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„Solange der Großteil der Frauen weniger verdient, sind wir weit weg von der Gleichberechtigung“

Michaela Primessnig, 08.03.2023 06:59

BEZIRK PERG/KATSDORF. Zum Weltfrauentag hat Tips eine junge Politikerin und Feministin aus der Region zum Interview gebeten. Die 27-jährige Sozialpädagogin Lena Wagner ist erst im Jänner in den SPÖ-Bezirksparteivorstand eingetreten, bereits seit 2017 ist die Katsdorferin in der Sozialistischen Jugend aktiv. Im Tips-Gespräch verrät sie, warum ihr in der Frauenpolitik viel zu wenig weitergeht.

Lena Wagner aus Katsdorf (Foto: Wagner)
Lena Wagner aus Katsdorf (Foto: Wagner)

Tips: Warum ist es für dich wichtig, eine Feministin zu sein und das auch zu zeigen?

Wagner: Solange Frauen nicht gleichwertig behandelt werden, braucht es Feministinnen und Feministen. Und ja, es braucht hier jeden Menschen jeden Geschlechts, denn Feminismus ist eine internationale und geschlechtsunabhängige Bewegung. Feminismus ist ein Werkzeug, um eine Gesellschaft zu verändern, die auf Ungleichbehandlung beruht. Wenn ich damit aktiv nach außen gehe, kann ich Menschen dazu ermutigen, ebenfalls für eine Welt einzustehen, in der alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Sexualität die gleichen Chancen haben.

Tips: Der Internationale Frauentag am 8. März wird jedes Jahr genutzt, um einmal mehr auf die Rechte der Frauen aufmerksam zu machen und echte Gleichstellung zu fordern. Wo stehen wir da 2023 deiner Meinung nach?

Wagner: Momentan scheint es aus meiner Sicht viele Bemühungen zu geben, Gesellschaft und Bewegungen zu spalten. Feminismus wird liberalisiert und Frauen in Spitzenpositionen werden als Indikatoren verwendet, um zu zeigen, dass die Gleichberechtigung bereits umgesetzt ist. Solange der Großteil der Frauen immer noch weniger verdient und es migrantische Frauen gibt, die immer noch marginalisiert werden, sind wir von echter Gleichberechtigung noch weit entfernt.

Tips: Was sind deiner Meinung nach die größten Brocken, die wir aus dem Weg räumen müssen?

Wagner: Einer der größten Brocken ist der Gender Pay Gap – 18,8 Prozent verdienen Männer im Durchschnitt mehr als Frauen in Österreich, was echt erschreckend, unverständlich und absolut unfair ist.

Feminismus strebt auch an, den tief verwurzelten Sexismus aus dem Weg zu räumen. Das kann aber nur dann funktionieren, wenn wir von unserer Gesellschaft nicht mehr abgewertet werden. Seien es die klassischen „Blondinen-Witze“, die verstaubten Rollenbilder, in denen von Frauen Ende 20 erwartet wird, eine klassische Kernfamilie zu gründen und für Haushalt und Kinderbetreuung verantwortlich zu sein, oder aber auch die ständigen Erwartungen an Frauen, wie wir auszusehen, zu reden und uns zu verhalten haben. Und dann gibt’s da noch die geschlechtergerechte Sprache, gegen die sich noch vehement gewehrt wird. Sprache schafft Realität. Eine Realität, die wir aus meiner Sicht für eine chancengleiche und gleichberechtigte Zukunft für Frauen brauchen.

Tips: Das größte Thema für Frauen ist nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade jetzt wird immer mehr gefordert, dass Frauen vermehrt in die Vollzeit zurückkehren sollen. Wie siehst du die Situation?

Wagner: Ich wünsche mir für Frauen eine Welt, in der ihnen strukturell sowie gesellschaftlich sämtliche Steine aus dem Weg geräumt werden, um ihr Leben so gestalten zu können, wie sie es möchten. Hier würde eine Entkoppelung von Care-Arbeit und unbezahlter Hausarbeit und dem weiblichen Geschlecht helfen, da es dann plötzlich nicht mehr nur ein Problem der Frauen ist, alles unter einen Hut zu bringen und man merkt, dass das Problem an der Fragestellung liegt, denn es ist kein Frauenproblem, sondern ein Problem von uns allen. Dann braucht es natürlich noch flächendeckende Kinderbetreuung und die Infrastruktur und Mobilität, um Familie und Vollzeitarbeit überhaupt logistisch zu ermöglichen, besonders für die abgelegenen Gemeinden.

Tips:Frauenpolitische Forderungen sind nicht nur ein bundespolitisches Thema, sondern auch auf Landes- und kommunaler Ebene ein Thema. Wo kann man deiner Ansicht nach da ansetzen?

Wagner: Österreichweit muss der Gewaltschutz für Frauen dringend ausgebaut werden. Denn strukturelle Gewalt an Frauen hat verschiedene Facetten und fängt nicht erst bei Körperverletzung an, sondern viel früher. Für vernünftige Gewaltprävention braucht es finanzielle Mittel und vor allem Bildung, um zu gewährleisten, dass ein respektvoller Umgang zwischen den Geschlechtern früh erlernt wird. An dieser Stelle freut es mich umso mehr, dass viele engagierte Menschen in den vergangenen Jahren unerbittlich für ein Frauenhaus im Unteren Mühlviertel gekämpft haben, um auch den Frauen aus den Bezirken Perg und Freistadt eine sichere und vor allem erreichbare Unterkunft bieten zu können.

Tips:Gerade für politische Funktionen ist es nicht immer leicht, junge Frauen begeistern zu können. Was sagst du jenen Frauen, die zweifeln, solch eine Aufgabe zu übernehmen?

Wagner: Wichtig ist es, sich darüber bewusst zu werden, dass wir Frauen oft mehr Selbstzweifel in uns tragen als Männer, denn das haben wir den patriarchalen Strukturen zu verdanken, in denen wir aufgewachsen sind. Der nächste Schritt ist es, sich den Platz zu verschaffen, den man braucht und für eine Welt zu sorgen, in der Frauen in Zukunft nicht mehr daran zweifeln müssen, ob sie in der männerdominierten Politik Einfluss nehmen können oder nicht.


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