Juliane Leibetseder gibt dem Tod als Bestatterin einen Platz im Leben
ST. GEORGEN/GUSEN. Der Tod ist unausweichlich – jeder muss sterben. Aber darüber spricht man nicht, oder? „Doch sollte man auf alle Fälle“, findet Juliane Leibetseder. Als Bestatterin hat sich die 50-Jährige den Tod sozusagen als täglichen Begleiter ausgesucht.
Seit 1917 gibt es die Bestattung ruhesanft in St. Georgen an der Gusen. Juliane Leibetseder hat das Unternehmen vor zehn Jahren von ihrem Vater übernommen. „Davor habe ich zwei Jahre lang überlegt, ob ich das wirklich machen soll, weil ich mir nicht sicher war, ob ich mit der psychischen Belastung in diesem Beruf umgehen kann“, erzählt Juliane Leibetseder. Die Anfänge seien schwierig gewesen: „Zum ersten Mal einen toten Menschen habe ich im Jahr 2012 gesehen – das werde ich nie vergessen – mein ganzer Körper hat gezittert.“ Mit der Zeit wuchs die St. Georgenerin in die Tätigkeit des Bestatters hinein. Sie spricht ohne Hemmungen, offen und selbstsicher über den Tod, anders als die meisten Menschen.
„Wenn früher jemand verstarb, hat man den Leichnam noch zwei Tage lang zu Hause aufgebahrt. Zum Waschen kamen die Nachbarn, der Bestatter war damals eigentlich nur für den Transport der Leiche zuständig“, erklärt Leibetseder. „Zwischen 1950 und 1960 hat sich das dann geändert: Die Leichenwagen wurden motorisiert und auch die ersten Aufbahrungshallen errichtet, so begann man die Leichen immer früher abzuholen. Sie verschwanden nun kurz nach dem Todeszeitpunkt und so wurde das Thema Sterben immer mehr zum Tabu in der Gesellschaft.“
Den Vorhang fallen lassen
Juliane Leibetseder will Aufklärungsarbeit leisten. Die Schule der Sozialbetreuungsberufe Gallneukirchen kommt regelmäßig für Exkursionen zu ihr nach St. Georgen an der Gusen. Außerdem besucht die 50-Jährige Mittelschulklassen, um den Tod aus der Tabuzone zu holen. „Mir ist es wichtig, Kindern einen Raum zu geben, wo sie Fragen stellen können, ohne dass jemand entsetzt darüber ist. Sie haben oft sehr viele Fragen und wissen nicht, wem sie diese stellen sollen.“ Am Anfang brauche es oft etwas Zeit, bis das Eis bricht und die Schüler sich auf das Thema einlassen. Doch sobald die ersten Kinder ihre Fragen stellen, entfache sich schnell eine lebhafte Diskussion. „Die Barrieren sind bei Erwachsenen viel größer als bei Kindern“, so Leibetseder.
Angehörige an die Hand nehmen
Was der Bestatterin besonders am Herzen liegt, ist die Betreuung der Angehörigen: „Ich möchte ihnen in ihrer Trauer so viel Last wie möglich abnehmen“, betont Leibetseder. „Wenn ein nahestehender Mensch stirbt, fällt man als Hinterbliebener in ein tiefes Loch. Man fühlt sich, als würde man in einem Vakuum sitzen, der Kopf ist wie mit Watte ausgefüllt. Meine Aufgabe ist es, die Angehörigen in dieser schweren Zeit an die Hand zu nehmen. Die Phase, in der ich sie begleite – vom Todesfall bis zur Beerdigung – ist zwar kurz, aber sehr intensiv.
„Eine Hochzeit kann man wiederholen, eine Beerdigung nicht“
In den Trauergesprächen sammeln die Angehörigen gemeinsam mit Juliane Leibetesder Erinnerungen an den Verstorbenen: „Dabei entstehen viele sehr schöne Momente und manchmal wird sogar ausgiebig gemeinsam gelacht.“ Gerade in Familien, in denen der Tod tabuisiert wird, stehen die Angehörigen im Ernstfall oft hilflos da, sie haben keine Vorstellung davon, wie die Abschiednahme gestaltet werden soll, und kennen die Wünsche des Verstorbenen nicht. Deshalb appelliert die St. Georgenerin: „Setzt euch gemeinsam hin und besprecht: 'Was will ich für meinen Tod'. Schreib alles auf einem Zettel genau auf, legt ihn in einen Umschlag und bewahrt diesen auf – dann müsst ihr nicht mehr daran denken, bis der Moment gekommen ist. Es ist wichtig, seine Wünsche festzuhalten. Eine Hochzeit kann man wiederholen, wenn sie beim ersten Mal nicht gut läuft, eine Beerdigung aber nicht.“
Schräger Humor als Stütze im Alltag
Ein hilfreiches Werkzeug, um dem psychischen Druck im Berufsalltag standzuhalten, sei Juliane Leibetseders „schräger Humor“: „Er ist nicht makaber, aber in etwa so wie der typisch englische schwarze Humor. Wir Bestatter haben den alle, wir brauchen ihn zum Ausgleich.“ Außerdem immer an der Seite der St. Georgenerin: ihre vier Hunde, allen voran Vierbeiner Billy. Er darf auch oft zu Trauergesprächen mitkommen. „Er spendet den Angehörigen Trost, oft hilft es ihnen, wenn sie ihn streicheln können.“
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