Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Vom Golfplatz zum Film: Sebastian Schreiner über eine unsichtbare Kunst

Alexandra Dick, 25.09.2017 11:32

SCHÄRDING. Über Umwege kam Sebastian Schreiner zum Film. Erst als es mit der Karriere als Profigolfer nicht klappen wollte, entdeckte der heute 33-Jährige sein Interesse daran, einzelne bewegte Bilder zu einer Geschichte zusammenzubauen. Mit Tips spricht der Schärdinger über seine Leidenschaft für eine unsichtbare Kunst.
 

Sebastian Schreiner studiert an der Filmakademie Wien und macht seinen Master im Schnitt. Foto: Peter Hengl

Tips: Vor wenigen Wochen wurde das internationale Inn Kurzfilmfestival in Braunau mit dem Film „Die Last der Erinnerung“, den Sie geschnitten haben, eröffnet. Wie stolz sind Sie, dass einem Film, an dem Sie mitgearbeitet haben, diese Ehre zuteil wurde und das quasi beim Heimspiel?

Sebastian Schreiner: Das war großartig, ich habe mich besonders gefreut, weil man Kurzfilme im ländlichen Bereich ansonsten nur selten zu sehen bekommt. Außerdem konnte ich meiner Familie den Film in einem Kino präsentieren, was eine völlig andere Wirkung hat, als ihn auf dem Computer oder Laptop zu schauen. Filme wirken auf der Kinoleinwand auch deshalb anders, weil man sich in größerer Gesellschaft befindet, gerade bei Komödien verbessert der Kinoraum mit dem Publikum nochmals die ganze Seherfahrung.

Tips: Könnten Sie kurz erzählen, wovon der Film handelt?

Schreiner: Herr Fitzthum, ein junger aufstrebender Musikwissenschaftler, wird zu dem nicht mehr ganz so jungen Musikwissenschaftler Herrn Szabo entsandt. Er soll in dessen Wohnung nach einem wertvollen Notenblatt forschen, das dieser vor Jahren für eine nie fertiggestellte Dissertation ausgeliehen hat. Szabo ist in seiner Kleinstwohnung jedoch psychisch zusammengebrochen und zwingt Fitzthum immer tiefer in seine dysfunktionalen Lebenssysteme hinein.

Tips: Was ist das Besondere an diesem Film?

Schreiner: Für mich war das Besondere, dass Albert Meisl, der Regisseur, selber mitspielt. Meine Position als erster Zuschauer war somit noch stärker gefordert, besonders bei der Take­auswahl. Viele Szenen konnte er am Set gar nicht sehen. Da wir diesen Film sehr schnell fertigstellen mussten, wurde sehr viel Verantwortung in meine Hände gelegt. Ich musste sehr autonom arbeiten und das bei einer Komödie, wo es immer sehr stark auf Timing ankommt, gerade bei den eher körperlichen Szenen. Das war schon eine tolle Erfahrung.

Tips: Der 19-minütige Kurzfilm hat viele Auszeichnung eingeheimst. Gibt es eine, auf die Sie besonders stolz sind?

Schreiner: Dass wir dann auch noch den Preis in Braunau als bester Studentenfilm gewonnen haben, hat mich schon besonders gefreut. Ein Heimspiel zu gewinnen, ist immer schön. Aber ansonsten finde ich die Auszeichnungen gar nicht so wichtig. Ich persönlich freue mich über jedes Festival, wo wir gespielt werden, weil man den Film ja macht, um gesehen zu werden und möglichst viel Publikum zu erreichen.

Tips: Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für das Genre Film entdeckt?

Schreiner: Ich ging schon immer gerne ins Kino und habe gerne Filme geschaut, hatte aber kein tiefergehendes Interesse daran. Zum ersten Mal mit der Idee, was es heißt, Filme selbst zu machen und dass das interessant sein kann, kam ich in der HAK Schärding in Berührung. Wir hatten die Möglichkeit, an einem dreitätigen Video-Kurs am Techno Z Schärding teilzunehmen. Dadurch bekam ich auch die Chance, das Equipment dort zu benützen, mit dem wir dann begannen unsere Visuals zu machen.

Tips: Doch Ihre berufliche Zukunft führte Sie zunächst in eine ganz andere Richtung.

Schreiner: Wie viele, die in jungen Jahren eine sportliche Karriere anstreben, stellte ich im direkten Vergleich mit der Spitze der Gleichaltrigen fest, dass es zum professionellen Golfer nicht reichen wird. Und Golflehrer zu werden, darauf hatte ich keine Lust. Dass es der Film sein würde, war dann bei mir eher ein Zufall, im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen war ich doch eher ein Spätberufener.

