Kulturprojekt: Das Frankenburger Würfelspiel wandert aus
FRANKENBURG. Mit einem ganz besonderen Projekt überbrücken die Frankenburger Würfelspieler die spielfreie Zeit bis zu den nächsten Aufführungen im Gedenkjahr 2025: Eine Hundertschaft an Darstellern wird im August in die Oberpfalz reisen, um dort in historischem Ambiente ein Gastspiel zu geben.
Die stolze, reichsfreie Herrschaft Sulzbürg, gelegen zwischen Regensburg und Nürnberg, erlebte im frühen 17. Jahrhundert eine schwere Krise: Der Dreißigjährige Krieg hatte das Dorf verwüstet, die Pest die Bevölkerung dezimiert. Nur sechs Häuser blieben unversehrt. Wer sollte nun die Felder bestellen und das Handwerk betreiben?
Hilfe kam in Form protestantischer Glaubensflüchtlinge aus Oberösterreich. Dank der weltoffenen Wolfsteiner Grafen fanden sie hier eine neue Heimat. Die Exulanten belebten Sulzbürg wirtschaftlich, kulturell und sozial und machten es bald wohlhabender als seine Nachbarn. Im Laufe der Jahre siedelten sich 300 Familien an, und Sulzbürg wurde zu einem Ort, in dem katholische, protestantische und jüdische Familien harmonisch zusammenlebten – bis ins 20. Jahrhundert.
Noch heute zeugt der Begriff „Landler“ von diesem Erbe, geprägt von Stolz auf Glaubenstreue und Mut zum Neubeginn. Das „Frankenburger Würfelspiel“ erinnert daran, wie diese Fluchtbewegung begann und markiert den Ursprung der Exulanten-Geschichte.
Aufführung am Sulzbürger Schloßberg
Auf dem Sulzbürger Schloßberg, dort, wo einst das Grafengeschlecht der Wolfsteiner herrschte, befinden sich nunmehr zwei Kirchen: eine evangelische und eine katholische. Dazwischen überragt eine mächtige Linde eine große Wiese. Diese wird sich Ende August in eine Bühne verwandeln. Tribünen werden errichtet, um jeweils 400 Zuschauern ein besonderes Schauspiel zu ermöglichen. Die Würfelspielgemeinde Frankenburg am Hausruck reist mit 110 Darstellern an und wird am Samstag, 31. August 2024 zwei vollständige Aufführungen des „Frankenburger Würfelspiels“ darbieten.
Für Gastgeber und Gäste ist dieses Projekt ein Jahrhundertereignis: Viele Zuschauer sind Nachfahren jener, die einst ihre Heimat im „Landl ob der Enns“ verließen, um anderswo ihren Glauben in Frieden zu leben. Für sie markiert das „Würfelspiel“ den Beginn ihrer Exilgeschichte, die durch den oberösterreichischen Bauernkrieg und den folgenden „Exodus“ der Protestanten ausgelöst wurde. Das Freilufttheater bringt diese Episode wieder in Erinnerung, während es gleichzeitig ein ökumenisches Zeichen der Versöhnung zwischen den Konfessionen setzt. Für die Frankenburger ist es zudem historisch bedeutend, da das Stück erstmals außerhalb ihrer Heimatbühne aufgeführt wird – eine seltene Ehre für die Vorfahren, die einst ins Exil gingen.
Begegnung zwischen Nachfahren und Gästen
Neben den beiden ausverkauften „Würfelspiel“-Aufführungen wird es auch ein Rahmenprogramm geben, das die Bedeutung widerspiegelt, das dieses Gastspiel für Sulzbürg hat. Nach den Aufführungen soll ein Abend der Begegnung die Möglichkeit zu Gesprächen zwischen den Nachfahren der Exulanten und den Gästen geben. Am Sonntag wird am späten Vormittag ein Freundschaftsgottesdienst unter freiem Himmel gefeiert, zu dem der Frankenburger Pfarrer eigens anreisen wird. Im Zuge der Feierlichkeiten wird es in der Gruft der Wolfsteiner zu einer Kranzniederlegung kommen.
Weiters ist die Enthüllung eines Gedenksteins im Evangelischen Friedhof geplant. Die Frankenburger bringen als Gastgeschenk drei Landlbirnbäume mit, die an verschiedenen Plätzen in Sulzbürg gepflanzt werden und deren Früchte dort den Fortbestand des Mostmachens sichern sollen. Der bayerische Finanz- und Heimatminister Albert Füracker ist Schirmherr des Wochenendes und wird dort auf Oberösterreichs Landtagspräsident Max Hiegelsberger treffen.
Darum wandert das Würfelspiel aus
Das letzte August-Wochenende 2024 soll nicht nur der Geschichte, sondern auch der Zukunft gewidmet sein. Das Gastspiel zielt darauf ab, einen „blinden Fleck“ im Geschichtsbewusstsein der Oberösterreicher zu beseitigen: Kaum jemand weiß, dass 250 Kilometer nördlich Menschen leben, die sich stolz als „Landler“ und damit als „Oberösterreicher“ betrachten. Die Geschichte der Protestanten, die nach den Bauernkriegen nach Norden auswanderten, ist weitgehend unbekannt. Während die „Landler“ in Siebenbürgen bekannt sind, bleibt die Geschichte der „Landler“ in der Oberpfalz nahezu unerzählt. Das soll sich durch verstärkte Kontakte, Besuche, Gegenbesuche und möglicherweise eine Gemeindepartnerschaft ändern. Ein weiteres Ziel ist es, das „Landlertum“ in und um Sulzbürg lebendig zu halten. Es liegt im Interesse Oberösterreichs, dass diese historische Verbindung nicht nur im Museum endet, sondern in die Zukunft weitergetragen wird.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden