"Sei so frei Oberösterreich": Wenn Spendengelder ankommen, ein Lokalaugenschein
GUATEMALA/OÖ. Einen Holzsparofen als Lebenswunsch zu haben, kann man sich hierzulande kaum vorstellen. 2.000 Familien aus der Berggemeinde Joyabaj konnten sich dank der Hilfe von „Sei So Frei Oberösterreich“ diesen Wunsch erfüllen, der auch das soziale Leben der Frauen verbessert.
Ein Großteil der Frauen vor Ort kocht auf offenem Feuer. Es gibt keinen Rauchabzug, keine separate Küche, der Wohnraum ist verrußt. Die Zubereitung einer Mahlzeit, meist Maistortillas, dauert in etwa zwei Stunden. Die Gesichtshaut und die Augen der Frauen sind gerötet, viele leiden an Atemwegserkrankungen. Verbrennungen am offenen Feuer sind keine Seltenheit, auch bei Kindern, die sich um das Sammeln von Brennholz kümmern, anstelle die Hausübung zu machen. Holz zu kaufen ist für die bitterarmen Familien teuer, oft zu teuer.
2.000 Tischherde übergeben
Die Delegation, die mit „Sei So Frei“-Geschäftsführer Franz Hehenberger unterwegs ist, versteht langsam, warum ein Holzsparofen ein Lebenswunsch sein kann. Die gemauerten Tischherde mit Eisenplatte und Rauchabzug erleichtern das Kochen, verbessern die Gesundheit und sparen Holz. An kalten Tagen wird damit geheizt, die Familien sitzen rund um die Öfen. Auch die Männer nehmen an diesen Tagen am Familienleben teil, eher die Ausnahme als die Regel in Joyabaj. Zu erleben, wie die Übergabe eines Kochtopfes im Zuge einer feierlichen Eröffnung der Öfen den Frauen die Tränen in die Augen treibt, lässt einen dankbar für den eigenen Geburtsort werden. Der Großteil der Bevölkerung Joyabajs lebt in 140 Bergdörfern, die nur über unbefestigte Straßen erreichbar sind. Oft ohne Elektrizität und Fließwasser.
Finanziert werden die Öfen, die nach einem Plan des Unternehmens Ökofen aus dem Bezirk Rohrbach gebaut werden, zu 80 Prozent von „Sei So Frei“, den Rest übernimmt der Bürgermeister von Joyabaj. Die Kosten liegen bei rund 750 Euro. Die Einbindung der Politiker vor Ort sei wichtig für den Erfolg in der Entwicklungsarbeit, betont Franz Hehenberger, „nur Geld zu schicken oder Gebäude zu bauen, ist zu wenig“. Heimisches Material für die Öfen und lokale Arbeitskräfte sorgen für eine Stärkung der regionalen Wertschöpfung.
Gemüsegärten als Chance
Auf kleinen Flächen bauen Bergbauernfamilien Mais und Bohnen an. Um die Eigenversorgung zu verbessern, wurde ein Agrarprojekt ins Leben gerufen. Frauen lernen, welche Gemüsesorten zu welchen Jahreszeiten für ihre Böden geeignet sind, wie sie Gemüse verwerten und im besten Fall am Markt verkaufen können. Tomaten, Gurken, Petersilie, Zwiebel und Erbsen werden nun angebaut. Projektpartnerin Mayra Orellana bietet Kochkurse an. Mit Hilfe von Mikrokrediten in der Höhe von rund 250 Euro können Saatgut und Werkzeug gekauft werden. Für Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger ist die Förderung von Frauengruppen, die Kleinlandwirtschaft betreiben, ein großes Anliegen. Dank der „Sei So Frei“-Projekte können Frauen ihre Familien versorgen und ein Zusatzeinkommen erwirtschaften: „Die Emanzipation von Frauen ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu nachhaltiger Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit.“ Im Zuge der Projektreise bietet sie Unterstützung in Form von Wissens- und Schüleraustausch an.
Bildung als mächtige Waffe
Besonders interessierten und begabten Kindern ermöglicht „Sei So Frei“ nach Abschluss einer „Sei So Frei“-Volksschule ein Stipendium für den Besuch der Mittelschule und einer Berufsspezialisierung. Einer der Stipendiaten ist Rolando Castro, der heute als gelernter Mechaniker mit einer eigenen Werkstätte sein Geld verdient. Er findet unter Tränen kaum Worte für die Chance, die ihm „Sei So Frei“ gegeben hat. Sein Ziel ist, seinen drei Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Ein weiterer Stipendiat, Pedro, leitet eine von Oberösterreich finanzierte Schule. Aktuell werden vier Jugendliche gefördert, darunter Dominga. Sie absolviert eine Ausbildung mit dem Schwerpunkt Mechatronik, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Oberösterreich hilft
„Oberösterreich steht zu seiner humanitären Verantwortung. Hauptziel ist, die Hilfe zur Selbsthilfe, die Bekämpfung von Armut und Hunger sowie das Verhindern großer Migrationsbewegungen. Die Arbeit von Sei So Frei in Guatemala zeigt, dass nachhaltiger Wandel in Entwicklungsländern nur erreicht werden kann, wenn die Menschen vor Ort aktiv in den Entwicklungsprozess einbezogen werden und ihre Stimmen auch gehört werden.“, bekräftigt Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP).
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