Die bewegte 200-jährige Geschirrtradition Wilhelmsburgs lebt im Geschirr-Museum fort
WILHELMSBURG. Das Dorf- und Stadterneuerungsprojekt Wilhelmsburger Geschirr-Museum feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass sind neben der Teilnahme am Museumsfrühling Niederösterreich die Eröffnung einer Sonderausstellung sowie die Kreativwoche für Kinder „Kinderunikunst“ geplant.
Die Anfänge der Geschirrproduktion in Wilhelmsburg gehen auf das Jahr 1795 – die Epoche der frühen Industrialisierung – zurück. 1883 übernahm nach mehreren Besitzerwechseln die jüdische Kaufmannsfamilie Lichtenstern den Betrieb. Mit den neuen Eigentümern erlebte die Fabrik einen großen Aufschwung und wurde auf die heutige Größe ausgebaut. Während des Zweiten Weltkriegs emigrierte die Familie in die USA und benannte sich in Lester um.
Nach dem Krieg kehrte Conrad Henry Lester, der vorher Kurt H. Lichtenstern hieß, in Los Angeles Germanistik studiert hatte und selbst auch in weiterer Folge als Professor unterrichtete, in seine alte Heimat zurück und führte den Betrieb noch einige Jahrzehnte weiter. Ihm ist auch der amerikanische Einfluss in den Designs der Keramik-Produktion zu verdanken. Ein großer Hit, der Kultstatus erreichte, war das pastellfarbene, von einfacher Form geprägte Geschirr „Daisy“. Erfolgreich – wenn auch nicht im selben Ausmaß wie Daisy – waren die Formen „Corinna“, „Dora“ und „Dolly“, die auch im Museum ausgestellt sind.
Umbau der Winckhlmühle zum Museum
„Der Verein Wilhelmsburger Geschirr-Museum wurde im Jahr 2007 im Zuge des Dorf- und Stadterneuerungsprojekts gegründet“, erzählt Museumsgründer Manfred Schönleitner, der Obmann des Vereins. Die über 200-jährige Geschirrtradition ist für ihn untrennbar mit der Entwicklung der Stadt Wilhelmsburg verbunden. Von 2006 auf 2007 war die alte Winckhlmühle zum heutigen Geschirr-Museum umgebaut worden, wobei der Großteil der Umbaukosten aus Privatmitteln finanziert wurde. Als Hauptsponsor des Museums ist seit Anbeginn die Schlosserei Schönleitner mit im Boot.
Tausende ehrenamtliche Stunden haben die Vereinsmitglieder in den vergangenen zehn Jahren geleistet, um den Museumsbetrieb zu ermöglichen. Dies wurde bereits von verschiedenen Institutionen entsprechend gewürdigt: Im Oktober 2009 bekam das Geschirr-Museum das Österreichische Museumsgütesiegel verliehen, das 2014 verlängert wurde. Die beiden Highlights in der Vereinsgeschichte sind die Überreichung des Bundesehrenzeichens der Republik Österreich an die Vereinsmitglieder Johanna Kräftner und Manfred Schönleitner im Jahr 2012 sowie der Anerkennungspreis beim Österreichischen Museumspreis im Jahr 2014.
Zusammenarbeit mit New Design University
2015 wurde im ehemaligen Geschirr-Magazin das Steingut Schaudepot eröffnet. Die große Sammlung des etwa 100 Jahre alten, in Wilhelmsburg produzierten Keramikgeschirrs wurde von dem St. Pöltner Sammler Berndt Kirsch aufgebaut, der die Stücke über 40 Jahre lang auf Flohmärkten erstanden hatte. Seit 2016 hat das Geschirr-Museum eine enge Zusammenarbeit mit der New Design University (NDU) St. Pölten. „Studenten, die sich mit Design befassen, haben hier die Chance, das Steingut Schaudepot für ihre Studienzwecke zu verwenden“, berichtet die wissenschaftliche Leiterin Martina Fink. Die einstige Glasuraufbereitung wurde Ende 2015 zu einem Keramik-Studio umgebaut, das ebenfalls von den Studenten genutzt wird.
Beim Museumsfrühling im Mai wird eine Schauproduktion veranstaltet und die NDU-Absolventin Silvia Stocker die Sonderausstellung „G“Spritzt. – Wilhelmsburger Dekore mit Schablone und Spritzpistole“ eröffnen. Weitere Programmpunkte sind noch in Ausarbeitung, unter anderem plant der 2016 gegründete Freundeverein ein Künstler-Symposium. Das zukünftige Ziel der Museumsleitung ist es, in den historischen Räumlichkeiten eine kleine Schauproduktion einzurichten. Die einstige Werksküche soll zu einem Vortrags- und Veranstaltungssaal umgebaut werden.
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