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10.000 Tonnen Atommüll könnten an Oberösterreichs Grenze landen

Tips Jugendredaktion, Raphael Habringer, 21.08.2018 17:00

TEMELIN/MÜHLVIERTEL. Die tschechischen Atomkraftwerke Temelín und Dukovany produzieren jährlich 100 Tonnen radioaktive Abfälle. Die Suche nach einem Endlager für den Atommüll läuft seit Jahren. Nun steht auch ein  Standort in unmittelbarer Nähe zu Temelín zur Debatte. Nur 57 Kilometer von Oberösterreich entfernt. 

Umweltlandesrat Rudi Anschober (l.) und Petr Nohava (r.), Sprecher der „Plattform gegen das Endlager“ fordern eine transparentere Endlager-Suche. Foto: Lisa Schaffner.

Rund um die südböhmische Stadt Budweis schmiegen sich die kleinen Hügel der böhmischen Masse sanft aneinander, dazwischen schlängelt sich die Moldau durch die Landschaft. Nichts deutet hier darauf hin, dass sich ganz in der Nähe das Atomkraftwerk Temelín befindet und tagtäglich nicht nur Strom, sondern auch Atommüll produziert. Doch dann tauchen am Horizont plötzlich die 155 Meter hohen Kühltürme des Kraftwerks auf und aus der idyllischen Landschaft wird ein Problemfall.

Langwierige Standort-Suche

Denn der giftige Atommüll liegt momentan in kleineren Zwischenlagern und soll ab 2065 in ein sogenanntes Endlager in 500 bis 700 Metern Tiefe kommen. Wo sich dieses Endlager befinden soll, ist aber noch nicht geklärt. Geologen untersuchen seit den Neunzigern mögliche Standorte und haben bereits sieben Gebiete gefunden, die sie für sicher genug halten. Die betroffenen Gemeinden wehren sich aber gegen die Pläne und so sind seit 2018 zwei neue Endlager-Standorte in unmittelbarer Nähe zu den AKWs  Dukovany und Temelín im Gespräch.

Der tschechische Energie-Experte und Umweltaktivist Edvard Sequens hält nichts von diesen Standorten: „In den Neunzigern war die unmittelbare Umgebung eines AKWs noch ein Ausschlusskriterium für einen Endlager-Standort. Jetzt denkt der tschechische Staat aber genau über solche Standorte nach, da er sich dort eine positivere Einstellung der Bevölkerung erwartet.“

Atomarer Geldsegen

In Temelín, wo der Standort Temelín-Süd als Endlager in Frage kommt, kann tatsächlich mit wenig Widerstand gerechnet werden: Die Atomkraftwerke sind wichtige Arbeitgeber in der Region und die teilstaatliche Betreiberfirma CEZ unterstützt die Gemeinden mit Subventionen. So erhält das 800-Seelen-Dorf Temelín jedes Jahr umgerechnet 38.000 Euro von CEZ. Als Entschädigung für die geologischen Untersuchungen in Temelín-Süd sollen die betroffenen Gemeinden sogar rund 500.000 Euro pro Jahr bekommen.

Widerstand aus Oberösterreich

Während sich rund um Temelín  noch wenig Widerstand zeigt, ist das Land Oberösterreich alarmiert. „Temelín-Süd liegt nur 57 Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Oberösterreich hat den Atommüll aber nicht produziert, daher tragen wir auch keine Mitverantwortung“, sagt Umweltlandesrat Rudi Anschober. Er kündigt heftigen Widerstand aus Oberösterreich an, der in enger Zusammenarbeit mit den Bewohnern vor Ort erfolgen soll. „Wir werden alle politischen und rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen“, sagt Anschober.

Fehlende Transparenz

Petr Nohava steht der Endlager-Suche ähnlich kritisch gegenüber. Er ist Sprecher der 2016 gegründeten „Plattform gegen das Endlager“,  die sich aus 31 Gemeinden und 14 Vereinen zusammensetzt. Alle Mitglieder der Plattform sind von einem der möglichen Standorte betroffen. Nohava selbst ist Bürgermeister der Gemeinde Pluhuv Žd'ár, die 38 Kilometer von Temelín entfernt ist und im Gebiet des möglichen Standorts Cihadlo liegt.

Kritik äußert Nohava vor allem am Auswahlverfahren: „Die Wahl des Standorts wird ohne die Beteiligung der Gemeinden getroffen. Außerdem sind die Auswahlkriterien nicht sehr klar definiert. Wenn der Staat nicht imstande ist, die Auswahl transparent zu treffen, können wir auch nicht auf die Sicherheit vertrauen“, sagt Nohava.

Sicherheitsbedenken

Und größtmögliche Sicherheit wird bei dem geplanten Endlager  nötig sein: Insgesamt muss das Lager ein Fassungsvermögen von knapp 10.000 Tonnen Atommüll besitzen. Die sechs Blöcke der AKWs Temelín und Dukovany werden bis zum Bau des Endlagers zwar nur 3.500 Tonnen radioaktive Abfälle produzieren. Doch Tschechien plant einerseits eine Laufzeitverlängerung der AKWs von 40 auf 60 Jahre und andererseits den Bau drei weiterer Reaktorblöcke. Dadurch ergeben sich die 10.000 Tonnen, für die das Endlager ausgelegt sein muss.

Landesrat Anschober bezweifelt die Sicherheit eines solchen Endlagers: „In Deutschland geht man von etwa einer Million Jahren aus, in denen das Endlager Sicherheit vor der radioaktiven Strahlung bieten muss. Das ist in Wirklichkeit unmöglich.“ Denn ein Blick in die Geschichte zeige, was im Laufe einer solch langen Zeitspanne passieren könne, sagt Anschober.

Viel weniger weit zurück liegt ein Ereignis, das für die Auswahl des Standorts eigentlich von Bedeutung sein müsste: „1590 gab es in Neulengbach ein großes Erdbeben, wovon auch das Gebiet um Temelín betroffen war. Die Betrachtung der Erdaktivitäten begann beim Standort Temelín-Süd aber erst zwei Jahre später, 1592“, sagt Energie-Experte Sequens. Für Anschober ein Zeichen, dass die Wahl des Standorts am Ende keine Frage der Sicherheit, sondern eine rein politische Entscheidung sein wird.


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