Die Brennpunkte Suben und Passau - wo Schlepper der Polizei ins Netz gehen und Flüchtlinge auf ein Leben in Sicherheit hoffen
SUBEN/PASSAU. Es ist die Angst, die die Menschen bewegt. Die bewegt die Flüchtlinge aus den Krisengebieten in Richtung Europa um dem sicheren Tod zu entfliehen und sie bewegt die Menschen hierzulande, die oft nicht wissen wie sie mit der Situation umgehen sollen, wenn sie hören, dass tausende Flüchtlinge durch Österreich wandern. Die Kontrollen an den deutschen Grenzen wollen ein Bild der Sicherheit zeichnen, die Flüchtlingsströme in geordneten Bahnen nach Deutschland bringen und den Schleppern das Handwerk legen. Von der aktuellen Situation an einem der Brennpunkte – an der deutsch-österreichischen Grenze in Suben – wollte sich Landeshauptmann-Stellvertreter Reinhold Entholzer (SPÖ) zusammen mit SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann ein persönliches Bild der aktuellen Flüchtlingssituation machen.
Auf der Autobahn in Richtung Passau bei Suben und Rottal-Ost werden seit Sonntag, 13. September, strenge Grenzkontrollen durchgeführt. Die Folge: oft kilometerlange Staus. Dennoch scheinen die Kontrollen auch Wirkung zu zeigen. Seit Sonntag konnten an den Grenzen zum Bezirk Schärding 90 Schlepper festgenommen und zirka 4000 Flüchtlinge aufgegriffen werden. Denn obwohl die Asylsuchenden wissen, dass die Grenzen nach Deutschland kontrolliert werden, machen sich immer wieder Flüchtlinge auf den Weg in die Bundesrepublik. Die meisten Schleuser kämen laut Polizei aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Oft zahlen Flüchtlinge 2000 bis 7000 Euro für eine Fahrt. Wobei der Schlepper nur ein kleiner Fisch in der undurchsichtigen Schlepperorganisation darstellt. Er bekommt, wenn er die Flüchtlinge abgeladen und ohne erwischt zu werden, wieder in seinem Heimatland ankommt etwa 200 bis 400 Euro.
Eine Bewährungsprobe für Europa
“Es ist wichtig, dass an den österreichisch-deutschen Grenzen gerade jetzt zusammengearbeitet wird. Wir können Österreich in dieser Situation nicht hängen lassen. Es muss ein Mindestmaß an Ordnung hergestellt werden. Durch die Grenzkontrollen läuft alles in geordneten Bahnen, die Menschen werden registriert und in Notunterkünften verteilt“, sagt Thomas Oppermann. Auch Reinhold Entholzer lobt die grenzübergreifende Zusammenarbeit, stellt aber klar: „Die Solidarität in der Europäischen Union darf keine Einbahnstraße sein“ und appelliert damit erneut für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in ganz Europa. Für den bayerischen Landrat Franz Mayer sind Grenzkontrollen „notwendig, um für Recht und Ordnung zu sorgen“. Auch er will verbindliche Quoten in der EU. „Der Egoismus gehört zurück gestellt. In Bayern sind wir bald am Ende der Kapazitäten. Wir können das nicht alleine stemmen“, so Mayer weiter. Dies sei, laut Oppermann, nun eine Bewährungsprobe für die EU. Der SPD –Bundestagsfraktionsvorsitzende möchte bereits nächste Woche eine gerechte Verteilungsquote haben. „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, stehen wir bald noch vor viel größeren Problemen“, gibt Oppermann zu denken. Wirtschaftliche Folgen seien nicht absehbar, sollte es nicht bald zu einer Einigung kommen. Laut den Vertretern der Bundespolizei, die die Grenzkontrollen vor Passau durchführen sind 300 Beamte Tag und Nacht im Einsatz. In den Notunterkünften werden die Menschen dann versorgt. Sie haben oft tausende Kilometer zurücklegt und jegliche Strapazen auf sich genommen um in Sicherheit zu kommen.
Passau als Drehscheibe
Während sich die Unterkünfte in Schärding und Esternberg schnell wieder leeren, weil die Menschen weiterziehen wollen, entwickelte sich Passau in den letzten Wochen zu einer Drehscheibe für die Flüchtlingskoordination. Zirka 1000 Asylsuchende werden derzeit in der Dreiflüssestadt betreut. Laut Oberbürgermeister Jürgen Dupper wurde auch bereits die Dreiländerhalle als zusätzliche Unterkunft adaptiert, sollte es einen Engpass geben.
Blickt man in die Gesichter der Geflohenen erfährt man eine Achterbahn der Gefühle und Gemütszustände, viele sind erschöpft, schlafen, einige wirken traurig oder unsicher, oft wissen sie nicht, was mit ihnen nun geschehen wird. Andere wiederum lachen, wirken glücklich und erleichtert. Als die Politiker beim Lokalaugenschein die Halle betreten in der die Flüchtlinge aufgenommen wurden, kommt eine Gruppe Asylsuchender zum Absperrgitter. Sie glauben, dass sie von den Politikern Antworten bekommen wie es mit ihnen weitergeht. Ein Flüchtling aus Damaskus in Syrien will wissen, wann er denn seine Familie wieder sehen könne. Ein Afghane meint, er wolle eigentlich weiter nach Schweden um dort sein Studium zu beenden. Eine Frau ruft verzweifelt: „Wann kann ich nach Belgien? Mein Mann und mein Kind sind dort. Wann bitte kann ich dort hin?“. Ein anderer junger Mann aus Syrien, sagte: „Ich habe in meiner Heimat alles zurückgelassen, meine Familie, meine Arbeit, mein Studium, mein Leben. Ich will hier nicht sterben. Mein Bruder wohnt in Passau, ganz in der Nähe von hier. Warum kann ich nicht zu ihm?“. Die Verzweiflung steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Viele von ihnen hatten sich ihr Dasein in Deutschland wohl anders vorgestellt. Auch die Polizei muss die Menschen täglich aufs Neue um Geduld bitten. „Wir versuchen sie davon zu überzeugen, dass sie nun in Deutschland sind – viele wissen erst gar nicht in welchem Land sie sich gerade aufhalten – und sie sich nun in Sicherheit wiegen können. Viele wollen aber auch weiter zu ihren Familien oder in andere Länder. Wir müssen ihnen erklären, dass sie erstmal abwarten müssen“, sagt ein Beamter. Viele der Flüchtlinge werden nach der Registrierung und Versorgung in Passau in umliegende Aufnahmezentren wie etwa Deggendorf oder München gebracht. Während des Lokalaugenscheins sieht man viele Kinder, die spielen und lachen. Sie verstehen oft nicht was gerade passiert, dennoch zeigen auch sie auf ihre ganz persönliche Weise Dankbarkeit: An den provisorisch aufgestellten Gitterwänden, die die Halle in einzelne Sektoren unterteilt, hängen Zeichnungen von Kindern auf denen sie den Schriftzug „Polizei“ mit Herzen verziert haben. Eine Familie posiert für die Journalisten mit „Daumen hoch“ – man sieht die Erleichterung in ihren Gesichtern. Sie sind endlich in Sicherheit.
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