Zu Besuch bei der Farb- und Stilberaterin: „Die Kleidergröße ist egal“
NEUPÖLLA. „Hüfthosen adé - willkommen liebe High Waist Jeans!“ Nur eine Erkenntnis, die ich an diesem Freitagnachmittag mit nach Hause nehmen durfte. Ich war bei der Diplomierten Farb- und Stilberaterin Sonja Hofbauer zu Gast und da kam so einiges ans Tageslicht. Warum die Persönlichkeit viel wichtiger ist als die jeweilige Kleidergröße, ob Schwarz wirklich schlank macht und warum Frauen trotz prall gefülltem Kleiderschrank nichts zum Anziehen finden - Tips begibt sich auf die Spur.
Was zieht man wohl an, wenn man einen Termin bei einer Farb- und Stilberaterin hat? Ich muss zugeben, auch dieser Gedanke beschäftigte mich, allerdings nur kurz. Ich entschied mich für den sportlich-bequemen Stil, schließlich sollte man sich ja wohlfühlen - schnell eine rot-blaue Bluse samt blauer Stretch-Hose übergestreift und los geht“s.
Angekommen in Neupölla erwartete mich eine fröhliche, aufgeweckte Sonja Hofbauer. Sie kam vor zehn Jahren selbst in den Genuss einer Farb- und Stilberatung, seitdem ließ sie das Thema nicht mehr los. „Es war wie ein Wow-Effekt für mich. Denn ich war - was die Farben betrifft - komplett am falschen Weg“, erinnert sie sich lachend zurück. 2013 folgte schließlich die Ausbildung zur Diplomierten Farb- und Stilberaterin, seitdem freut sie sich stets darauf, die Vorzüge ihrer Kunden hervorzuheben.
Jeder hat schöne Seiten
Denn wirklich jeder hat schöne Seiten, ganz unabhängig von Konfektionsgröße, ist sie überzeugt und diese gilt es zu betonen. „Die Kleidergröße ist vollkommen egal, auf die Ausstrahlung kommt es an“, so Hofbauer, die die Auf und Abs aus eigener Erfahrung gut kennt. Von Konfektionsgröße 36 bis 46 hatte sie schon alles in ihrem Kasten.
Dem vielfach suggerierten Schönheitswahn kann die gelernte Friseurin nicht viel abgewinnen: „Wir sollten zu unserer Weiblichkeit stehen. Wir dürfen nicht alle auf den Wahn aufspringen, sondern sollten vielmehr Persönlichkeit zeigen“, begrüßt sie Individualität und den Wohlfühlfaktor.
Modesünden und No-Gos
Aber genauso gut weiß sie auch: das was man nach außen trägt, ist die persönliche Visitenkarte. „Für den ersten Eindruck gibt es leider keine zweite Chance, das ist natürlich ganz schön fies.“ Und hier kann Sonja Hofbauer Abhilfe verschaffen.
Die Frage nach etwaigen Modesünden liegt da natürlich nahe. Das schönste Kleidungsstück nützt nichts ohne guter Frisur und passender Unterwäsche. „Ein Beispiel für ein No-Go ist ein weißer Hosenanzug mit einem schwarzen Slip, außerdem sollte ein Rock nie kürzer sein, als er breit ist und bei einer eng sitzenden Hose ist zu einem nahtlosen Unterteil zu raten“, schmunzelt die 42-Jährige.
Einen hautfarbenen BH sollte idealerweise jede Frau zuhause haben, dieser eignet sich unter weißen, nahezu durchsichtigen Blusen tausendmal besser als sein weißer Kollege. „Außer man möchte einen aufreizenden Blickfang setzen“, lacht sie. Mit einem Mythos möchte sie zugleich aufräumen: „Ein guter Stil ist keine Preis- oder gar Markenfrage, im Gegenteil.“
Nicht nur Frauensache
Wer jetzt denkt, Farb- und Stilberatung sei nur etwas für Frauen, der liegt falsch: „Nein auch so einige Männer sind schon bei mir gesessen. Sie sind zwar anfangs oft skeptisch, aber hinterher dafür umso euphorischer“, spricht Hofbauer aus Erfahrung. Vielleicht ist es die Partnersuche, ein Vorstellungsgespräch oder einfach ein neuer Lebensabschnitt - die Motive, warum Mann als auch Frau eine Farb- und Stilberatung in Anspruch nehmen, die sind ganz unterschiedlich.
Mythos: Schwarz und schlank
Und das Schwarz tatsächlich schlank macht, das würde sie nicht sofort bejahen. „Was stimmt, Dunkel tritt zurück, hell tritt hervor, also am besten die Vorzüge mit helleren Farben betonen und all das was man kaschieren möchte, mit dunkleren Farben in den Hintergrund rücken.“
Hat man also schlanke, schöne Beine, können diese mit einem kleinen Schwarzen und einer hellen Strumpfhose in Szene gesetzt werden, bei stärkeren Beinen ist der Griff zu einer dunkleren Strumpfhose ratsam. Dennoch sollte man Highlights mit einem hellen Tuch oder tollem Schmuck setzen, rät die Expertin dazu, sich nicht von oben bis unten in Schwarz zu hüllen.
