Industriestandort OÖ: Hochkonjunktur mit groben Verwerfungen
OÖ/LINZ. Oberösterreichs Industrie ist aktuell geprägt von Hochkonjunktur, gleichzeitig begleitet von extremen Verwerfungen mit etwa „Wild West“-Situationen bei Lieferkettenengpässen. Die Industriellenvereinigung OÖ (IV) gab einen Überblick zum Status-Quo und einen Ausblick. Drei standortpolitische Masterpläne wurden entwickelt, um die Transformation bewältigen zu können.
„Oberösterreichs Industrie befindet sich in turbulenten Zeiten. Die Auftragslage ist nach wie vor hervorragend, gleichzeitig haben wir es mit all jenen Verwerfungen zu tun, die uns das ganze letzte Jahr auch begleitet haben: steigende Quarantänezahlen, gleichzeitig Lieferkettenausfälle, Bauteile-Knappheit, enorm gestiegene Energie-, Rohstoff- und Logistikkosten. Und vor allem begleitet uns der Fachkräftemangel seit Jahren. Das ist der Hemmschuh für die weitere Entwicklung der Konjunktur“, fasst Axel Greiner, der Präsident der Industriellenvereinigung OÖ, die aktuelle Lage für den Industriestandort OÖ zusammen.
Als „außergewöhnlich“ beschreibt IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch die Konjunktursituation, mit „Hochkonjunktur, aber massiven täglichen Problemen, damit die Produktionen weiter laufen können und gleichzeitig die Kosten nicht völlig aus dem Ruder laufen.“ Greiner: Probleme mit den Lieferketten würden ständig zu Notaktionen führen, „mit teils Wild-West-ähnlichen Situationen“, in denen etwa innerhalb weniger Stunden Produktionen umgestellt werden müssten – „das wird auch 2022 weiter herausfordernd und so bleiben.“ Erwartet wird auch, dass die Energiekosten auf hohem Niveau bleiben, „einige Unternehmen und Geschäftsmodelle könnten sich dann nicht mehr rechnen.“
Er verweist aber auch auf die aktuellen politischen Probleme, an den Grenzen Europas „zeichnet sich eine stark besorgniserregende Situation ab“, verweist er auf die Ukraine, das würde die Energiesicherheit Europas „massiv beeinträchtigen“.
„Herkulesaufgabe“ Transformation
Eine „Herkulesaufgabe“ mit gleichzeitig enormen Chancen gerade für den Standort OÖ sei die Transformation des Energie- und Mobilitätssystems.
Die Industrie inklusive der industrienahen Dienstleister Oberösterreichs beschäftigt 415.000 Mitarbeiter. Dabei werden 104 Milliarden Euro an Umsätzen sowie eine Wertschöpfung in Höhe von 32 Milliarden Euro generiert. 27,4 Prozent der industriellen Wertschöpfung Österreichs findet in OÖ statt. Der Gesamtenergieverbrauch des produzierenden Bereichs Oberösterreichs lag im Jahr 2019 bei knapp 100.000 Terajoule, was in etwa 31 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs des Landes entspricht.
„Ziel schon wieder unrealistisch“
Oberösterreich habe enorme Technologiepower, um die Transformationsprozesse zu schaffen, ist Joachim Haindl-Grutsch überzeugt. Jetzt brauche es aber endlich Umsetzung, keine Diskussion mehr. „Die Energiewende gelingt nur mit einer entsprechenden Infrastruktur. Wir brauchen Stromerzeugung, Stromleitungen. Wir brauchen Gasinfrastruktur, um Wasserstoff zu transportieren, Stromspeicher für den Winter-Sommer-Ausgleich. Gleiches gilt für den Mobilitätsbereich: Wenn man mit Batterie fahren will, ist auch das enorm Infrastruktur-intensiv.“
Vor allem ist für ihn klar: Bis 2030 sollen 100 Prozent des Stroms aus erneuerbarer Energie kommen – „jetzt reden wir immer noch und haben nicht mal begonnen, Genehmigungsverfahren einzuleiten. Da sehen wir, wie unrealistisch dieses Ziel schon wieder ist.“
Für ihn auch klar: „Der Wandel funktioniert nur dann, wenn er auch ein volkswirtschaftlicher Erfolg wird. Der Wohlstand der Menschen steigt und nicht sinkt, sonst werden die Menschen nicht mitgehen.“
„Haben es mit aggressiven Mitspielern in Weltpolitik zu tun“
„Oberösterreich braucht drei Masterpläne zur Einleitung eines kräftigen Veränderungsimpulses am Beginn der neuen Legislaturperiode“, sind sich Greiner und Haindl-Grutsch sicher.
Die IV OÖ hat sich in den letzten Jahren intensiv mit „12 Grand Challenges“ beschäftigt und umfassende Expertise aus internationaler Perspektive ausgearbeitet. Drei wesentliche Transformationsprozesse müssten dabei in den nächsten Jahren erfolgreich bewältigt werden, so Greiner.
Bewältigt werden müssen die digitale Transformation (mit Fachkräftemangel, MINT-Nachwuchs, neuen Technologien und Cybersecurity), die Transformation des Energie- und Mobilitätssystems sowie die Transformation von Politik und Gesellschaft. „Wir brauchen einen modernen finanzierungs- und Kapitalmarkt. Es ist Vorsicht geboten bei den Träumen, Eingriff in allen Bereichen des Kapitalmarkts zu nehmen“, warnen Greiner und Heindl-Grutsch hier. „Es soll nachhaltig und umweltverträglich veranlagt werden, aber nicht mit planwirtschaftlich staatlicher Vorgabe.“
Und: „Wir gehen viel zu wenig darauf ein, was rund um uns passiert. Wir haben es mit sehr aggressiven Mitspielern in der Weltpolitik zu tun, das ist nicht nur Russland, sondern auch China, in gewisser Weise auch die USA. Europa ist sich uneins, noch nicht mal Deutschland spricht mit einer Sprache, darauf müssen wir eingehen“ fordern die beiden Europa auf, sich mit den wichtigen Dingen auseinanderzusetzen.
Drei Masterpläne - was OÖ machen kann
„Auch Oberösterreich brauche dazu am Beginn der neuen Legislaturperiode einen kräftigen Veränderungsimpuls.“
Drei Masterpläne werden genannt, für den öffentlichen Sektor, Bildung und Arbeitsmarkt und Infrastruktur. Eine Forderung an das Land OÖ ebenfalls ganz klar: Die Digitalisierung des öffentlichen Sektors und der Verwaltung. Am Arbeitsmarkt müssten vorhandene Potenziale besser genutzt werden – Stichwort Frauenbeschäftigung und Erhöhung der Teilzeitstunden – „sonst werden wir an der gläsernen Decke anstehen, es entsteht kein Wachstum mehr.“ Gleiches gelte für den Bildungssektor, hier müsse viel praxisbezogener gearbeitet werden.
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