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STEYR. Die junge Steyrerin Karina (Name von der Redaktion geändert) weiß genau, wie sich psychische Gewalt anfühlt. Lange verschloss sie vor dem erlebten Albtraum an ihrem Arbeitsplatz die Augen. Heute möchte sie wachrütteln.

„Ich konnte einfach nicht fassen, was mir da eigentlich passiert“, erzählt Karina. Symbolfoto: Wodicka

Karina erzählt ihre Geschichte, weil sich ihr kürzlich ein Bekannter anvertraute – unwissend, dass sie selbst Mobbing-Opfer war: „Ich möchte, dass die Leute erfahren, wo sie sich Hilfe holen können“, sagt sie.

Erster Job

Nach dem Studium freut sich die junge Steyrerin auf ihren allerersten Arbeitsplatz: Im internationalen Konzern mit einem Standort in ihrer Heimatstadt würde sie endlich ihr Know-how praktisch anwenden können. Eingestellt von der fernen Zentrale, merkt sie allerdings gleich, dass sie bei den Kollegen vor Ort wenig willkommen ist: „Aber ich wollte meine Arbeit machen“, erzählt sie. Schon bald verspürt Karina jedoch mehr und mehr Unbehagen. Sie isst und schläft kaum noch, erste Krankenstände folgen: „Plötzlich hatte ich mir völlig fremde Erkrankungen“, berichtet sie. Karinas Gesundheit schlägt Alarm. Was war passiert?

Bloßgestellt

In der Führungsebene, wo Karina beschäftigt ist, wird sie von einem älteren Kollegen offen angefeindet. Er missbilligt ihre Arbeit, macht sie lächerlich, äußert sich über ihren Studienabschluss abwertend – oft vor Mitarbeitern, teils neben Kunden. Sie schleiche sich in den Betrieb ein, mache es sich im Job bequem, behauptet er. Als Karina ihren Vorgesetzten einschaltet, versucht dieser zu schlichten. Nachdem das misslingt, wendet er sich ab. Die Kollegen schweigen oder wähnen die Angriffe gegen Karina als womöglich berechtigt. Selbst die junge Frau zweifelt zunehmend an sich – stürzt sich noch mehr in die ohnehin stressige Arbeit. Doch an der Situation ändert das nichts.

Traumatisch

Als es zur Konfrontation im Beisein des Vorgesetzten aus der Zentrale kommt, meint Letzterer, Karina solle „ihre Anschuldigungen“ unterlassen – es gäbe keine Zeugen. „Ich stand komplett alleine da. Ein ganz schlimmes Erlebnis“, so die Steyrerin. „Der Vorgesetzte hat rechtlich eine Fürsorgepflicht und müsste für Sicherheit sorgen – auch vor psychischer Gewalt“, weiß Karina heute. Er bezeichnete ihr Problem stattdessen als „Kindergarten“ und bot ihr einen Standort-Wechsel an. Finanziell war das jedoch keine Option, so die Steyrerin. „Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch immer: Ich bringe Leistung, das muss doch gesehen werden.“

Misstrauen

Nervlich völlig erschöpft, kündigt sie schließlich nach dem mehr als einjährigen Albtraum. In einem neuen Job wird sie vom Kollegenkreis freundlich aufgenommen. Doch das Mobbing-Trauma sitzt tief: „Meine Gedanken kreisten nur weiter um das zuvor Erlebte. Ich beobachtete meine neuen Kollegen mit größter Skepsis – glaubte, sie würden über mich reden.“ Hinzukommt die eigene Unzufriedenheit, die neue Chance nicht einfach nutzen zu können. Karina bricht endgültig zusammen: „Ich konnte einfach nicht mehr.“

Reißleine ziehen

Seit Kurzem erst kann Karina über das Mobbing sprechen. Gut einen Monat ist die Steyrerin bereits krankgemeldet. Laut Arzt führte die lange Dauer der psychischen Gewalt zum Kollaps. Pro mente stellt ihr nun regelmäßige psychotherapeutische Betreuung zur Seite. Von Selbsthilfegruppen weiß Karina, dass viele Menschen ganz ähnliche Erfahrungen machen. „Ich wünsche mir, dass Betroffene bzw. Vorgesetzte rechtzeitig die Reißleine ziehen. Kein Job ist es wert, daran kaputtzugehen.“ Es brauche allgemein mehr Bewusstsein für das Thema: „Mir wäre es definitiv anders ergangen, wenn wenigstens ein Kollege zu mir gesagt hätte: Was dir widerfährt, ist nicht richtig.“

Betriebsrat heranziehen

„Mobbing am Arbeitsplatz ist ein schwieriges Thema mit großer persönlicher Betroffenheit“, betont Gerhard Klinger. „Wenn Menschen zu uns kommen, sind die gesundheitlichen Auswirkungen teils schon schwer“, so der Leiter der Arbeiterkammer (AK) Steyr. 2018 führte die AK Steyr 14 persönliche Mobbing-Beratungen durch. Die Zahl der telefonischen Beratungen wegen Mobbing wird nicht erfasst. „Egal durch wen das Mobbing erfolgt – die Einbindung des Betriebsrates ist ratsam“, erklärt Klinger. Oft ließe sich ein Konflikt innerbetrieblich lösen. Leider komme es aber vor, dass Arbeitgeber passiv bleiben und meinen, dieses Thema gehe sie nichts an.

Tagebuch führen

Die AK rät Opfern, ein Mobbing-Tagebuch zu führen: Wer hat wann was gemacht oder gesagt. „Das gibt Betroffenen die Möglichkeit, sich über die Handlungen klarzuwerden und dient der Beweissicherung.“ Bei Mobbing ist der Arbeitgeber rechtlich verpflichtet zu handeln. Besonders schwierig sei die Situation, wenn der Arbeitgeber selbst mobbt. „Dann bleibt oft nur ein Jobwechsel.“ Als Sofortmaßnahme erstellt die Arbeiterkammer Schreiben an die Geschäftsleitung. Verbessert sich die Lage am Arbeitsplatz dennoch nicht, können Opfer bei Gesundheitsgefährdung mit einem vorzeitigen berechtigten Austritt reagieren. „Dabei entstehen finanzielle Ansprüche wie bei der Arbeitgeberkündigung, eventuell auch Schadenersatzanspruch“, so Klinger. Grundsätzlich empfiehlt er, sich vorher bei der AK beraten zu lassen. Auch professionelle psychologische Hilfe legt er nahe.

MOBBING, wer hilft weiter?

Telefonische Mobbing-Beratung durch AK-Experten unter 050/69065480 (jeden Mittwoch, 17–20 Uhr)

Pro mente OÖ, Psychosoziale Beratungsstelle Steyr, Schiffmeistergasse 8, Tel. 07252/43990

Info:

www.mobbing-konkret.at

www.selbsthilfegruppe-mobbing-graz.at


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