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Wenn ein Kopfsteinpflaster zum Hindernisparcours wird

Sabrina Lang, 28.11.2017 18:04

PEUERBACH. Wie ist es mit der Barrierefreiheit in der Stadt Peuerbach bestellt? Anlässlich des Tages der Behinderung am 3. Dezember hat Tips gemeinsam mit August Anezeder, dem Bezirksobmann des Zivil-Invalidenverbandes, und Gerald Hohensinn in der Hausruckgemeinde die Barrierefreiheit getestet und dabei so manche Überraschung erlebt.

Gerald Hohensinn aus Kallham testete in 
Peuerbach die Barrierefreiheit.  Fotos: LangS
  1 / 6   Gerald Hohensinn aus Kallham testete in Peuerbach die Barrierefreiheit. Fotos: LangS

Ein Kopfsteinpflaster, kleine Stufen beim Gehsteig oder eine etwas zu steile Auffahrt - für Gerald Hohensinn können bereits Kleinigkeiten zu einem unüberwindbarem Hindernis werden. Ist er unterwegs, muss er immer einen Schritt weiter denken als Menschen mit zwei gesunden Beinen.

Hilfe vorm Gemeindeamt

Das Gemeindeamt von Peuerbach und Bruck-Waasen wird gerade saniert. Bauarbeiter tummeln sich im Gebäude. Zum Glück. Hätte Gerald Hohensinn ein Amtsgeschäfts zu erledigen gehabt, wäre er ohne fremde Hilfe nicht ins Gebäude gelangt. Die Tür, die über eine Rampe zu erreichen ist, war zugemauert. Auf dem Gemeindeamt versicherte man, dass im Zuge der Umbauarbeiten auch auf die Barrierefreiheit geachtet wird. Der Vorplatz soll angehoben, die Stufen ins Gebäude entfernt werden. Eines der größten Hindernisse in der Stadt Peuerbach ist das Kopfsteinpflaster, das sich beinahe durch den gesamten Ort zieht. „Das Pflaster ist immer ein Problem, denn es ist holprig und im Winter immer eisig. Mit kleinen Rädern beim Rollstuhl ist es sehr gefährlich, man könnte hängen bleiben und stürzen“, erklärt Hohensinn. Laut Bürgermeister Wolfgang Oberlehner will man dieses, wo es möglich ist, anders gestalten.

Steiler Anstieg zur Post

Herausfordernd war für Hohensinn auch der Weg zur Post. Die Kombination aus einer kleinen Stufe, einem Kopfsteinpflaster und einem zu steilen Anstieg machte es für den 44-Jährigen schwierig. Für weniger Trainierte oder Menschen mit Querschnittlähmung sei es fast unmöglich den Aufstieg zu schaffen, meint Hohensinn. Mit einem kurzen Kraftakt kommt der Rollstuhlfahrer oben an. Hier sei man von Seiten der Stadt machtlos, da hier der Denkmalschutz im Wege stehe. Die Tür zu Post geht automatisch auf – vorbildlich – ins Gebäude zu gelangen ist kein Problem. Beim Frankierautomaten kann Hohensinn allerdings das Gerät für die Kartenzahlung nicht bewegen, um auf das Display zu sehen, dafür ist er in seinem Rollstuhl zu klein.

Hindernisse bei Kirche

Um zur Kirche zu gelangen, müssen Rollstuhlfahrer einen kleinen Hindernisparcour auf sich nehmen. Wenn der abfallende Ortsplatz mit Kopfsteinpflaster überwunden ist, wird man beim Kirchenplatz vor die nächste Herausforderung gestellt. Die Gehsteige rund um die Kirche sind zu hoch, auch für gut trainierter Rollstuhlfahrer. Von der Vorderseite konnte Hohensinn nicht in die Kirche gelangen. Dies war nur von der gegenüberliegenden Seite, mit erheblichem Umweg, möglich, allerdings fehlt dort ein Behindertenparkplatz. Dieser befindet sich auf der Vorderseite. Wie Bürgermeister Wolfgang Oberlehner versichert, wird der Kirchenplatz im Zuge der Ortsplatzgestaltung neu gemacht. Hilfe in Sachen Barrierefreiheit holt man sich dabei in der Stadt von Gerald Lauber, selbst Rollstuhlfahrer. „Denn selber spüren wir ja die Hindernisse nicht“, meint Oberlehner. Bestens barrierefrei Vorbildlich barrierefrei zeigt sich die Polizeidienststelle. Kurz nach Betätigung der Glocke lässt einem ein Polizeibeamter in die Dienstelle – hier ist alles im Erdgeschoss und barrierefrei angelegt. Polizist August Eichinger erklärt, dass die Ordnungshüter in Peuerbach besonders darauf achten, dass Behindertenparkplätze nicht missbraucht werden. „Hier sind wir rigoros. Jeder, der unberechtigt auf einem solchen Parkplatz steht, wird angezeigt und bestraft“. Für Rollstuhlfahrer ist in Peuerbach außerdem kein Problem, das öffentliche WC beim Melodium, die Apotheke sowie das Gemeindeamt in Steegen zu besuchen. Weniger barrierefrei gestalten sich viele Gasthäuser und Geschäfte in der Stadt.

Eine Sekunde veränderte alles

Ein kurzer Augenblick änderte das Leben von Gerald Hohensinn schlagartig. Es war im Jahr 1996 als er mit seinem LKW in einen Unfall verwickelt wurde. Ein 35 Tonnen schwerer LKW krachte ungebremst in den Elftonner des Kallhamers. Eine Dreiviertelstunde kämpften die Rettungskräfte am Unfallort um das Leben des damals 23-Jährigen. Er überlebte. Nach ein paar Tagen der nächste Schock: Blutvergiftung. Sein linker Fuß musste amputiert werden. Seitdem sitzt der 44-Jährige im Rollstuhl und betrachtet den Alltag aus einer anderen Perspektive. Er ist deshalb aber nicht weniger aktiv: Vor ein paar Jahren gründete er den Rollstuhl-Basketballverein „Rolling Bones“.

Der OÖ-Zivilinvalidenverband, Bezirksgruppe Grieskirchen/Eferding lädt jeden 1. Dienstag im Monat zum Frühstück ins Gasthaus Stritzing ein. Interessierte können Fragen stellen oder Probleme schildern.


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