„Dort wo ich meine Blicke haben möchte, setze ich Akzente.“ Schwarz auf Dauer getragen, kann einen auch erdrücken, weiß Hofbauer. So war es früher bei Trauer üblich, ein Jahr lang Schwarz zu tragen, aber „das unterstützt die ohnehin vorhandene Traurigkeit noch mehr und kann pfeilgerade in einer Depression münden.“
Denn Fakt ist: Farbe wirkt immer, ob man will oder nicht. Und so kommt Sonja Hofbauer gerne für einen persönlichen Kleiderkasten-Check nach Hause, begleitet ihre Kunden beim Einkauf oder verpasst ihnen eine ausführliche Farb- und Stilanalyse. Und in den Genuss einer ebensolchen Beratung kam auch ich.
Vor dem Spiegel
Neben zehn verschiedenen Farbtypen warten vier verschiedene Stiltypen und acht unterschiedliche Figurtypen auf mich. Aufgezeichnet auf Analysekarten gilt es, sich selbst wiederzufinden.
Ja gut, Unterschenkel, Oberweite, Hände finde ich ganz in Ordnung, weniger den Bauch. Meinen favorisierten Stil würde ich auf Anhieb als sportlich und leger beschreiben, eher klassisch und mit wenig Hang zum Extravaganten. Auch der letzten Stilrichtung, dem „Weiblichen“, also verspielten, floralen Details, würde ich auf den ersten Blick kein so großes Gewicht verleihen – doch nach eingehender Analyse war diese präsenter als ich dachte.
Vor dem Spiegel wurde dann den Körperproportionen mit einem Köperband auf den Grund gegangen. Die Taille ist gut erkennbar, der Körper gut proportioniert“ - spricht Hofbauer vom „abgerundeten Figurtyp“. Meine Schultern sind ein wenig breiter als meine Hüften, daher sollte ich diese nicht noch zusätzlich betonen.
Langer Oberkörper - kürzere Beine
Bei 90 Prozent der Menschen sind die Beine übrigens kürzer als der Oberkörper. „Das ist nicht zuletzt eine evolutionsbedingte Tatsache, weil wir nicht mehr so viel davonlaufen müssen“, weiß Hofbauer. Dies wird mittels der sogenannten Halbteilung festgestellt.
Bei mir ist der Oberkörper sogar um ganze zehn Zentimeter länger. Der langen Taille kann man mit höher angesetzten Hosen, oder Röcken sowie breiteren Gürteln entgegenwirken. Die Passform meiner Bluse ist „mittelprächtig“, das besagt die eine oder andere Falte am Rücken.
Neben der Körpergröße ist der Umfang des Handgelenks für die Farb- und Stilberaterin eine wichtige Komponente. Letzterer verrät ihr den Maßstab, der für die Größe von Schmuck und Accessoires entscheidend ist. Zur Stilberatung gesellen sich weiters noch Gesichtsform, Ärmelvariante, Kragen, Ausschnitt oder Schnittlinie, um nur einige der vielschichtigen Dinge zu nennen.
Mein Kobaltblau fällt durch
Nun zu den Farben: Rund ein Drittel meines Kastens besteht aus Kleidung mit leuchtendem Kobaltblau - eine tolle Farbe, dachte ich mir bislang. An diesem Tag wurde ich eines Besseren belehrt. „Ich würde dich vielmehr in der Familie der warmen Farben sehen - das verrät mir deine gebräunte Haut, deine braune Augenfarbe samt milchigem Augenweiß“, meint die Expertin. Das leuchtende Blau würde zwar ansatzweise mit meiner Persönlichkeit, nicht aber mit meiner Haut harmonieren. „Hier sieht man zuerst die Farbe und dann dich, und das ist schade.“
Vielmehr sollte alles zusammen ein harmonisches Farbbild abgeben. Ein sonniges Gelb, ein warmes Rot oder schöne Orange- oder Brauntöne würden meinen Typ mehr unterstreichen. Dankbar für die Tipps, werde ich beim nächsten Einkauf an unsere Beratung zurückdenken und gerne auch mal farbiges Neuland betreten.
Phänomen: prall gefüllter Kleiderschrank - nichts zum Anziehen
Apropos: Pro neugekauftem Kleidungsstück sollte man eigentlich ein anderes aus dem Kasten weggeben. „All das, was man schon länger nicht mehr angehabt hat am besten mit einem roten Pickerl versehen, ist es nach einem Jahr noch immer oben, dann sollte man es weggeben“, rät Hofbauer weiters zur Übersicht und zur Trennung von Berufs- , Freizeit- und Anlasskleidung. Damit wirkt man dem Phänomen „prall gefüllter Kleiderschrank und nichts zum Anziehen“ schon entgegen, lacht sie.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden