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Kein Kaffee, kein Schwarzer Tee und keine Polygamie - die Mormonen in St. Pölten

Thomas Lettner, 21.02.2018 12:00

ST. PÖLTEN. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat weltweit 15 Millionen Mitglieder und ist die am schnellsten wachsende christliche Kirche der Erde. In Österreich ist die hierzulande seit 1955 anerkannte Religionsgemeinschaft besser unter der Bezeichnung „Mormonen“ bekannt. Auch in St. Pölten gibt es seit 60 Jahren eine mormonische Gemeinde.

  1 / 3   Wolfgang Scholle, Laienpriester und Hoherat bei den Mormonen, arbeitet hauptberuflich als Versicherungskaufmann. Fotos: Thomas Lettner

Mormonische Missionare kamen erstmals 1928 nach St. Pölten. Damals hielt der in den USA aufgewachsene Arthur Gaeth in einem Wirtshaus einen Vortrag über „Utah, das Wunderland der Mormonen in Amerika“. Knapp 30 Jahre später wurden wieder Missionare nach St. Pölten entsandt. 1957 gab es die erste Versammlung im Gasthaus Mikolic. Die ersten Mitglieder schlossen sich der Kirche an und ließen sich taufen. Zuerst war die Gemeinde in der Heidenheimerstraße untergebracht. Später, als die Kapazitäten zu eng wurden, übersiedelte man in die Dr. Theodor Körner-Straße und dann in die Kugelgasse, wo die Gemeinde auch heute ihren Sitz hat.

Aufbau der Kirche

Die mormonische Kirche in Österreich ist in die beiden Pfähle Salzburg und Wien aufgeteilt. Jeder Pfahl hat eine Pfahlgesellschaft, der ein Präsident und zwei Ratgeber vorstehen. In jedem Pfahl gibt es zwölf Hoheräte, die verschiedene Aufgaben überhaben. Gegenüber dem österreichischen Staat gibt es außerdem noch einen Kirchenvorstand. Im Alter von zwölf Jahren kann ein Mormone bereits Diakon werden, mit 14 Lehrer, mit 16 Priester und mit 18 Jahren Ältester. Die Priester sind allesamt Laienpriester.

Konvertit mit 17 Jahren

Wolfgang Scholle ist der Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit der Mormonen in Niederösterreich. Der 57-Jährige arbeitet hauptberuflich als Versicherungskaufmann und ist sowohl als Laienpriester als auch als Hoherat für Wohltat tätig. Scholle konvertierte mit 17 Jahren gemeinsam mit seinen Eltern und seiner 16-jährigen Schwester von der römisch-katholischen Kirche zur Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. „Wir waren die erste komplette Familie in St. Pölten, die getauft worden ist“, erzählt er. Wie viele andere stellte sich der damalige Mittelschüler die Frage nach dem Sinn des Lebens. Diese konnten ihm die römisch-katholische Kirche und ihre Vertretern jedoch nicht beantworten. Im Gegensatz dazu hatten die Missionare plausible und einfache Antworten parat.

Die Visionen des Joseph Smith

Die Lehre der Kirche beruht auf der Bibel und dem Buch Mormon, das von Kirchengründer Joseph Smith verfasst wurde und von den anderen christlichen Kirchen nicht anerkannt ist. Smith hatte schon 1820 im Alter von 14 Jahren seine erste Vision. Das Buch Mormon wiederum beruht auf in neuägyptischer Schrift verfassten Inschriften auf goldenen Platten, deren Fundort Smith in einer Vision vom Propheten Moroni mitgeteilt wurde und die er mithilfe der Sehersteine Urim und Tummim ins Englische übersetzte.

Die mormonische Glaubenslehre

Die Mormonen glauben, dass der Israelit Lehi, seine Familie und andere Hebräer um 600 vor Christus aufgrund einer Offenbarung Jerusalem verlassen hätten und per Schiff nach Mittelamerika gekommen seien. Die Indianer stammen somit nach Glauben der Mormonen teilweise von Israeliten ab. Lehis Nachkommen teilten sich im Laufe der Jahrhunderte in die zwei Hauptvölker Nephiten und Lamaniten auf. Die goldenen Platten stammten von den Nephiten und wurden von Generation zu Generation weitergegeben und erweitert. Jesus Christus sei nach seiner Auferstehung auch den Nephiten in Mittelamerika erschienen und habe ihnen die Bergpredigt gehalten, weswegen das Buch Mormon auch als weiterer Zeuge für Jesus Christus gilt.

Aufenthaltsort der goldenen Platten ist unbekannt

Nach einem großen Krieg löschten die Lamaniten die Nephiten um 400 nach Christus vollständig aus. Moroni, einer der letzten Nephiten, wanderte mit den goldenen Platten von Mittel- nach Nordamerika und versteckte sie auf dem Gebiet des heutigen Bundesstaats New York, wo er 1400 Jahre später eben Joseph Smith erschien. Smith gab dem Propheten die Platten nach der Übersetzung wieder zurück. Wo sie jetzt sind, weiß niemand.

