Selbstversorger: „Das ist für uns die Vorstellung eines richtigen Lebens“
SCHLOSS ROSENAU. Die Bundesstraße verlassen und scharf links abbiegen, so hieß es. Die Fahrt führt über verschneite Winterwege bergauf, mehr und mehr in Richtung Wald, wiederum eine kleine Abzweigung. Nur ganz leicht zeichnet sich ein Weg ab. Und plötzlich kann man eine Pferdekoppel erahnen, ein roter Postkasten weist auf eine Red Oak Ranch hin. Und tatsächlich, nach einigen Metern taucht ein idyllischer kleiner Hof auf. Und hinter dessen blauer Fassade steckt viel mehr, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten mag.
„Es ist nicht einfacher oder gar bequemer aus dem Wirtschaftskreislauf auszusteigen, aber man macht alles mit einem besseren Gefühl“, schmunzelt Gregor Hronicek. Er zog mit seiner Frau Marianne im Frühjahr 2006 auf den ehemaligen Hacklhof, einem jahrhundertealten Bauernhof. Ihr Lebenstraum: Eine nachhaltige, möglichst autarke Lebensweise im Einklang mit der Natur. Dazu gehört für die beiden die Selbstversorgung, von den Nahrungsmitteln bis hin zum Strom. Der Hof mit den neun Pferden, den Schafen, Hühnern, Enten, Katzen, dem Hund Amy und einem Bienenvolk ist ihr Lebensinhalt. „Lebensqualität bedeutet für mich ein gutes Essen haben zu können, zu wissen, wo dieses den Ursprung hat. Und auch den Tag selber einzuteilen und damit ein Stück weit Freiheit zu genießen“, meint die 35-Jährige. Unabhängigkeit und auch das Gefühl von Versorgungssicherheit, das sei gerade in solch instabilen Zeiten von unschätzbarem Wert.
„Jede Arbeit, die wir machen, hat einen direkten Sinn für uns. In einem Büro zu sitzen und darauf zu warten, dass der Tag vergeht, das wäre für mich eine absolute Horrorvorstellung“. (Gregor Hronicek)
Der große, selbst angelegte Garten wird nach permakulturellen Prinzipien bewirtschaftet, daraus ergehen eine Vielzahl an bunten Gemüsesorten. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie man auf ganz natürliche Weise und mit relativ geringem Aufwand eine so tolle Ernte erlangt, ohne sich über Parasiten und dergleichen zu ärgern“, freut sich Marianne. 21 Obstbäume wurden alleine im vergangenen Jahr gepflanzt, ein Fixpunkt im Herbst: das „Mostln“.
Fleisch und Milch vom Hofe
Milch, Butter, Käse und Topfen kommt von den eigenen Schafen, Gänse und Hühner liefern die Eier. Geschlachtet wird je nach Bedarf am Hof. „Unsere Tiere haben ein wunderschönes Leben, mit einem kurzen würdevollen Tod ohne Transportstress“, spricht die Tierliebhaberin die Unterschiede zum Fleisch im Supermarkt an. Die eigenen Produkte haben im Gegensatz zur industriellen Nahrung eine „besondere Energie“, sie werden auf der Ranch mit viel „Gusto“ bewusst genossen: „Wenn ich ein kleines Stück unseres Schaffleisches esse, bin ich hinterher angenehm satt, beim riesen Schnitzel im Wirtshaus habe ich stets das Gefühl, es fehlt irgendwas“, meint Marianne. Die heute vielfach praktizierte Verschwendung von Lebensmittel ist den beiden ein Dorn im Auge. Das ein oder andere wird noch über die örtliche Lebensmittelkooperative bezogen. Die kleine Selbstversorgerlandwirtschaft ist übrigens nicht biozertifiziert, auch hier wird die berühmte Schublade umgangen. „Wir wollen das nach unserem besten Wissen und Gewissen machen und nicht weil wer sagt, das ist gut“, sind sich die beiden einig. Kompromisse werden dennoch eingegangen, zum Beispiel bei der Arbeitskleidung, hier wird Softshell der schweren Lederjacke vorgezogen. Plastik wird allerdings so gut es geht vermieden oder reduziert. Zudem versucht sich das Paar auch im Seifensieden und Körbeflechten, Gregor schmiedet seine Messer von Hand, gemäß seinem Motto: „Man muss nicht alles können, aber man kann alles lernen.“
