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Roland Schamberger: „Ich achte den Täter, aber verachte seine Tat“

Andreas Hamedinger, 17.04.2020 08:56

FELDKIRCHEN. Die Corono-Pandemie fordert Familien besonders. Roland Schamberger, Gewaltpädagoge sowie Anti-Mobbing-Experte aus Feldkirchen gibt Tipps, wie man mit der Ausnahmesituation fertig wird.

Roland Schamberger  Foto: Schutzengel e.V
Roland Schamberger Foto: Schutzengel e.V

Tips: Wie sollten Familien mit dem Geschehen umgehen?

Schamberger: Wichtig in dieser aktuellen Situation ist Selbstbestimmtheit, Selbstorganisation und Strukturierung im Alltag. Meine Empfehlung ist, jeden Tag mit einer Befindlichkeitsrunde zu starten, viel miteinander zu kommunizieren, sich gegenseitig Sicherheit zu vermitteln, was aufgrund der Berichterstattungen eine große Herausforderung ist. Sich selbst zu organisieren ist für jemanden, der die letzten Jahrzehnte einen geregelten und bestimmten Arbeitsablauf hatte, nicht ganz einfach. Das kann auch schnell mal in einer Überforderung oder Hilflosigkeit enden. Aufgrund meiner Tätigkeit und Erfahrung kann ich sagen, dass Selbstreflexion die mitunter größte Herausforderung darstellt. Über Gefühle zu reden ist für manche undenkbar und sehr schwierig, was ebenfalls wieder in einer Hilflosigkeit enden kann.

Tips: Stundenlang die Zeit miteinander verbringen. Ein Gedanke, der normalerweise schön ist. Warum kommt es dennoch zu Problemen?

Schamberger: Neue Medien und Kapitalismus haben uns die Fähigkeit des miteinander Redens und die Empathie vernachlässigen lassen. Kommunikation bedeutet nicht einfach nur zu reden, sondern vor allem auch zuhören zu können. Die Gefühle meines Gegenübers, mit dem wir jetzt mehr Zeit verbringen müssen, zu lesen, zu erkennen und zu deuten, kann manche wieder in Hilflosigkeit versetzen. Eine meiner erfolgreichsten Methoden um Empathiefähigkeit zu trainieren ist das sogenannte Facecoaching, das funktioniert auch bei Kindern sehr gut. Kommunikation bedeutet nicht den ganzen Tag zu sprechen, sondern auch aktives Zuhören. Nach dem Motto: „Die Botschaft entsteht beim Empfänger“.

Tips: Wie soll man mit Konflikten umgehen?

Schamberger: Ein Konflikt ist ein produktiver Zustand, man muss ihm nur den Beigeschmack einer Katastrophe nehmen. Jeder vermeintlich noch so kleine Konflikt sollte zum Thema gemacht werden. Allerdings sollte der Ablauf wie folgt sein: Was war der Auslöser für den Konflikt? Welche Gefühle hat der Konflikt bei mir ausgelöst? Was habe ich aus diesem Konflikt gelernt? Was werde ich das nächste Mal anders machen? Somit haben wir mit jedem Konflikt die Möglichkeit neue Ressourcen zu entwickeln und auszuprobieren. Ressourcenkompetenz ist das Zauberwort gegen häusliche Gewalt. Wenn wir darauf achten, dass ein Konflikt nicht zur Eskalationsspitze führt, sollten wir dankbar sein für jeden Konflikt, den wir miterleben dürfen.

Tips: Gerade kleine Kinder verstehen die Situation nicht. Was raten sie Eltern jetzt?

Schamberger. Wie schon Karl Valentin sagte: „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns ohnehin alles nach.“ Nach diesem Motto sollten wir den Alltag mit unseren Kindern gestalten. Im Zuge meiner Anti-Mobbing-Workshops in Schulen versuche ich sowohl den Lehrkräften als auch den Eltern zu vermitteln, dass wir alle Vorbilder für unsere Kinder sind. Was nicht heißt, dass wir keine Fehler machen dürfen, aber zu diesen Fehlern auch stehen sollten. Das macht uns menschlich greifbar und authentisch. Verlangen Sie von ihren Kindern nichts, was sie nicht selbst auch machen würden. Vertrauen Sie Ihren Kindern. Gewalt hat immer etwas mit Vertrauen, Gefühlen, Sicherheit und Beziehung zu tun.

Der Auslöser von Gewalt in Hilflosigkeit 

Tips: Was ist, wenn der berühmte Dampfkessel kurz davor ist zu explodieren. Was raten sie dann?

Schamberger: Ja, der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das kann passieren, wenn Konflikte nicht zum Thema gemacht werden. Dazu kann es helfen herauszufinden, welcher Eskalations-Typ mein Gegenüber ist. Wir unterscheiden zwischen Aktiv- und Passiv-Eskalierer. Aus der Praxis kann ich behaupten, dass sich durch das Analysieren von Eskalations-Typen sehr viel an Gewalt vermeiden lässt. Grundsätzlich gilt zwischen Aggressionen und Gewalt zu unterscheiden, denn das ist nicht dasselbe. Ich mache das bei meinen sehr gewaltbereiten Jugendlichen mit einer Metapher. Ich teile die Aggressionen in eine Gebirgslandschaft, beginnend mit einer grünen Wiese. Die nächste Ebene sind Wälder, eine weitere Ebene Felsen, eine weitere Ebene Gletscher, Schnee und Eis, und die Spitze der Aggression ist das Gipfelkreuz. Im Zuge einer erfolgreichen Selbstreflexion in Kombination mit vorhandenen Ressourcen und zu wissen welcher Eskalations Typ man selbst ist, kann jeder vermeiden zu „explodieren“.

Tips: Was ist der Grund von Gewalt in der Familie?

Schamberger: Der Auslöser von Gewalt ist immer die Hilflosigkeit. Hilflosigkeit entsteht durch die Vermischung von Angst, Trauer, Wut, Freude, Sicherheit und Hass. Ich persönlich halte sehr viel von gewaltfreier Kommunikation und Gefühlsarbeit. Nutzen Sie die Zeit zu Hause mit Ihrer Familie um über Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen, versuchen Sie in der „Ich“ Sprache und nicht in der „Du“ Sprache zu kommunizieren. Leider gibt es kein Allheilmittel und kein Handbuch gegen Gewalt. Für manche ist Gewalt – welche übrigens nicht angeboren ist, sondern erlernt werden muss – leider nach wie vor eine Lösung. Diesen Personen kann ich nur sagen: „Ich achte den Täter, aber ich verachte seine Tat.“ 


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