"Stehen am Pannenstreifen, mit eingeschalteter Warnblinkanlage": Reparaturanleitung für Industrie-Standort Oberösterreich
OÖ/LINZ. „Der Standort Österreich verliert massiv an Wettbewerbsfähigkeit, das Industrieland Oberösterreich ist davon am stärksten betroffen“, warnt die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). Um gegenzusteuern, legt die IV OÖ eine Zehn-Punkte-Reparaturanleitung mit Forderungen vor. „Kosten und Bürokratie müssen reduziert, Stärken wie berufliche Qualifikation sowie Forschung und Entwicklung weiter gestärkt werden. Vor allem muss Leistung gefördert werden“, so Präsident Stefan Pierer.
Das Wahljahr 2024 mit US- und EU-Wahl sowie der Nationalratswahl sei für die Industrie entscheidend. Die kommende Österreich-Wahl sei dabei noch „die harmloseste“, meint KTM-Chef Stefan Pierer. „Die EU mit ihrem Motto 'Regulierung soviel geht' führt zum Stillstand. Den größten Einfluss werden die US-Wahlen haben, für Oberösterreich als Exportland.“ Aber auch angesichts der Nationalratswahlen könne sich Österreich „ein Jahr des politischen Stillstands nicht leisten.“
Inflation und Kosten als Hauptgründe für sinkende Wettbewerbsfähigkeit
„Unser Standort steht am Pannenstreifen, mit eingeschalteter Warnblinkanlage.“ Deutschland und Österreich seien die Abstiegskandidaten im internationalen Standortwettbewerb. Hauptgründe, warum der Industriestandort Österreich an Wettbewerbsfähigkeit verliere, seien die hohe Inflation und die überdurchschnittliche Steigerung der Kosten vor allem bei Energie und Personal, erläutert IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch. Eine Inflation deutlich über dem EU-Schnitt sei für ein Exportland „Gift, Gift, Gift.“, weil die Kosten hierzulande stärker als in anderen Ländern steigen. „Die Schere geht auseinander“, bezieht er sich auf die Lohnstückkosten (Arbeitskosten je produzierter Einheit).
Österreich habe zudem eine der höchsten Steuern- und Abgabenquoten in Europa (42,9 Prozent). Beim Arbeitnehmer komme zu wenig an, die Kosten für die Betriebe seien aber enorm hoch. „Bekommen Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt von 3.000 Euro um 100 Euro mehr netto, kostet das den Betrieb in Summe 215 Euro. 115 Euro beansprucht der Staat“, rechnet Haindl-Grutsch vor.
Generell liefere das Steuer- und Abgabensystem in Österreich Anreize zum Nicht- oder Wenig-Arbeiten anstelle Mehr-Leistung zu fördern. Bei Thema „Leistung muss sich lohnen“ habe es erst Minischritte gegeben.
Zudem habe Österreich im Vergleich zu Ländern mit ähnlich hoher Abgabenquote wie Schweden oder Dänemark nur eine halb so hohe Schuldenbelastung. Es fehle an Reformen.
„Verlust an Wettbewerbsfähigkeit hat Konsequenzen“
Drei unmittelbare Konsequenzen sieht IV OÖ-Präsident Pierer angesichts schwindender Wettbewerbsfähigkeit: Leitbetriebe würden ins Ausland verlagern, nicht zuletzt, weil viele Länder auch in Amerika und Asien Ansiedelungen fördern. Die Klein- und Mittelbetriebe hingegen können nicht auf andere Standorte ausweichen und kommen besonders unter Druck, „bis hin zur Insolvenz“, so Pierer. Weiter beschleunigen werde sich die Digitalisierung und Automatisierung zur Kostensenkung.
Reparaturpaket für den Standort mit zehn Punkten
Damit es nicht zum dauerhaften Abfluss industrieller Wertschöpfung komme, brauche es endlich professionelle Standortpolitik, sind Pierer und Haindl-Grutsch überzeugt. „Der jetzige Wohlstand ist durch Leistung entstanden, nicht durch Minderleistung“, so Pierer. „Wenn wir diesen halten wollen, heißt es, die Ärmel hochzukrempeln.“
Zu den Forderungen zählen
- Anreize zum (Mehr-)Arbeiten, mit einem Steuerfreibetrag für Vollzeitarbeit bzw. die Erhöhung der Stunden bei Teilzeitbeschäftigung.
- ein Stufenplan zur Senkung der Steuern- und Abgabenquote von derzeit rd. 43 auf unter 40 Prozent.
- eine massive Senkung der Lohnnebenkosten unter den EU-Durchschnitt
- „Haushaltsdisziplin“ und nachhaltige Finanzpolitik mit einer Schuldenbremse
- ein Entbürokratisierungs- und Digitalisierungspaket im öffentliche Sektor für einen „schlanken Staat“, darunter die praxistaugliche Umsetzung des Lieferkettengesetzes und schnellere Genehmigungsverfahren
- Programm für den qualifizierten Zuzug von Fachkräften mit weiterer Verbesserung der Rot-Weiß-Rot-Karte und Ausbildungspartnerschaften mit Drittländern
- die Duale Ausbildung als Stärkefeld der heimischen Bildungspolitik ausbauen, MINT-Graduierungen um 20 Prozent steigern
- Budgets für technologieoffene direkte und indirekte Forschungsförderungen ausbauen
- Maßnahmen zur Sicherstellung wettbewerbsfähiger Energiepreise zur Energieversorgung und einen beschleunigten Energie-Infrastrukturumbau
Pierers Hoffnung: Dass die schwierige Situation ein Umdenken auf politischer Ebene bringe, auch aufgrund der „tiefen Unzufriedenheit“ in der Bevölkerung. Die Herausforderung: „In die Köpfe zu bringen, dass Leistung nötig ist, um die Probleme zu lösen.“
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