit leichtem Blick in die Zukunft - betrifft die Gesundheitsbranche. Wichtig ist hier, dass es dabei nicht um generative KI (wie ChatGPT) geht, sondern eher in Richtung Machine Learning bzw. Deep Learning. Mit Unterstützung des Menschen kann KI bereits bzw. wird zukünftig schnell und qualitativ hochwertig die unterschiedlichsten Krankheiten erkennen, aber auch heilen können.
Tips: Glauben Sie, dass KI Menschen in kreativen Berufen unterstützen/ersetzen wird?
Schurr: Ich glaube nicht, dass KI kreative Berufe ersetzen wird. Ich bin davon überzeugt, dass es eine Veränderung geben wird, bzw. diese Veränderung auch schon hier ist, weshalb es umso wichtiger ist, sich vor allem im kreativen Bereich mit dem Thema zu beschäftigen. Meiner Meinung nach schafft uns KI im kreativen Bereich die Möglichkeit, dass wir weniger Zeit für administrative und 0815-„Kreativität“ verwenden müssen, und mehr Zeit für wirkliche Kreativität gewinnen dürfen. Gedanken würde ich mir dann machen, wenn ich keine klare Positionierung mit meinem Beruf habe.
Tips: Welche Ängste haben Menschen Ihrer Meinung nach gegenüber KI?
Schurr: Das - vermutlich - am häufigsten diskutierte Thema ist die Angst vor dem Jobverlust. Hier möchte ich kurz erwähnen: KI wird Jobs verändern und beeinflussen. Wir hatten aber ähnliche Situationen bereits bei jeder einzelnen industriellen Revolution, bei der Einführung von Schreibmaschinen und vielem mehr. KI wird dich nicht ersetzen - nur jene Person, die KI zu verwenden weiß. Das bedeutet, nur dann, wenn wir uns nicht mit dem Thema beschäftigen, könnte bzw. wird es früher oder später kritisch werden. Deshalb: offen und flexibel bleiben und KI dort verwenden, wo es wirklich Sinn macht und es ein Problem zu lösen gibt.
Ein weiteres Thema, das auch erstaunlich oft diskutiert wird, betrifft die Frage, ob KI die Welt erobern wird. Ich kann natürlich nicht in die Zukunft schauen, aber wir entwickeln bereits jetzt Gesetze und Richtlinien, damit wir die KI einschränken, damit sie nicht tun und lassen kann, was sie will. Schlussendlich kommt es aber auch auf uns Menschen an, was wir aus der KI machen und wie wir sie einsetzen.
Tips: Wie können wir sicherstellen, dass KI-Lösungen für den Menschen transparent und vertrauenswürdig bleiben?
Schurr: Je mehr wir von der KI wissen, desto besser können wir KI zuordnen, interpretieren und auch sinnvoll einsetzen. Es ist wichtig zu wissen, dass es viele Arten von KI gibt. Generative KI wie ChatGPT und Co. ist eine völlig andere KI als die, die wir in Produktionsstätten oder auch im Gesundheitswesen finden - hier spricht man von Machine Learning.
Viele Unternehmen sprechen von KI, die wenigsten wissen aber, wie sie gewinnbringend ins Unternehmen eingesetzt werden kann – was auch oft mit einer falschen Erwartungshaltung verbunden ist. Zusätzlich dazu bedarf es auch an Richtlinien und Guidelines. Einerseits, wie wir KI verwenden und wie wir es kommunizieren, wenn wir sie verwenden. Andererseits aber vor allem auch, was die „großen Unternehmen“ machen, welche die KI sie zur Verfügung stellen. Die Vertrauenswürdigkeit ist stark von der Datenqualität abhängig. Das ist auch für den Nutzer ein extrem wichtiger Aspekt, damit KI qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern kann.
Das Beste wäre meiner Meinung nach ein Mix aus gesetzlichen Richtlinien, was die Transparenz und Datenqualität betrifft, kombiniert mit einem gesunden Menschenverstand der Endnutzer wie auch der Unternehmer, sowie einer praxisorientierten Aufklärung. Bei KI ist es zu wenig, nur darüber zu reden. Klar werden die Limitationen, Gefahren, aber auch hervorragende Chancen dann, wenn wir sehen, wo KI wirklich bereits eingesetzt wird oder eingesetzt werden kann. Und wie bei allem im Leben – es liegt in unserer Hand, was wir aus der Maschine machen. Zusammengefasst: diese Maschine kann extrem viel, wenn auch definitiv nicht alles. Wenn wir richtig damit umgehen bzw. die KI richtig einsetzen, kann sie unser aller Leben deutlich vereinfachen
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