Vom Tierarzt (35) aus Rumänien, Kühen im Mühlviertel und einer Hausapotheke in Altenberg
ALTENBERG. Er kommt ursprünglich aus Rumänien, wohnt seit fünf Jahren in Altenberg, hat eine Vorliebe für Sport und Fotografie: Tierarzt Valentin Gavrilovici (35). Der verheiratete Familienvater, der in Rumänien Veterinärmedizin magna cum laude (Anmerkung der Red.: „Sehr gut“) studiert hat, berichtet anlässlich des bevorstehenden Welttierschutz-Tages (Freitag, 4. Oktober) über die seine Tätigkeit, die Herausforderungen im Job und warum er so gern Tierarzt im Mühlviertel ist.
„Ich wurde in Rumänien geboren, bin dort aufgewachsen und habe dort studiert. Seit zehn Jahren lebe ich nun in Österreich, zuerst in Tirol und jetzt seit fünf Jahren in Altenberg bei Linz“, so der 35-Jährige. Ordination, Praxis oder Klinik hat er zwar selbst keine, dafür aber eine Apotheke samt Büro. „Ich habe auch keine Website, sondern nur eine WhatsApp-Gruppe mit all jenen Bauern, die meine Kunden sind. Dort poste ich Updates zu meinem Geschäft, aber auch Neuigkeiten aus der Branche, neue Vorschriften, informative Videos oder Zusammenfassungen aus den Webinaren und Kursen, an denen ich teilnehme und von denen ich denke, dass sie auch profitieren würden.“
Ein normaler Arbeitstag beginnt damit, dass die Bauern ab 07 Uhr bei ihm anrufen. „Von 08 bis 09 Uhr habe ich Apothekenzeit. Ab 09 Uhr fahre ich dann aufs Land, um meine Besuche zu machen. Normalerweise beende ich die Besuche gegen 13 Uhr. Dann habe ich von 13 bis 16 Uhr Pause. Ab 16 Uhr bis 19.30 Uhr mache ich wieder Besuche vor Ort, und am Ende, bis 20 Uhr, habe ich wieder Apothekenzeit“, klärt Gavrilovici auf, der 12 Tage am Stück arbeitet und dann zwei Tage frei hat. „Außerhalb der regulären Arbeitszeiten muss man immer „on call“ sein. Jedes Mal, wenn ein Notfall eintritt, egal ob es Mitternacht oder 05 Uhr morgens ist, muss man verfügbar sein und losfahren, um das Problem zu lösen. Ich mache da keine Ausnahme“, betont der 35-Jährige.
Nutztiere als Patienten: „Hauptsächlich Kühe, aber auch Schweine, Schafe und Ziegen“
Wer sind denn seine Patienten? „Ich behandle nur Nutztiere, hauptsächlich Kühe, fast 90 Prozent, aber auch Schweine, Schafe und Ziegen. Die Bauern rufen mich an, und ich fahre zu den Höfen, um die Tiere dort vor Ort zu behandeln. Ich habe in meiner Obhut Bauernhöfe rund um und in Altenberg - etwa Reichenau Alberndorf, Gallneukirchen, Engerwitzdorf, Haibach oder Hellmonsödt“, so der Landtierarzt.
Was Gavrilovici dabei so alles macht? „Alles, was mit dem Tier ab dem Zeitpunkt seiner Geburt zu tun hat, einschließlich der Assistenz bei schwierigen Geburten. Die Hauptprobleme bei Kälbern sind Atemwegs- und Verdauungsprobleme. Bei der Mutterkuh umfassen meine Aufgaben die Vorbereitung auf eine neue Trächtigkeit, künstliche Besamung, Trächtigkeitskontrollen, Stoffwechselkrankheiten und am Ende die Assistenz bei der Schlachtung sowie die Fleischkontrolle nach der Schlachtung“, gibt der 35-Jährige einen kurzen Einblick in seine Tätigkeit.