Die Wiederkunft Christi

Ein Teil der Platten, der die restliche Geschichte der Menschheit enthält und selbst von Smith nicht geöffnet werden durfte, ist noch versiegelt und unübersetzt. Erst kurz vor dem Erscheinen Christi dürfe der restliche Inhalt übersetzt werden. Diese Zeit werde mit Krieg einhergehen, infolge dessen Jesus Christus nach seiner Wiederkunft einen tausendjährigen Frieden einleiten werde. Darauf folge der Tag des Jüngsten Gerichts. „Wir leben in den letzten Tagen, daher auch der Name „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ „, so Scholle. Wann die Wiederkunft Christi sein wird, wisse man aber nicht.

Familie als Keimzelle der Gesellschaft

Als Scholle konvertierte, war die Gemeinde in St. Pölten noch sehr klein und die Religionsgemeinschaft wurde von vielen als Sekte bezeichnet. Es bedurfte einiger Aufklärungsarbeit, bis die Vorurteile aus dem Weg geräumt waren. „Das Wort Sekte hätte bedeutet, dass sich unsere Kirche von einer anderen abgespaltet hätte. Unser Religionsgründer Joseph Smith hat aber keiner Kirche angehört“, meint Scholle. Verboten sind bei den Mormonen Alkohol, Rauchen, Drogen, Kaffee und schwarzer Tee. Kein Sex vor der Ehe und Treue zum Ehepartner sind einzuhalten. Homosexualität komme zwar vor, solle aber nicht ausgelebt werden. Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft stellt bei den Mormonen eine wichtige Rolle dar.

Vorreiter bei der Forderung nach Frauenrechten

Dass Mormonen in der Gemeinde starkem Druck ausgesetzt seien, widerspricht Scholle strikt. „Die Entscheidungsfreiheit wird bei uns sehr hochgehalten“, meint er. Die zweijährige Missionarstätigkeit sei nicht verpflichtend, sondern werde von den jungen Mitgliedern nur erwartet. Frauen hätten die gleichen Rechte wie Männer, dürfen aber nicht als Priester arbeiten. Die Mormonen, so Scholle, hätten sogar eine der ältesten Frauenorganisationen der Welt und seien schon im 19. Jahrhundert für das Frauenwahlrecht eingetreten.

Polygamie ist ein Ausschließungsgrund

Die Polygamie, die von Mitgliedern der Kirche früher gelebt und 1890 verboten wurde, sei damals notwendig gewesen, da viele männliche Mormonen aufgrund ihres Glaubens im Gefängnis saßen oder umgebracht wurden. Heute stelle Polygamie bei den Mormonen einen Ausschließungsgrund dar. Nur mehr fundamentalistische Gruppierungen, die mit der Kirche nichts zu tun hätten, würden sie heute noch praktizieren. Wichtig seien der Glaubensgemeinschaft, die ihren bekanntesten Tempel in Salt Lake City in Utah (USA) hat, auch Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung aller Menschen und karitative Hilfeleistungen im Sinne der christlichen Nächstenliebe.

Keine Erbsünde

„Wir glauben nicht an die Heilige Dreifaltigkeit. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind drei unterschiedliche Wesen mit jeweils einen eigenem Körper, aber sie sind Eins im Sinn und Wirken, nämlich die Unsterblichkeit und das Ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“, erklärt Scholle die Unterschiede zur römisch-katholischen und allen anderen christlichen Kirchen. Glaubensquelle seien das Buch Mormon und die Bibel, sofern letztere richtig übersetzt sei. Der Mensch werde nicht aufgrund der Erbsünde Adam und Evas bestraft, sondern nur aufgrund seiner eigenen Fehler und Sünden, doch habe man immer die Möglichkeit, umzukehren.

Vereinigung mit den Ahnen nach dem Tod

Gott spreche nach wie vor zu allen Menschen. Schicksalsschläge seien keine Bestrafung, sondern seien Teil des Lebens und gehören zu der Prüfungszeit dazu, die die Menschen auf Erden verbringen. Neben dem Jerusalem in Israel werde es ein neues Jerusalem zur Zeit der Wiederkunft Christi auf dem amerikanischen Kontinent geben. Das Sühnopfer Christi rette alle Menschen, nicht nur ausgewählte Gruppierungen. „Wir glauben auch, dass es nach dem Tod ein weiteres Leben gibt und wir dort mit unseren Familien zusammen sind“, so Scholle. Ahnenforschung spielt bei den Mormonen daher eine große Rolle.


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Anonym
Anonym
28.03.2021 07:47

Es ist eine Sekte

Ich war Jahre lang in dieser Sekte, hat aber Jahre gedauert bis ich's erkannt habe. Nun bin ich ausgestiegen, und werde mit Psychoterror bestraft. SOWAS MACHEN NUR SEKTEN!

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Gastuser
Gastuser
09.03.2018 20:56

Übel

Die LDS ist ganz klar eine Sekte und sollte von seiten des Staats rigoros bekämpft werden. Bin seit drei jahren mit einer gott sei dank jetzt ehemaligen konvertitin zusammen, war ein harter Weg den ganzen Psychoterror zu überstehen. Nur der Gott Geld zählt bei denen