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Im Ausland erworbene Qualifikationen: der steinige Weg zur Anerkennung

Tips Logo Anna Fessler, 25.04.2023 14:54

OÖ/LINZ. In der Diskussion um den Fachkräftemangel wird häufig das Anwerben qualifizierter Ausländer als mögliche Lösung genannt. Mittlerweile hat die Politik erkannt, dass auch die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen erleichtert werden muss.

Der Weg zur Nostrifizierung gleicht für manche einem Hürdenlauf – das gilt auch für Personen, die in einem Mangelberuf hochqualifiziert sind. (Foto: Stefan Schurr/stock.adobe.com)

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will im Kampf gegen den Personalmangel in Gesundheitsberufen auch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen vereinfachen. Um dasselbe Thema ging es in der Arbeitssitzung vom 13. April des Migrations- und Integrationsbeirats (MIB) der Stadt Linz. „Vorhandene Ressourcen am Arbeitsmarkt bestmöglich einzusetzen muss aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen ein klares Ziel unserer Gesellschaft sein. Deshalb halte ich es für notwendig, die Auflagen zu evaluieren und den Prozess zu vereinfachen. Ziel ist, in Mangelberufen ausgebildete Fachkräfte für den Linzer Arbeitsmarkt zu nutzen“, sagt Integrationsreferentin Vizebürgermeisterin Tina Blöchl (SPÖ).

So sind laut AMS 14 ukrainische Ärzte in Oberösterreich derzeit als medizinische Hilfskräfte tätig, auch 76 syrische Ärzte können ihren Beruf noch nicht ausüben, weil ihnen die formale Anerkennung ihrer Qualifikation aus verschiedenen Gründen noch fehlt. In der letzten Hauptsitzung des MIB habe Blöchl daher den Diskussionsprozess dazu angestoßen. Derzeit sammelt der MIB Erfahrungsberichte, holt Expertenmeinungen ein und erarbeitet Optimierungsvorschläge.

Nostrifizierung: Hohe Kosten, lange Dauer

Derzeit erweist sich die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse und Berufsausbildungen oft als Hindernis für hochqualifizierte Migranten. Das Problem kennen Nermina Imamovic von der Anlaufstelle für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen (AST) vom Verein migrare und Mümtaz Karakurt, Geschäftsführer von migrare, nur zu gut. Seit zehn Jahren begleitet Imamovic Menschen auf dem teils steinigen Weg zur Nostrifizierung.

Notwendig ist der Prozess für alle reglementierten Berufe, zu denen beispielsweise Gesundheitsberufe zählen. Imamovic nennt als erste Hürde die Kosten: Humanmediziner müssten für den gesamten Prozess mit mindestens 3.000 Euro rechnen, für Übersetzungen, Prüfungsgebühren, Deutschkurse etc. Zwar gibt es Förderungen, doch diese können erst nachträglich in Anspruch genommen werden. „Es gibt Personen, die gut qualifiziert sind, sich die Vorfinanzierung aber nicht leisten können“, sagt Karakurt.

Fachbezogene Sprachkurse

Eine weitere Hürde: Um das Verfahren zur Nostrifizierung überhaupt beginnen zu können, müssen Anwärter B2-Deutschniveau vorweisen können, für Ärzte ist zur Berufsausübung mindestens C1-Niveau nötig. Das Problem laut Imamovic: Viele ihrer Klienten würden durch Verpflichtungen, wie Arbeit oder Kinderbetreuung, Jahre dafür brauchen. Karakurt meint: „Wenn mir verboten wird, in einem Fachbereich zu arbeiten, komme ich nie in Berührung mit Fachbegriffen. Deshalb fordern wir immer wieder fachbezogene Sprachkurse in Kleingruppen verbunden mit Praktika, Exkursionen und einem Austausch mit praktizierenden Medizinern.“

„Verliere meine Fähigkeiten“

Die beiden nennen dazu ein Fallbeispiel aus der Praxis: Eine migrare-Klientin hatte sich für einen Praktikumsplatz im Bereich Sozialpädagogik beworben. Im Lebenslauf der Frau war jedoch ein Medizinstudium in Moskau aufgeführt. Karakurt habe sie gefragt, ob sie sich ihre Ausbildung anerkennen lassen will. Die Alleinerzieherin habe verneint: „Seit sieben Jahren übe ich meinen Beruf nicht aus, und Ärztin ist ein sehr verantwortungsvoller Job. Wenn ich mich nostrifizieren lasse, dauert es womöglich wieder Jahre. Ich verliere Tag für Tag meine Fähigkeiten“, zitiert Karakurt.

Imamovic erzählt von einem serbischen Klienten, der als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger mit jahrelanger Berufserfahrung auf einer Lungenabteilung während der Corona-Pandemie als Maler arbeitete, weil er weder die Zeit noch das Geld für ein Anerkennungsverfahren hatte.

„Wir verlieren wertvolle Zeit“

Für Drittstaatsangehörige sei die Anerkennung von Qualifikationen weitaus schwieriger als für EU-Bürger, daher müsse der Prozess besonders für diese Gruppe vereinfacht werden, sagt Karakurt. Zudem müsse es generell mehr individuelle Förderungen geben, diese könne man auch an Verpflichtungen koppeln. Imamovic hat in der Praxis oft erlebt, dass Klienten lieber nach Deutschland ausweichen, wo Ärzte unter Aufsicht in ihrem Beruf arbeiten und nebenbei die Anerkennung vorantreiben können – und dafür auch Unterstützung erhalten.

„Win-Win-Situation, wenn man das Problem löst“

„Es ist eine Win-Win-Situation, wenn man dieses Problem löst: für die Integration, für die Volkswirtschaft“, sagt Karakurt, allerdings gibt er zu bedenken, dass gesetzte Maßnahmen erst in einigen Jahren greifen werden: „Jeden Tag verlieren wir wertvolle Zeit.“ Laut der letzten Auswertung seien es alleine aus dem Gesundheitsbereich 200 AST-Klienten gewesen, 700 Personen aus verschiedenen Bereichen warten derzeit auf einen Beratungsplatz bei der Anlaufstelle. Das Potenzial wäre also durchaus groß.


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