Steyrer Reisebüro-Unternehmer: „Keine andere Branche hat die Krise derart getroffen“
STEYR. Seit 30 Jahren ist Jürgen Armbrüster am Reisesektor tätig, bis 2019 war er sechs Jahre lang Tourismusobmann in Steyr. Mit Tips-Redakteurin Angelika Mitterhauser sprach der Unternehmer über die fatale Situation der Reisebüros.
Tips: Wie haben Sie die vergangenen drei Monate bewältigt?
Jürgen Armbrüster: Wir waren seit Mitte März mit nichts anderem befasst als mit Stornierungen. Es gab gleich eine klare Regelung: Tritt der Veranstalter von der Reise zurück, wird diese storniert und das Reisebüro erstattet die Kosten zurück. Stammkunden wählten auf freiwilliger Basis teils auch Gutscheine. Im Endeffekt galt es für uns jedoch mehrere 100.000 Euro an die Kunden zurückzahlen. Das muss man ohne Einkünfte erst einmal verkraften.
Was hat der Lockdown für Ihren Betrieb im Detail bedeutet?
Ein Dreivierteljahr Buchungsarbeit war mit einem Schlag hinfällig. Herstellende Unternehmen haben am Ende ihres Tuns ein Produkt, in unserer Branche war ein über lange Zeit geleisteter Einsatz plötzlich zunichte, mit null Ertrag. Zum Teil haben wir auch die Rückzahlungen von den Fluglinien noch nicht bekommen, hier warten die Kunden noch immer auf ihr Geld. Ich hoffe, dass Lufthansa und Austrian Airlines mit den Staatshilfen jetzt zur Tat schreiten und überweisen. Betriebsintern sind wir in Kurzarbeit, bis 1. Juni hatten wir zu. Ab Juli versuchen wir unsere Öffnungszeiten wieder zu steigern. Erste Buchungen, z. B. für Griechenland, sind schon vorhanden.
Aufgrund der unsicheren Lage planen heuer jedoch viele ihren Urlaub in Österreich. Richten Sie sich danach aus?
Das Reisebüro als solches lebt von Flug- und Fernreisen sowie Kreuzfahrten, die derzeit auch total zum Erliegen gekommen sind. Die Krise hat unsere Produkte weggefegt. Und ohne kann man nichts verkaufen. Ein Schwerpunkte meines Betriebs sind neben Kreuzfahrten auch Golfreisen – wir sind offizieller Partner des Österreichischen Golfverbands. Hier haben wir Österreich-Pakete geschnürt. Tatsache ist aber, dass sich darüber hinaus die Menschen ihren Inlandsurlaub selbst organisieren. Österreich war noch nie unser Markt, das wird sich nicht wirklich ändern.
Fühlen Sie sich von der Regierung im Stich gelassen?
Nach meinem Empfinden sind wir der Regierung egal. Man verspricht uns schon die längste Zeit Hilfspakete für die Branche, auf der anderen Seite wird der Urlaub in Österreich beworben. Das verstehe ich natürlich – um das Inland zu stärken. Aber auf uns wird bis dato vergessen. Wir bekommen das, was alle bekommen – aus dem Härtefall-Fonds für Unternehmer. Dieses Geld ist schon angekommen. Es hilft aber gerade so weit, dass man sich das Essen kaufen kann.
Wie ist die Stimmung unter den Kollegen in der Branche?
Die Situation ist für alle dieselbe: schlechter geht nicht. Problem sind auch Medienberichte. So hieß es zuletzt etwa, dass ein Urlaub im Ausland arbeitsrechtlich als grob fahrlässig gesehen werden könnte, wenn sich die Corona-Situation in dem Land verschärft oder man sich dort infiziert. Dann könnte man laut Experten ums Gehalt fallen. Deutschland hält Reisewarnungen für 160 Nicht-EU-Länder. Für die Reisebranche sind solche Botschaften katastrophal. Sicher: Man kann gerade nicht gut nach Brasilien reisen, aber doch in ein Land mit geringen Corona-Zahlen.
Welche Hoffnungen haben Sie für den Sommer 2020?
Bis Ende Juni wurden fast alle Veranstalter-Reisen abgesagt, bis Ende Juli die Kreuzfahrten. Die entscheidende Frage ist nun: Wohin möchten die Kunden reisen. Denn: Reisen werden wieder stattfinden, aber der Kunde will womöglich nicht. Wir stehen als Vermittler in der Mitte. Besorgte Kunden, die für Anfang August Ägypten gebucht haben, fragen bei uns an, wie es weitergeht: Wir können nur sagen, wir wissen es nicht. Problem ist, dass innerhalb der 30-Tage-Frist auch die Storno-Tarife steigen. Ein möglicher Streitpunkt auch: Was, wenn der Kunde einen gebuchten Urlaub wahrnimmt, aufgrund der Krise aber vor Ort nicht das Angebot vorfindet, das er eigentlich gebucht hat.
Gibt es irgendeine Strategie, all dieser Unsicherheit zu begegnen?
Momentan sind wir Reisebüros nur Problemlöser. Wir müssen versuchen, unsere Liquidität zu erhalten. Gelingt das aufgrund der massiven Rückzahlungen nicht, wird es wohl sehr bald einen Betrieb nach dem anderen nicht mehr geben. Das wird sich entscheiden, wenn die Kurzarbeit im September ausläuft. Mein Betrieb ist sicher – wir leben von dem Puffer, den wir in den letzten Jahren erwirtschaftet haben. Auch die Zusage für einen staatlichen Kredit ist da. Ich hoffe jedoch, diesen nicht beanspruchen zu müssen. Andere Betriebe haben allerdings keine Zusage, z. B. weil sie größere Investitionen getätigt haben. Frage nicht, wenn dann tatsächlich eine zweite Welle kommt. Ich möchte aber positiv sein: Die Situation ist sehr veränderlich, Mitte Juli kann die Welt schon anders ausschauen. Wir versuchen, für den Sommer einzelne Reisen für jene Kunden zu retten, die reisen möchten: Mallorca, griechische Inseln, kanarische Inseln. Sofern sich die Medienberichte ändern, kann sich die Situation auch für uns wieder verbessern.
Wie versucht man sich als Reisebüro auch noch zur Konkurrenz im Internet zu positionieren?
Gerade in der Krise zeigen sich die Vorteile, im Reisebüro zu buchen: Wir sind für die Kunden da und helfen so gut es geht.
Wo möchten Sie selbst so schnell wie möglich wieder hinreisen?
Mein Frau stammt aus Schweden. Wir besuchen ihre Eltern gleich, wenn es wieder erlaubt ist.
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