Welchen Stellenwert die Tiere für ihn haben? „Abgesehen davon, dass Tiere mein ,Arbeitsobjekt´ sind und mir helfen, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, waren sie von Anfang an Teil meiner Kindheit. Im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass ich nicht möchte, dass sie leiden. Tiere sind Gottes wunderschöne Schöpfung und selbst wenn der Mensch dazu bestimmt ist, sie zu besitzen und zu wachsen, erkannte ich, dass sie die gleiche Liebe, Fürsorge und Verständnis wie Menschen verdienen.“
Und was es für ihn bedeutet, Landtierarzt zu sein? Für ihn sei es eine Berufung, „die ich seit meiner Kindheit habe, da ich ebenfalls auf dem Land geboren wurde. Meine Eltern hatten einen Milchviehbetrieb und ich bin mit Tieren aufgewachsen. Der Unterschied ist jetzt, dass ich heute der Arzt bin und nicht nur einen spiele“, sagt Gavrilovici schmunzelnd. Abgesehen davon liebe er die Mühlviertler Landschaft: „Ich kann die Natur genießen, entspannen und eine bessere Work-Life-Balance haben. Wir sind hier gesegnet - haben gute Nachbarn und sind von einer erstaunlichen Landschaften umgeben.“
Von der Rettung eines Pferdes mit dem Hubschrauber bis hin zum Einschläfern von Tieren am Bauernhof
Seine schönsten Erlebnisse als Tierarzt? „Die Erfahrung, die ich nie vergessen werde, war zu Beginn meiner Karriere in Tirol, als ich mit dem Hubschrauber fliegen musste. Ein Pferd war zwischen zwei Felsen am Großglockner festgesteckt, hoch oben in den Bergen. Das Tier musste sediert werden, damit wir es mit dem Hubschrauber, da es an den Beinen verletzt war, vom Berg hinunterfliegen konnten. Aber jedes Mal, wenn man es schafft, ein Tier zu retten, besonders bei einer schwierigen Geburt, und man sieht, dass am Ende das Kalb gerettet ist und die Kuh lebt, freut sich der Bauer - und ich mich selbst auch“, erzählt der heute in Altenberg lebende Tierarzt.
Ob es auch schon schreckliche Erfahrungen gab? „Ich versuche mich am Ende des Tages emotional von all den negativen Erlebnissen zu distanzieren, aber sie bleiben dennoch in meinen Gedanken. Es kommt vor, dass ein Bauer sagt, es sei das beste Tier in meinem Betrieb, und du versuchst alles Menschenmögliche, es zu retten, und am Ende schaffst du es doch nicht. Die einzige Option ist dann die Euthanasie. Oft kommt es vor, dass das Tier, obwohl du es retten kannst, als Produktionstier nicht mehr produktiv ist. Für den Bauern bringt es keinen Nutzen mehr auf dem Hof und muss zur Schlachtung geschickt werden. Wenn es ein Haustier wäre, könnte es ohne Probleme weiterleben, aber es produziert oder reproduziert nicht mehr. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es der Kreis des Lebens ist, aber es wird nie einfacher, dem Tod Sinn zu geben, da niemand Gott spielen sollte“, berichtet Gavrilovici aus seinem Alltag.
Herausforderungen in dem Job
„Hier gibt es viel zu sagen. Erstens ist die größte Herausforderung der Mangel an Arbeitskräften. In den letzten Jahren gibt es immer mehr weibliche Studierende. In Österreich gibt es nur eine Universität, und zwar in Wien. Um die Dinge ins rechte Licht zu rücken, haben wir in Rumänien vier Unis. Die meisten Absolventen spezialisieren sich auf Kleintiere, Pferde oder bleiben in der Forschung. Es gibt nur sehr wenige, die sich für Nutztiere entscheiden, und diejenigen, die es tun, arbeiten wie ich in einem großen Gebiet, was wenig Freizeit und ständige Verfügbarkeit bedeutet. Zum Beispiel, wenn man selbständig ist - man kann keinen Krankenstand nehmen oder im Homeoffice arbeiten, wie in anderen Berufen“, spricht der Tierarzt aus Erfahrung. „Zudem kämpfen wir mit dem System und der Bürokratie, wie in jedem anderen Bereich, und verlieren viel Zeit mit der sorgfältigen Dokumentation jedes Schrittes, den wir vor Ort machen. Bitte nicht falsch verstehen, Vorschriften und ordnungsgemäße Dokumentation hat viele Vorteile, aber manchmal kann man deutlich sehen, dass die „Experten“ die Gesetze machen und mehr und mehr Papierkram verlangen, oft nicht auf dem Gebiet gearbeitet haben und ihr Leben hinter einem Schreibtisch verbringen, ohne wirklich zu wissen, was der Job fordert“, sagt Gavrilovici.
Ein Leben ohne Tiere, wär das für ihn überhaupt denkbar? „Beruflich gesehen, ja, ich kann mir ein Leben ohne Tiere vorstellen, da ich gerne lerne und mich leicht umorientieren könnte. Aus praktischer Sicht ist jedoch eine Welt ohne Tiere nicht möglich, da dies ein Ungleichgewicht im Ökosystem, in der Natur und in der Gesundheit aller Lebewesen verursachen würde. Tiere, von den kleinsten bis zu den großen Nutztieren und Wildtieren, Vögeln und so weiter, haben alle eine klar definierte Rolle, und wir haben zu viele Beispiele dafür, was passieren kann, wenn Arten aussterben“, hält Gavrilovici fest. Er selbst hat keine Haustiere mehr: „Aber meine Kinder wünschen sich schon immer einen Hund. Eines Tages wird sich dieser Wunsch auch erfüllen.“
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