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Stefan Hainzl: „Ich bin zu 98 Prozent der, der ich vor dieser Krankheit war“

Nora Heindl, 30.03.2022 17:01

OTTENSHEIM. Während der Vierschanzentournee 2008 treten bei ÖSV Teamarzt Stefan Hainzl plötzlich Probleme am linken Auge auf. Zehn Tage später erhält er die Diagnose Multiple Sklerose. Er tritt den Kampf gegen die Krankheit an und gewinnt. Sein Buch „Comeback – Mein Weg zurück ins Leben“ ist ein Mutmacher für all jene, die sich dem Schicksal stellen wollen, selbst wenn es als unheilbar gilt.

Heute lebt Stefan Hainzl beinahe beschwerdefrei. (Foto: GregorHartl.at)
  1 / 4   Heute lebt Stefan Hainzl beinahe beschwerdefrei. (Foto: GregorHartl.at)

Seit 2005 ist Stefan Hainzl ÖSV Teamarzt der Nordischen Kombinierer und Skispringer und natürlich auch bei der Vierschanzentournee dabei. Als er den 2. Jänner 2008, den Ruhetag zwischen dem Neujahrsspringen in Garmisch und dem Springen in Innsbruck, zum Langlaufen nutzt, treten beim Ottensheimer plötzlich Probleme am linken Auge auf. „Ich habe nur noch alles verschwommen und komische Ringe gesehen, die nicht mehr weggegangen sind“, erzählt der Allgemeinmediziner. Zehn Tage später erhält er die Diagnose Multiple Sklerose.

„Mir ist es am Anfang psychisch viel schlechter gegangen als physisch. Bis auf die Einschränkungen am Auge hatte ich ja nichts.“ Hinzukamen unfassbare Existenzängste, denn Hainzl hatte gerade 52.000 Euro in eine eigene Praxis gesteckt, die er im Frühjahr 2008 in seinem Elternhaus in Ottensheim dann auch eröffnete.

Schleichender Verlauf

Hainzl beginnt mit hochdosierten Kortison-Infusionen. Physisch geht es ihm anfangs weiter gut. Mit der Zeit kommen Sensibilitätsstörungen und motorische Probleme am linken Bein hinzu. Zehn Jahre kämpft er sich so dahin, erlebt weitere Schübe und macht schulmedizinische Therapien.

Zu arbeiten hört er nie auf, verbirgt die Symptome so gut es geht. „Ich habe eine Familie und hatte einen Kredit für meine Praxis aufgenommen, ich musste Geld verdienen. In der Arbeit ist es mir zu Beginn auch immer am besten gegangen, ich bin zusätzlich noch Nachtdienste gefahren.“

Tiefpunkt im Jahr 2018

Seinen Tiefpunkt erlebt Hainzl während den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea: „Ich habe mein linkes Bein nicht mehr nach vorne gebracht, hatte Gleichgewichtsprobleme, mein Auge wurde immer schlechter und ich hatte mit extremer Müdigkeit zu kämpfen.“

Zurück in der Praxis spricht ihn ein Patient an. „Er meinte, ich würde echt nicht gut ausschauen. Das war ich nicht gewohnt, dass ein Patient den Arzt fragt, was los ist.“ Nur indirekt erzählt er von seinem Problem mit dem Bein, die Wahrheit verschweigt er. Generell weiß kaum jemand von seiner Krankheit, auch nicht im Skiverband. Der Patient verschafft ihm einen Termin im Orthopädischen Spital Speising. „Es kam aber schnell auf, dass ich kein orthopädisches Problem habe, sondern ein neurologisches. Die drei Tage haben mir aber dahingehend geholfen, dass ich erstmals Zeit hatte, mich mit meiner Krankheit auseinanderzusetzen. Schwer zu glauben, aber nach zehn Jahren habe ich zum ersten Mal MS bei Google eingegeben.“

Sein Weg zurück ins Leben

Der gebürtige Linzer stößt auf die alternative Behandlung eines brasilianischen Neurologen mittels hochdosierter Vitamin D-Kur. Innerhalb von vier Wochen bemerkt der Ottensheimer Verbesserungen. „Die motorischen Einschränkungen blieben lange gleich, auch die Probleme mit dem Auge, aber mir ging es insgesamt viel besser, weil die Müdigkeit weg war.“ Sein Kampfgeist war geweckt und der Mediziner probierte weiter. Bis heute ernährt er sich rein pflanzlich und glutenfrei, zudem macht er Achtsamkeitstraining.

„Im Jänner 2020, das habe ich in meinem Kalender notiert, bin ich erstmals wieder acht Kilometer am Stück gelaufen, ohne stehen bleiben zu müssen. Heute laufe ich wieder meine 15 Kilometer in schnellem Tempo, spiele Tennis und führe ein uneingeschränktes Leben. Ich bin zu 98 Prozent der, der ich vor dieser Krankheit war.“

Sein Schicksal als Buch

Sein Schicksal hält er in seinem Buch „Comeback – Mein Weg zurück ins Leben“ fest, das sich innerhalb eines Monats bereits über 3.000 Mal verkauft hat. „Ich bekomme jeden Tag Mails von Menschen, die nicht unbedingt MS haben, aber eine andere Krankheit, denen mein Buch Kraft und Mut gegeben hat. Das war zwar der Grund, warum ich es geschrieben habe, aber dass es in diesem Ausmaß passiert, hätte ich nie gedacht“, freut sich Hainzl.


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