Tips: Wie kamen Sie vom Golfplatz zum Film?

Schreiner: Ich kam über das Veranstalten von Drum-and-Bass-Partys in Schärding dazu. Damit das alles nicht so farblose Veranstaltungen waren, probierte ich gemeinsam mit Freunden das Ganze durch Visuals aufzuwerten, also die Musik mit selbstproduzierten Videoschnipseln zu unterstützen. Damals waren die Möglichkeiten, auf Laptops mit mehreren Videospuren live zu arbeiten, sehr beschränkt. Damit sich nicht dauernd die Videos wiederholten, mussten wir dort live zwischen unseren Clips umschalten, sprich schneiden, das hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht.

Tips: Und so haben Sie das Interesse am Schneiden von Filmen entdeckt?

Schreiner: Ich begann mich damit auseinanderzusetzen, dass man doch die willkürlich produzierten Clips in einen Zusammenhang setzten könnte, und plötzlich probiert man über die Schnitte hinweg kleine Geschichten zu erzählen und erkennt, dass durch die vermeintliche Verbindung etwas entsteht. Man beginnt aus den Bildern, die ursprünglich wenig miteinander zu tun hatten, im Kopf eine Geschichte zusammenzubauen. Als ich das verstand, war für mich klar: Das will ich mal weitermachen.

Tips: Schauspieler und Regisseure werden oft in einem Atemzug mit dem Titel eines Filmes genannt. Dabei sind Sie als Cutter maßgeblich am Gelingen einer Produktion beteiligt. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Schreiner: Als Cutter bekomme ich das Ton- und Bildmaterial vom Dreh und baue am Computer in Zusammenarbeit mit der Regie den fertigen Film zusammen. Ich wähle die Takes und Einstellungsgrößen aus. Ich kümmere mich um Timing der Schnitte sowie die Dramaturgie und klopfe den Film auf Verständlichkeitsprobleme ab.

Tips: Wie sehr beeinflusst der Schnitt einen Film oder anders gefragt: Worauf können Sie als Cutter Einfluss nehmen?

Schreiner: Man beeinflusst den fertigen Film schon sehr, dramaturgisch und durch das Setzen der Schnitte im Speziellen, alleine durch die Auswahl von Takes. also wie Schauspieler etwas betonen, welche Größe der Einstellungen man wählt (Totale oder Nahe) und auch wie lange man eine Einstellung hält oder ob man den Schauspieler beim Sprechen sieht oder stattdessen auf die Reaktion des Gegenübers schneidet. Das sind Entscheidungen, die beim Publikum Emotionen und Empathien auslösen – und für die bin ich mitverantwortlich.

Tips: Dokumentarfilm, Horrorfilm, Komödie… Welche Filme schneiden Sie am liebsten?

Schreiner: Jede Filmgattung hat ihren eigenen Reiz. Das Interessante an Filmgattungen mit stark ausgeprägten Genres wie dem Horrorfilm ist aber meiner Meinung nach, dass man die Möglichkeit hat, mit Genrekonventionen zu spielen, sie zu bedienen oder sie zu brechen. Das macht für mich den besonderen Reiz aus.

Tips: Gibt es jemanden, der Sie bei Ihrer Arbeit stark beeinflusst?

Schreiner: Walter Murch, (Schnitt von Apocalyspe Now, Der englische Patient) ein amerikanischer Cutter, der ein Standard-Werk über Schnitt geschrieben hat. Sein Zugang zum Schneiden hat mich in meiner Herangehensweise an den Schnitt von Filmen sehr stark geprägt. Auch Michael Hudecek, mein Professor an der Filmakademie, hatte starken Einfluss auf mich.

Tips: Ihr Markenzeichen?

Schreiner: Ich glaube, Schnitt ist eine unsichtbare Kunst. Sprich: Im Normalfall sollen die Schnitte nicht wahrnehmbar sein. Ich glaube, dass ein Markenzeichen zu haben der Idee von Schnitt zuwiderläuft.

Tips: Was war Ihr bisher größter Erfolg?

Schreiner: Für mich persönlich, dass ich ohne Matura jetzt einen Bachelorabschluss habe und dass ich inzwischen seit 13 Jahren mit meiner Freundin zusammen bin.

Tips: Welche beruflichen Ziele haben Sie sich gesteckt?

Schreiner: Ich will Kinofilme schneiden und davon leben können. Das ist momentan mein größtes Ziel.


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden