Frühmorgens in der Backstube: Hinter den Kulissen einer Bäckerei
UNTERWINDHAG. Während es 1990 noch 31 Bäckereien im Bezirk gab, sind 2018 nur mehr 21 aktiv. Es ist ein Fakt, dass die kleinen Handwerksbetriebe nach und nach verschwinden. Einer setzte dem Trend entgegen: Mario Hölzl eröffnete 2014 seine kleine Bio-Bäckerei in Unterwindhag. Redakteurin Kathi Vogl hat sich frühmorgens aufgekämpft, um zu erfahren, wie ein Handwerksbetrieb in dieser Branche arbeitet und wie sich ein traditioneller Bäcker gegenüber der industriellen Konkurrenz behaupten kann.
Während andere noch tief schlafen, hat das Team der Bio-Bäckerei Hölzl um vier Uhr morgens schon den halben Arbeitstag hinter sich. Eben kommt Chef Mario Hölzl mit frischen Mohnweckerln um die Ecke. Er ist mit einer kurzen Unterbrechung bereits seit 16 Uhr am Arbeiten. „Nachmittags wird der Sauerteig für den ersten Schuss fertig zubereitet“, erzählt der 33-Jährige.
Nach der notwendigen Vorbereitungsarbeit in der Backstube bleibt auch das Büro nicht erspart, die aktuellen Produktionslisten müssen erstellt werden. „Die Bürokratie nimmt enorme Ausmaße an, teilweise entbehrt das jeder Realität“, so Hölzl.
Samstag ist der stärkste Tag der Woche
Gegen acht Uhr abends trudeln die ersten Mitarbeiter ein, heute müssen alle fleißig anpacken, ist doch der Samstag der stärkste Tag mit 50 Prozent des Wochenumsatzes. Um 23 Uhr gönnt sich der Chef eine kleine Verschnaufpause, um dann gemeinsam mit Mitarbeiter Thomas um halb drei Uhr morgens wieder mit dem „Einzählen“ der Ware zu beginnen. Der Wagen für den Markt in Krems wird vorbereitet, die Vorbestellungen bereitgestellt, die Theke im Laden aufgefüllt.
Regionale Butter statt Margarine
Zwei Türen weiter verfeinert die gelernte Konditorin Andrea diverses Plundergebäck mit Zuckerfäden. Nebenan ist Hermann mit „Schnupperer“ Michael gerade mit dem Backen von Kipferl und Striezel beschäftigt. Was macht einen guten Striezel aus? „Dahingehend scheiden sich ja die Geister, aber in einem richtigen Striezel dürfen Rosinen nicht fehlen“, meint der 49-jährige Bäcker Hermann. Qualitativ hochwertige Zutaten wie echte regionale Butter statt der sonst oft verwendeten Margarine, sind das Tüpfelchen auf dem i, ist er überzeugt. Hermann hat die beiden Öfen stets im Blick, 81 Stück perfekt gebräunte 6er-Striezel wurden heute Nacht fabriziert. Das war nicht immer so, lacht Mario Hölzl. Denn am Anfang ist so ziemlich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann.
Aller Anfang ist schwer
2013 beschließt der junge Bäckermeister, neben seinem Job in einer Großbäckerei, zuhause selbst zu backen, vorerst einen Tag in der Woche. „Ich wollte schon immer die eigenen Rohstoffe unseres Bio-Bauernhofes veredeln und traditionsgemäß backen - so wie früher.“ Die Verwendung von eigenen regionalen Produkten, wie Getreide oder Kartoffel, war seine maßgebliche Motivation.Per SMS verbreitete er sein Vorhaben - und dieses kam gut an, viel besser als gedacht.
So kündigte er seinen Arbeitsplatz in der Industriebäckerei und meldete im August 2014 schließlich sein Gewerbe an. „In der Wirtschaftskammer erntete ich dafür ganz erstaunte Blicke“, schmunzelt der Jungunternehmer. Sehr viele alte Rezepte wurden neu interpretiert und adaptiert – ein hartes Stück Arbeit.
