Petra Ramsauer: „Ich sehe meine ‚Mission auf Erden‘ als Übersetzerin“
SCHÖRFLING/EBENSEE. Nahost-Expertin Petra Ramsauer erzählte in der Modeschule Ebensee und bei einem Abendvortrag auf Einladung des Katholischen Bildungswerkes von ihren Reisen als Krisenreporterin nach Syrien. „Tips“ traf sie im Anschluss zum Gespräch.
Tips: Modeschuldirektor Herbert Mittendorfer war fasziniert, wie aufmerksam und lange die Schüler ihre Ausführungen verfolgten und gar nicht zu fragen aufhören wollten. Waren Sie auch erstaunt?
Ramsauer: Ich war total überrascht über das Interesse. Ich schone die Menschen bei meinen Vorträgen ja nicht. Ich möchte, dass sie über die geläufigen Bilder hinausdenken und beschäftige mich auch mit den historischen Wurzeln der Konflikte.
Tips: Wie hat sich Ihr Interesse am Nahen Osten entwickelt? Gab es persönliche Erlebnisse?
Ramsauer: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich schon als Jugendliche für Psychologie und Krieg interessiert. Ich wollte sehen, wie das ist, wie Konflikte entstehen und sich entwickeln. Und dann war da die Faszination des „Anderen“. Ich war immer schon gerne weg, kam aber dann auch immer wieder gerne zurück.
Tips: Wie kann man sich das Leben als Krisenreporterin vorstellen? Man hat oft Bilder im Kopf von Reportern mitten im Kugelhagel.
Ramsauer: Großteils ist es vor allem viel bürokratische Arbeit. Es geht viel Zeit drauf, sich Genehmigungen zu besorgen, ohne die gar nichts geht. Ich sitze oft auch nur tagelang herum und lese. Es geht oft auch darum, ein Netzwerk an Kontakten aufzubauen – zu anderen Journalisten oder lokalen Gruppen. Ein Auftraggeber hat einmal zu mir gesagt: „Jede Dienstreise mit weniger als zwölf neuen Kontakten ist eine Niederlage.“
Tips: Das heißt, Sie nehmen „Auftragsarbeiten“ an?
Ramsauer: Nein. Ich bin freie Journalistin und schlage Orte und Themen vor. Die Medien, für die ich arbeite, verlassen sich auf meine Expertise und mein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt.
Tips: Wie sieht Ihr Selbstverständnis als „Krisenreporterin“ aus?
Ramsauer: Ich sehe meine „Mission auf Erden“ als Übersetzerin. Ich bin gläubige Christin und kann daher mit religiös geprägten Systemen ganz gut umgehen. Das spüren auch die Menschen vor Ort. Dadurch werde ich von ihnen auch akzeptiert und sie erzählen mir offener ihre Geschichten.
Tips: Viele sehen Religion als die Wurzel des Übels in den Nahost-Konflikten an.
Ramsauer: Die Religion ist ein Problem, wenn man sie missbraucht. Die Region krankt aber mehr an der Korruption und am Mangel an ziviler Kultur. Ehrenmorde, Beschneidungen oder Gewalt gegen Frauen haben nichts mit dem Islam zu tun, sondern sind Relikte der eher archaischen Beduinenkultur.
Tips: Wie stellt sich zurzeit das Image Österreichs in der Region dar?
Ramsauer: Ich verstehe natürlich die Diskussion über „Obergrenzen“. Diese wird aber aufgrund der vielen Flüchtlinge in den Nachbarländern als zynisch wahrgenommen. Das Image hat auch gelitten durch das Naheverhältnis zu Diktatoren wie Gaddafi und Hussein. Ein großer Fehler war auch die Art und Weise des hastigen Abzugs der österreichischen UN-Truppen vom Golan.
Tips: Ist der momentane Waffenstillstand eine Chance für eine nachhaltige Friedenslösung?
Ramsauer: Es gibt keinen „Waffenstillstand“. Es wird ja weitergekämpft. Manche „Oppositionellen der ersten Stunde“ meinen, dass der große Krieg erst kommt. Gleichzeitig merkt man, dass die Menschen und Kämpfer kriegsmüde sind. Einer von ihnen hat zu mir gesagt: „Erstmals seit fünf Jahren höre ich wieder die Vögel singen.“
Tips: Kann man in dem Gewirr aus Machtinteressen, bewaffneten Gruppen und religiös-ethnischen Konflikten auf eine Lösung im Syrien-Krieg hoffen?
Ramsauer: Es gibt durchaus tragfähige, von der Bevölkerung akzeptierte Gruppen. Zum Beispiel die „weißen Helme“. Das sind Ingenieure, Metzger, Handwerker, die sich zusammengeschlossen haben, um die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen – allerdings ohne politische Ambitionen. Es hat sich so eine Art Zivilgesellschaft entwickelt. Hier müsste man auf kreative Weise Ansprechpartner finden, die für einen Wiederaufbau in Frage kommen.
Vortrag: Die in Schörfling aufgewachsene Reporterin und preisgekrönte Buchautorin hält am Mittwoch, 9. März, um 19 Uhr einen Vortrag in ihrem Heimatort (Turnsaal der Volksschule).
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