Mutter (55) aus dem Mühlviertel starb, weil kein Intensivbett frei war
ROHRBACH-BERG/ OÖ. (Update) Weil in keinem passenden Spital ein freies Intensivbett verfügbar war, ist eine 55-jährige Mutter aus dem Mühlviertel im Klinikum Rohrbach verstorben. Das berichtete die „Kronen Zeitung“ in ihrer Sonntagsausgabe. Mehrere Krankenhäuser sollen die Patientin trotz akuter Lebensgefahr abgewiesen haben.
Vor rund zwei Wochen wurde die zweifache Mutter abends mit starken Brustschmerzen in das Klinikum Rohrbach eingeliefert. Dort stellten die Ärzte einen Einriss der Hauptschlagader fest – eine lebensbedrohliche Situation, in der jede Minute zählt. Die Frau hätte dringend eine Notoperation in einem auf Herzchirurgie spezialisierten Krankenhaus benötigt.
Mehrere Spitäler sagten ab
Wie die Kronen Zeitung berichtet, versuchten die Ärzte in Rohrbach sofort, ein freies Bett in einer geeigneten Klinik zu finden. Doch sowohl das Kepler Universitätsklinikum Linz, die Barmherzigen Brüder Linz, das Klinikum Wels als auch die Universitätskliniken in Salzburg und St. Pölten sowie das Klinikum Passau in Bayern sollen abgelehnt haben – alle verfügbaren Intensivkapazitäten seien ausgelastet gewesen.
Tod im Klinikum Rohrbach
Die betroffenen Krankenhäuser wären laut Bericht mit dem Rettungshubschrauber rasch erreichbar gewesen, Linz etwa in weniger als 15 Minuten. Die Ärzte im Klinikum Rohrbach kämpften um das Leben der Frau, verloren diesen Kampf allerdings nach rund zwei Stunden.
Update 26.10., 14.30 Uhr
Am Standort Rohrbach sei die herzchirurgische Notoperation des Aortenrisses nicht möglich gewesen, weil das Klinikum Rohrbach kein dafür spezialisiertes Haus sei. Das erklärte Christine Dörfel, Pressesprecherin der oberösterreichischen Gesundheitsholding, den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN).
Ausgelastete OP-Teams
Daher sei in mehreren Kliniken gefragt worden, wer die Patientin übernehmen könnte. Doch im Kepler Universitätsklinikum habe es keine Kapazitäten gegeben, weil das OP-Team zu diesem Zeitpunkt gerade mit einem anderen Eingriff beschäftigt gewesen sei, so Dörfel. Auch die Häuser in Wels-Grieskirchen, Salzburg und Passau hätten keine freien Ressourcen gehabt.
Hubschrauber hätte aus NÖ oder der Steiermark kommen müssen
Ein Hubschrauber für den Transport der Patientin hätte in diesem Fall – am Abend – aus Niederösterreich oder der Steiermark angefordert werden müssen und er hätte daher eine längere Anflugzeit gehabt. Die ÖAMTC-Flugrettung in Oberösterreich darf nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fliegen. Ein 24/7-Flugbetrieb ist in Umsetzung, Ende 2026 soll der Europa 3 aus Suben rund um die Uhr fliegen.
Update 26.10., 19.10 Uhr: Stellungnahme der Barmherzigen Brüder
Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz erklärte gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN), dass man nicht über eine Herzchirurgie verfüge, sondern über eine Gefäßchirurgie. Die Übernahme der Patientin wäre daher „verantwortungslos“ gewesen, wie es eine Sprecherin ausdrückte.
Stellungnahme aus Salzburg
Die Salzburger Landeskliniken wiesen die Vorwürfe scharf zurück. In einer Stellungnahme gegenüber dem ORF betonten die Landeskliniken, man habe die Übernahme der Patientin sogar ausdrücklich zugesagt. Die 55-Jährige sei aber schon in einem derart schlechten Zustand gewesen, dass sie nicht mehr nach Salzburg transportiert werden konnte.
„Während die Patientin auf den Transport vorbereitet wurde, bemühten sich die Ärzte in Rohrbach, diesen Zustand zu stabilisieren. Etwa 45 Minuten nach der angebotenen Übernahme wurde dem Uniklinikum mitgeteilt, dass die Patientin trotz intensivmedizinischer Maßnahmen verstorben sei“, wurde betont. Die Landeskliniken hielten ausdrücklich fest, umgehend Unterstützung angeboten zu haben.
Stimmen aus der Politik
Gesundheitslandesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP): „Als Gesundheitslandesrätin ist mir die Gesundheit der Menschen das Wichtigste – daher ist für mich der Auftrag klar: Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten in jeder Situation bestmöglich versorgt werden – ohne Wenn und Aber. Der Tod dieser Frau ist menschlich eine Tragödie und mein Mitgefühl gilt der Familie und den Angehörigen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass hier weder im Bundesland noch über Bundesländergrenzen hinweg eine rasche Hilfe möglich war. Dr. Harnoncourt und die Gesundheitsholding wurden von mir angewiesen, die Geschehnisse aufzuklären. Ich lege Wert darauf, dass eine umfassende Analyse zu den Abläufen gemacht wird. Alle beteiligten Organisationen haben die Verantwortung, aus diesem Fall zu lernen und zu überprüfen, wie Verbesserungen in der Versorgung von Patientinnen und Patienten erreicht werden können.“
Michael Raml (FPÖ), Linzer Gesundheitsstadtrat: “Dass in einem modernen Gesundheitssystem ein Mensch stirbt, weil kein Intensivbett mehr frei ist, darf einfach nicht passieren.“ Der Vorfall zeige, dass das oberösterreichische Spitalswesen an seine Grenzen gestoßen sei. „Unsere Ärzte und Pfleger leisten täglich Enormes, aber sie können nur helfen, wenn sie die nötigen Rahmenbedingungen haben“, so Raml. Er fordert eine Neuausrichtung des Gesundheitssystems.
Landtagspräsident und SPÖ-Gesundheitssprecher Peter Binder: „Es ist für mich kaum fassbar, dass so etwas in unserer Spitalslandschaft überhaupt möglich ist! Der Familie der Verstorbenen möchte ich mein tiefes Bedauern und aufrichtiges Beileid ausdrücken! Ich gehe davon aus, dass der Vorstands- oder Aufsichtsratsvorsitzende keine Aufforderung von mir brauchen, um dringend eine Sondersitzung des Aufsichtsrats anzuberaumen!“ Dort müssten laut Binder zuerst die Fakten auf den Tisch und die weiteren Schritte beraten werden. Bei dieser Gelegenheit könnten auch die bisherigen Informationsdefizite zur tatsächlichen Personalsituation im Kepler Uniklinikum ausgeglichen werden. „Bei mir mehren sich jedenfalls massive Hinweise, dass wir auf ein Total-Systemversagen zusteuern, wenn wir nicht rasch handeln“, so Binder abschließend.
Ralph Schallmeiner, Gesundheitssprecher der Grünen: “Wenn in Österreich Operationen wegen Personalmangels verschoben werden, Menschen in Not wegen fehlender Notärzte zu spät versorgt werden oder lebensrettende Eingriffe an freien Intensivbetten scheitern, dann sind das Notsignale eines überlasteten, zersplitterten Systems. Das sind keine Einzelfälle mehr, sondern Symptome eines Systems, das an allen Ecken brennt. Die Länder, aber auch das Gesundheitsministerium müssen endlich handeln. Vor allem müssen die Bundesländer aufhören, wichtige Reformen unseres Gesundheitswesens ständig zu blockieren oder zu verschieben.“
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