ATTNANG-PUCHHEIM. Die sexuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung oder mit psychischen Beeinträchtigungen werden weithin totgeschwiegen. Jürgen Kirchgatterer und Silke Mairinger versuchen nun, mit einem neuen Konzept dieses Tabu aufzubrechen.
Wenn die Inklusion von Menschen mit Behinderungen thematisiert wird, denken die meisten an die Schaffung von Arbeitsplätzen oder einem möglichst freier Zugang zu Bildung. „Aus meiner beruflichen als auch privaten Erfahrung kann ich behaupten, dass viele Grundbedürfnisse von psychisch oder physisch beeinträchtigten Menschen abgedeckt sind. Das Ausleben der Sexualität wird jedoch vielfach tabuisiert. In meinen Augen ist das aber genauso ein Grundbedürfnis, sogar ein existentiell Wichtiges. Mit 'Pimp your Doll' möchten wir nun Menschen mit Beeinträchtigung die Möglichkeit geben, dieses Bedürfnis auszuleben“, schildert Jürgen Kirchgatterer, Fachbetreuuer für psychsoziale Dienste und Streetworker.
Puppenhaus der anderen Art
„Pimp your Doll“ ist ein „Puppenhaus der anderen Art“. Dabei sollen lebensechte Puppen aus hochwertigem medizinischem Silikon, beiderlei Geschlechts, in separaten Räumen zum Ausleben sexueller Handlungen oder Phantasien gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Die Räumlichkeiten und Sanitäranlagen werden in einer hygienischen und exklusiven Atmosphäre ausgestattet. Nach jedem Kontakt werden die Puppen vom Personal geduscht und fachmännisch gereinigt.
Puppen bewerten nicht
Jürgen Kirchgatterer hat in seiner beruflichen Laufbahn oft versucht, Menschen mit Beeinträchtigung in ihrer sexuellen Selbstbestimmtheit zu unterstützen. Teilweise gab es dabei rüde Zurückweisungen, wie er schildert: „Für einen jungen Mann, der aufgrund eines Unfalls im Rollstuhl sitzt, habe ich einmal eine Fahrt in ein Laufhaus organisiert. Dort wurde er von einer Mitarbeiterin auf eine ausgesprochen unsensible Art persönlich angegriffen. Darum kam uns die Idee mit den Puppen - denn: Puppen bewerten nicht und haben keine Berührungsängste.“
Viel Zuspruch von Behörden und Bevölkerung
Die Idee ist neu und ungewöhnlich, weshalb etliche Behördengänge notwendig waren. Das Team plant, mit einem Standort in Attnang-Puchheim zur starten. Silke Mairinger berichtet sehr positiv: „Es gab keinerlei Gegenwind aus der Bevölkerung, im Gegenteil nur Befürwortung und Zuspruch. Auch die Behörden waren von unserem Projekt begeistert und sehr bemüht, uns zeitnah Auskunft und Genehmigungen zu erteilen.“
Großes Interesse von Menschen mit Beeinträchtigungen
Das Team hat in verschiedenen Wohngruppen von beeinträchtigen Menschen nach dem Interesse gefragt und dort war die Resonanz durchwegs positiv und euphorisch. Das Interesse an dieser neuen Dienstleistung ist jedenfalls groß und breit gefächert. Sollte eine vertraute Umgebung bevorzugt werden, können sich Interessierte auch eine der Puppen nach Hause liefern lassen.
Start im März 2023
Im „Puppenhaus der andren Art“ werden zwei bis drei Assistenten arbeiten, die aus der Pflege oder der Behindertenarbeit kommen. Jedoch sind auch Quereinsteiger erwünscht, die vom Team fachkundig angelernt werden. Das Projekt wird voraussichtlich im März 2023 starten.
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