100. Geburtstag am 25.5.2025: Ein Leben, das Geschichte atmet
SCHWERTBERG. Das 100. Lebensjahr zu erlangen, ist heutzutage keine absolute Seltenheit mehr. Doch die körperliche und geistige Frische, mit der die Schwertbergerin Christine Spanner am magischen Datum 25.5.2025 ihren runden Geburtstag feiern kann, ist bemerkenswert.

Wer sich aufmacht, eine Frau kurz vor ihrem hundertsten Geburtstag zu besuchen, malt sich unweigerlich ein Bild der Zerbrechlichkeit aus. Doch nichts davon trifft auf Christine Spanner zu. In neugieriger Erwartung des Gastes öffnet sie die Tür des Dreigenerationenhauses, in dem sie mit Sohn Franz, Schwiegertochter Elfi und den Enkelkindern lebt. Ein freundliches, herzerwärmendes Lächeln wischt die Jahre, von denen man meint, es könnten 80 oder höchstens 85 sein, mühelos weg.
Gemeinsam leben im Mehrgenerationenhaus
„Ich kann es selbst kaum fassen, dass ich bald 100 werde“, sagt Christine Spanner. „Wo ist nur die Zeit geblieben?“ Oft wird sie nach ihrem Geheimnis gefragt. Ihre Antwort: eine Mischung aus vielem. Wichtig sei vor allem das Leben im Mehrgenerationenhaus. „Am Leben der Jungen teilzuhaben, hält mich fit“, erzählt sie. Sogar den Umgang mit dem Computer wollte ihr Enkelin Arpana noch zeigen, doch Frau Spanner winkte ab. Nicht, weil sie es sich selbst nicht zutraute, sondern schlicht aus Zeitmangel. „Die Tage sind kurz und wollen gut eingeteilt werden. Vor so einem Computer verrinnt ja die Zeit wie im Flug und dafür ist sie mir zu kostbar“, so die agile Schwertbergerin, deren Leben noch immer von Aufgaben und Projekten erfüllt ist.
Dirndlkleid für Enkelin noch selbst genäht
Eines dieser Projekte, gerade erst abgeschlossen, war ein Dirndlkleid für ihre Enkelin Arpana – ein Geschenk zum runden Geburtstag, gefertigt von ihren begnadeten Händen. „Ich hab’s noch rechtzeitig geschafft und bin schon ein bisschen stolz darauf“, gesteht sie mit einem leisen Lächeln.
Aufschreiben von Erinnerungen hält sie geistig wach
Und dann ist da noch das Herzensprojekt, die Aufzeichnungen ihrer Erinnerungen. „Auch das hält mich im Geiste wach“, ist sie überzeugt. Wie zu einem Film fügen sich die Szenen der Vergangenheit vor ihrem geistigen Auge zusammen, wenn sie zurückblickt. Schönes, aber auch Schreckliches taucht auf. Eine glückliche Fügung war das Kennenlernen ihres Mannes Franz. Er war Soldat auf Kreta. Schwertberger Mädchen wurden gebeten, den Soldaten Briefe zur Aufmunterung zu schreiben. Franz Spanner, gebürtig aus dem Salzkammergut, erhielt zufällig ihre Zeilen. Er verliebte sich in die Worte der jungen Schwertbergerin. Es folgte ein Kennenlernen bei einem Heimaturlaub, aus Schwärmerei wurde Liebe. Doch bis zu seiner Rückkehr im Jahr 1946 folgten Jahre des bangen Wartens und der Angst um ihn. Lange gab es kein Lebenszeichen.
Vater Ludwig Wahl
In Schwertberg ereigneten sich unterdessen furchtbare Dinge. Der Nazi-Terror war allgegenwärtig. „Immer hatten wir Sorge um das Leben unseres Vaters Ludwig Wahl, der ein bekennender Sozialdemokrat war.“ Dann die entsetzliche Mühlviertel Hasenjagd. So viele Tote. Lähmende Angst. Jeder, der hilft, wird erschossen, hieß es.
Todesangst brannte sich ins Gedächtnis ein
Gegen Kriegsende sausten Tiefflieger der Alliierten durch den Ort. „Diese Todesangst brennt sich ins Gedächtnis ein“, erinnert sich Christine Spanner.
Aufatmen konnte man nach Kriegsende nicht. Nun mussten sich die Frauen und Mädchen wochenlang im Heu vor den gewalttätigen Russen verstecken.
„Frage mich, wie ich das alles geschafft habe“
Nach dem Krieg die kargen Jahre des Aufbaus einer beruflichen Existenz. Ehemann Franz gründete einen Malerei- und Anstreicherbetrieb. Christine war das unermüdliche Rückgrat im Innendienst, jonglierte mit Rechnungen, Buchhaltung, Kindern und Haushalt. „Manchmal frage ich mich, wie ich das alles geschafft habe“, sinniert sie. „Bis spät in die Nacht saß ich vor den Zahlen. Lange hab ich auch den Jahresabschluss selbst gemacht, bis wir uns dann irgendwann einmal einen Steuerberater leisten konnten.“
Immer auf Rat des Hausarztes gehört
Obwohl sich auch gesundheitliche Probleme einstellten, war Jammern nie ihre Sache. „Man muss auf das schauen, was gut geht.“ Und auf den Arzt hören. Seit Jahrzehnten vertraut sie ihrem Hausarzt Dr. Biermair. „Er riet mir zum Herzschrittmacher. Ohne diesen Eingriff hätte ich meinen 100. Geburtstag wohl nicht feiern können“, sagt sie und meint weiter: „Das wäre doch schade, denn darauf freue ich mich sehr.“
Und so wird am 25. Mai ein besonderer Moment erwartet, wenn Christine Spanner die 100 Kerzen ihrer Torte auspusten wird. Nicht nur ein Geburtstag wird gefeiert, sondern ein Jahrhundert. Ein Jahrhundert stillen Schaffens, unerschütterlicher Kraft und bescheidener Lebensweisheit, die tiefer wirkt als alle lauten Worte.
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