„Die Umstellung von der industriellen auf die handwerkliche Arbeit war anfangs eine sehr große“, die ersten Striezel wurden als solche nicht erkannt, lacht er. Großen Wert legte er auch auf den Verzicht von jeglichen Vormischungen, Zusätzen oder Weichhaltemittel. „Wir arbeiten komplett ohne E-Nummern - außer Natron, ziehen alle pikanten wie auch süßen Teige, sogar den Sauerteig, von Grund auf selber und verwenden überwiegend regionale Butter.“
„Bio ist nicht gleich Bio“
Auch trendige Dinge wie den derzeit beliebten Chia-Samen sucht man bei ihm vergeblich. „Ich gebe Regionalem den Vorzug, das ist mir sogar noch wichtiger als der Unterschied zwischen Bio und Konventionellem.“ Als vor Jahren der Bio-Graumohn knapp wurde, wurde statt der Verwendung von heimischem konventionellem Mohn, Bio-Mohn aus der Türkei importiert - „geschmacklich und auch im Sinne der Klimabilanz furchtbar“, sieht Hölzl „Bio als nicht gleich Bio“ an.
Der Faktor Zeit ist bei seinem Handwerk ein wesentlicher, ist er überzeugt. „Je länger der Teig Zeit bekommt, desto besser wird er vom Geschmack und der Frischhaltung.“ So darf der Sauerteig schon mal 36 bis 48 Stunden reifen, die Teige für das Gebäck nahezu ebenso lange. Im Gegensatz zu industriellen Bäckereien, wo eine rasche, rationelle und maschinelle Arbeitsweise an der Tagesordnung ist. Während es dort um Mengen und um Hundertstelcent gehe, könne er dafür ein wenig mehr verlangen. Dem Handwerk geschuldet ist die Tatsache, dass die Ware auch nicht immer vollkommen ident ausschaue.
Apropos: „je näher der Vollmond heranrückt, desto besser entwickelt sich der Sauerteig, das Brot wird luftiger und geht besser auf“, ist Hölzl überzeugt.
„Machen uns rar“
Nur samstags, von sechs bis elf Uhr morgens hat sein Hofladen in Unterwindhag geöffnet, unter der Woche wird für diverse Märkte und Partner gebacken. „Ein bisschen rar machen“, das zählt, ganz im Gegensatz zu vielen anderen, zu seiner Philosophie: „Im Gegensatz zu vielen Großen sind uns die Lebensmittel etwas wert.“ Die Regale müssten „abends nicht mehr randvoll sein“. Kommt man ein wenig später, könne es durchaus sein, dass man nicht mehr alles bekomme.
Dafür landet so gut wie nichts auf dem Müll, denn seine 20 Hennen freuen sich sehr über Brotkrümel und Co. Zudem werde vieles zu Brotchips, Semmelwürfel oder Brösel weiterverarbeitet. Auch alle Mehle, die aus dem eigenen Getreide entstehen, werden im Laden angeboten. Denn nur eine Kreislaufwirtschaft macht in seinen Augen Sinn.
Mitarbeiter dringend gesucht
Doch ein Problem ist in der Branche allgegenwärtig: Es gibt zu wenig qualifizierte Mitarbeiter. Und „dass jene, die sich als geeignet herausstellen, auch später Führungspositionen übernehmen, das ist eine Seltenheit“, bestätigt Landesinnungsmeister Johann Ehrenberger.
Auch Mario Hölzl ist auf der Suche nach einem ausgelernten Bäcker und Konditor - kein leichtes Unterfangen, wie er feststellt. Die Probleme sind teilweise hausgemacht – sie wurzeln zum Beispiel in einem zu niedrigen Kollektivvertrag, meint Hölzl. Auch die Beginnzeiten – Lehrlinge dürften erst ab vier Uhr morgens in der Backstube stehen - hätten wenig mit der Realität zu tun.
Handwerk hat goldenen Boden
Die Bäckereien als auch Konditoreien nahmen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich ab, wie aktuelle Zahlen der Wirtschaftskammer belegen. Die Großen werden noch größer, der Grad der Industrialisierung in der Branche steigt weiter. Auf der anderen Seite gewinnt aber auch das Handwerk mehr und mehr an Goldenen Boden, ist Hölzl überzeugt.
Dem stimmt auch Landesinnungsmeister Ehrenberger zu: „Es findet zur Zeit ein Umdenken statt, es wird gezielt nach besserer Qualität Ausschau gehalten, der Kunde möchte wissen wer hinter den Backwaren steht.“
„Ich erlebe die Branche nun positiver, man hält Tradition wieder mehr hoch und hilft mehr zusammen, nachdem doch viele kleine Bäckereien weggebrochen sind“, blickt auch Hölzl positiv in die Zukunft. Er möchte mit seinem Handwerk Emotionen wecken und den Bezug - den Weg vom Korn bis zum Brot - schon bei den Kleinsten herstellen. Daher steht sein „Schule am Bauernhof-Betrieb“ für die Kinder, aber auch für alle anderen gerne offen.
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