STEYR. Der internationale Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner erinnert an die sechs Millionen jüdischen Opfer und an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 79 Jahren. Die aus Steyr stammende Helene Seinfeld (1924–2005) hat das Grauen im Vernichtungslager Auschwitz überlebt.
Helene Seinfeld, geborene Popper, verbrachte eine unbeschwerte Kindheit in Steyr am Wieserfeldplatz, bis die sich zuspitzende wirtschaftliche und politische Lage die Familie in Bedrängnis brachte. Helenes Brüder emigrierten schon 1928 nach Belgien, die fast 10-jährige Schwester folgte ihnen 1934 nach, die Eltern zwei Jahre später. In Arlon hatten die Brüder einen Kleiderladen eröffnet. Als im Mai 1940 deutsche Truppen einmarschierten, begann die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung.
Ein deutscher Gefreiter warnte die Steyrer Familie und brachte Helene mit einem gefälschten Ausweis als „Volksdeutsche“ auf dem Bauernhof bei seiner Frau in der Lüneburger Heide unter. Weitere Stationen waren das Jagdschloss Hermann Görings, die Dynamitfabrik Nobel nahe Bonn und die Firma Siemens in Berlin. In der Hauptstadt deckte die Gestapo Helenes Identität als Jüdin auf. Vom Gefängnis Moabit wurde sie in das KZ Groß-Rosen bei Breslau und im Juli 1944 in einem Viehwaggon nach Auschwitz deportiert.
Nur noch 33 Kilo
Helene überstand drei Selektionen beim bekannten KZ-Arzt Josef Mengele, völlig entkräftet schwor sie sich: „Ich muss durchkommen. Und wenn ich der einzige Mensch bin, der später erzählen kann, was sich hier abspielt. Ich muss das überleben.“ Helene war 21 Jahre alt und wog 33 Kilogramm, als sie nach dem überstandenen „Todesmarsch“ im KZ Ravensbrück Ende April 1945 befreit wurde.
Mit Familie in Palästina
Zurück in Arlon erfuhr sie vom Überleben ihrer Brüder, aber auch von der Ermordung ihrer Eltern in Auschwitz 1943. In Brüssel lernte sie den aus Wien stammenden Philip Seinfeld kennen. Auch er hatte seine Eltern und Geschwister im Holocaust verloren. Philip und Helene zogen nach Palästina, heirateten im März 1946. Sie gebar 1947 Sohn Arie und 1949 Tochter Nurit. Trotz der politisch schwierigen Lage fühlte sie sich in Israel zu Hause. Helene Seinfeld starb am 5. Mai 2005 im Alter von 81 Jahren.
Text von Waltraud Neuhauser-Pfeiffer; Buch: Dazugehörig? Jüdisches Leben in Steyr von den Anfängen bis in die Gegenwart (Verlag Ennsthaler, 2021)
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