In Krisen nie ganz alleine: Beziehungsberatung in Steyr
STEYR. Neun Berater der diözesanen Einrichtung „Beziehungleben.at“ stehen Menschen in Steyr derzeit telefonisch mit ihrem guten Rat zur Seite. Tips sprach mit der Koordinatorin der Beratungsstelle Dominikanerhaus Gerlinde Hofer über Wege durch die Krise.
Tips: Die Menschen durchleben aktuell eine Ausnahmesituation. Wie viele Beratungsgespräche führen Sie dieser Tage?
Gerlinde Hofer: Die Telefonberatung wird sehr gut in Anspruch genommen. In unseren Beziehungleben-Beratungsstellen Dominikanerhaus und Resthof bemühen sich die Berater, mit den Klienten in laufenden Beratungen Kontakt zu halten und diese zu begleiten.
Tips: Menschen mit wenig Sozialkontakten leben derzeit noch isolierter. Welche Möglichkeiten bieten sich gegen das Alleinsein?
Hofer: Für einsame Menschen ist das eine wirklich schwere Zeit. Ich wünsche diesen Menschen, dass sie den Mut haben, unser Beratungsangebot in Anspruch zu nehmen. Die Anmeldung zu einer Telefonberatung erfolgt über das Büro in Linz unter 0732/773676 (Mo.–Fr., 8–12 Uhr; Mo.–Do., 13–16 Uhr).
Tips: Familien hingegen erleben ein stark intensiviertes Zusammensein, das oft wenig Freiraum erlaubt.
Hofer: In Zeiten, wo wir viel beisammen sind und persönliche Freiräume knapp werden, sind Konflikte vorprogrammiert. Eine große Kunst, mit Konflikten umzugehen, ist das Reden und Zuhören. Gerade diese Fähigkeiten helfen, Konflikte zu lösen. Auch Geduld, Einfühlungsvermögen und Humor können sehr hilfreich sein.
Tips: Was raten Sie Familien, um ihren gemeinsamen Alltag bestmöglich zu gestalten?
Hofer: Wir haben bezüglich Harmonie oft zu hohe Erwartungen. Für ein harmonisches Miteinander ist es wichtig, Nähe und Distanz gut zu regeln. Dies kann z.B gelingen durch geregelte Zeiten wo gemeinsam gegessen oder gespielt wird, sich dann aber auch wieder jeder in eigene Bereiche (wenn vorhanden) oder Beschäftigungen zurückzieht. Eine Möglichkeit ist, dass sich ein Elternteil mal ausschließlich um die Kinder kümmert, während der andere Zeit für sich hat. Und: Regelmäßig an die frische Luft gehen, im Rahmen des Erlaubten.
Tips: Viele Menschen können ihre älteren oder kranken Angehörigen in Heimen und Spitälern nicht besuchen und empfinden dies als sehr belastend.
Hofer: Das stimmt und ist wirklich sehr belastend und traurig für die Betroffenen. Dort wo Menschen digitale Medien nutzen können, ist das hilfreich und sinnvoll. Leider ist das häufig nicht möglich. Wir wissen aber, dass wir Menschen auch sehr nahe sein können, wenn wir an sie denken und ihnen alles Gute wünschen und uns dafür bewusst Zeit nehmen.
Tips: Die Bevölkerung wird derzeit von einer Flut an Nachrichten überrollt. Gibt es einen Ratschlag im Umgang damit?
Hofer: Weniger ist oft mehr! Wir haben das Glück, dass wir in Österreich Zugang zu guten Informationsquellen haben und diese sollten wir nützen. Es ist wichtig, dass wir uns auch mit anderen Dingen und Themen beschäftigen, damit Ängste nicht verstärkt werden.
Tips: Was kann jeder in Zeiten großer Unsicherheit tun, um seelisch Kraft zu tanken?
Hofer: Jeder Mensch hat andere Kraftquellen. Es gilt, sich der eigenen Kraftquelle bewusst zu werden. Das gelingt mit der Frage: Was tut mir im Moment gut? Der/die eine verwendet digitale Medien, um Kontakt zu Menschen zu halten. Für andere ist es das Hören von Musik, telefonieren, wieder einmal jemandem einen Brief zu schreiben. Dinge, für die sonst im Alltag die Zeit fehlt. Beispielsweise auch Fotos anschauen oder ordnen etc.
Tips: Gerade Menschen im Einsatz gegen das Coronavirus sind derzeit extrem gefordert. Was möchten Sie diesen Menschen mitgeben?
Hofer: Als erstes ein herzliches Dankeschön. Menschen können in solchen Zeiten oft unglaubliche Energien freisetzen. Trotzdem wünsche ich allen engagierten Menschen, auf die eigenen Kraftquellen und Ruhepausen nicht zu vergessen. Wir müssen auch für uns Sorge tragen können, wenn wir für andere Sorge tragen.
Info: beziehungleben.at
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