Strom aus dem Garten
„Wenn ich keinen Strom mehr habe, dann bin ich selbst schuld und nicht der Anbieter, für den es sich nicht mehr rentiert“, so Gregor. Ganz bewusst lehnen sie den Zugang zum öffentlichen Netz ab, sie betreiben ihre eigene vier kW-Photovoltaik-Inselanlage. Ohne Einschränkung liegt ihr Tagesverbrauch bei etwa 1,5 kW, weit unter dem Durchschnitt eines „normalen“ Haushaltes. Auf einen Laptop mit mobilem Internet, eine Waschmaschine, eine stromsparende Kühltruhe (125 Watt/Tag) sowie seit Neuestem einen Geschirrspüler, der mit Warmwasser läuft, müssen sie dennoch nicht verzichten. „Mittlerweile leben wir ja nahezu im Luxus“, meint Gregor augenzwinkernd. LED-Lämpchen sorgen im Haus für die Beleuchtung, ein Holzofen für die wohlige Wärme in den Zimmern. Die“natürlichen“ Kühlschränke – der Erdkeller sowie eine Speis – halten die Nahrungsmittel rund um Haus und Hof frisch. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf etwas verzichten muss, man muss nur ein bisserl drüber nachdenken. Wenn ich meine Haare abends wasche, darf ich halt nur kurz föhnen, sonst sind die Batterien down“, so Marianne. Und die Waschmaschine wird eben bei Sonnenschein eingeschaltet. Was auf den ersten Blick vielleicht idyllisch klingt, ist beim näheren Hinschauen auch mit viel harter Arbeit verbunden.
Ein harter Kampf
Denn der einzig bewohnbare Raum war 2006 die Stube, der Anschluss an das öffentliche Stromnetz sowie fließend Wasser war nicht vorhanden, „anfangs pumpten wir das Wasser händisch aus dem Brunnen, um unsere Körperpflege zu erledigen“, erinnert sich Marianne. Bad oder WC war zu dieser Zeit noch Zukunftsmusik, im ersten Winter musste der Wald oder ein entsprechender Kübel Ersatz bieten. „Der erste größere Luxus war schließlich der Abfluss, damit das gebrauchte Wasser abrinnen konnte. Damals hatten wir noch keine Ahnung von einer Baustelle. Wie man ein Abflussrohr richtig verlegt, das erfuhr ich aus einem Baumarkt-Katalog“, grinst Gregor. Stück für Stück sanierten und renovierten sie in Handarbeit und mit viel Liebe ihr neues Eigenheim, die vielen Herausforderungen ließen sie schrittweise wachsen. „Jetzt, nach zehn Jahren, habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass wir so halbwegs fertig werden“, meint Marianne. Und ein neues Projekt steht schon auf der Agenda, ein Teich samt angrenzendem Glashaus.
Faszination Pferd
Rund um das Haus entstanden nach und nach Pferdekoppeln, ein großer Offenstall, ein Sattel- und Reitplatz, eine Scheune für die Gerätschaften, weitläufige Gehege für die übrigen Tiere sowie eine Pflanzenkläranlage. Eigenholz und Steine dienten dabei als Grundmaterial. Die beiden ausgebildeten Veterinärmediziner sind ganz dem Westernreiten verfallen, vielfältige Trainingseinheiten, Kurse und Workshops werden das Jahr über auf der Red Oak Ranch angeboten, ihr Zubrot. Denn in einem sind sich die beiden sicher: „Überall wo Profit groß geschrieben wird, bleiben viele Menschen auf der Strecke.“ Gregor und Marianne Hronicek müssen sich jedenfalls nicht mehr auf die Sinnsuche begeben, sie haben den ihren schon gefunden.
Mehr zu den Hroniceks: www.gmh-westernreiten.at
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