Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Zeitreise ins Mittelalter: Die „kühnen Ritter“ von Annatsberg

Katharina Vogl, 25.08.2016 10:28

ANNATSBERG. Wir schreiben das 21. Jahrhundert, August 2016; HD-Fernsehen, e-Books, Clouds, Smartphone und Soziale Netzwerke sind bestimmender Teil unseres Lebens. Nicht zu vergessen Kettenhemd, Baldachin und Lanze – ja, richtig gehört! Letzteres ist zumindest für Ritter Hagen von Arnoldsperc nicht mehr wegzudenken. Der „kühne Ritter“ nimmt die Leser mit auf einen Ausflug in ein anderes Zeitalter.

Ritter Hagen von Arnoldsperc bei der Erstellung eines Kettenhemdes. Foto: KaVo
  1 / 9   Ritter Hagen von Arnoldsperc bei der Erstellung eines Kettenhemdes. Foto: KaVo

12. Jahrhundert, das mittelalterliche Adelsgeschlecht der Kuenringer hinterlässt große Spuren in der Region rund um Zwettl. Mitten in Arnoldsperc (Annatsberg) findet sich ein untergebener Hof, wo sich Ritter Hagen mit seiner Mannschaft niedergelassen hat. Dieses Szenario ist nicht einfach willkürlich erdacht, sondern fußt da und dort auf historischen Begebenheiten, die alten Niederschriften entnommen wurden. „Man sollte geschichtlich schon auf Vordermann sein“, meint Markus Maurer alias Ritter Hagen. Seit zwei Jahren gibt es nun den Verein „Milites Audaces“, was übersetzt so viel bedeutet, wie die „kühnen Ritter“. Interessiert hat ihn das Zeitalter jedoch schon viel früher.

Aller Anfang ist schwer

„Die Faszination ist bereits als 16-Jähriger auf einem Mittelalterfest in Eggenburg erwacht, als ein Teilnehmer dort an einem Kettenhemd bastelte“, erzählt Markus Maurer. Wieder zuhause angekommen, ließ ihn das Gesehene nicht mehr los, eine Anleitung zur Erstellung eines Kettenhemdes wurde gegoogelt. „Schnell wurde ich wieder in die Neuzeit versetzt, schließlich gab es erst mal zwei Seiten nur Warnhinweise – von den Peitschenhieben des Drahtes, über die Sehnenscheidenentzündung bis hin zum potentiellen Wahnsinnigwerden beim Anfertigen“, schmunzelt der 33-Jährige. Alles nicht ganz unbegründet, weiß er selbst. Denn das Kettenhemd wird in mühsamer Handarbeit angefertigt, Ring für Ring aneinandergehängt (siehe Foto), lange Ketten entstehen. Fixiert man diese jedoch nicht ausreichend, können sie vom Tisch fallen – die Entwirrung nimmt wiederum Stunden in Anspruch. Da könne man schon mal kurzzeitig den Verstand verlieren, grinst Markus. Er ist mittlerweile stolzer Besitzer von drei Kettenhemden, an seinem Letzten hat er „nur mehr“ vier Monate gewerkelt, täglich von acht Uhr abends bis zwei Uhr morgens. „

„Ein Pferd fehlt uns noch, das wäre für einen Ritter natürlich ganz wichtig. Aber da es mich in den Kinderjahren einmal vom Gaul geschmissen hat, ist es eher ein rotes Tuch für mich.“ Ritter Hagen

Vereinsgründung

So kam eines zum anderen, ein Bruder, ein Cousin sowie ein Nachbar teilten seine Leidenschaft, und irgendwann wollten sie selbst im Zuge eines Mittelalterfestes ein standesgemäßes Lager abhalten. Um das zu ermöglichen, war idealerweise eine Vereinsgründung vonnöten – gesagt, getan. Und seitdem sind sie dann und wann auf diversen Mittelalterfesten anzutreffen, so wie neulich auf der Burg Rappottenstein. „Wir sind eine reine darstellende Lagergruppe, ein Baldachin (Anm.: Überdachung aus Stoff), Tische, Bänke, Zelte und Betten zum Schlafen sowie eine Feuerstelle zählen hier zu den elementaren Dingen“, erklärt Markus. Und das Essen mithilfe von Feuer zuzubereiten, schmecke tausendmal besser, ist er überzeugt. So wird unter einem großen Baldachin versammelt gekocht, Fladenbrot gebacken, Eintöpfe oder Wildragout gegessen, sowie interessierten Besuchern die Anfertigung eines Kettenhemdes vor Augen geführt. Seit Kurzem zählt ein handgefertiger Wanderaltar zum neuesten Inventar, Spax und Ähnliches suche man da aber vergeblich. „Das ist ein absolutes No-Go, alles sollte möglichst realistisch und zeitgetreu sein, genauso wie unsere Schüsseln und Krüge aus Holz.“ Ganz spurlos geht die Neuzeit jedoch auch nicht vorüber, so wurden stilecht scheinende Teller von einem nahen Baumarkt angeschafft, potentielle Hilfsmittel und Verpackungen wie Dosen oder Plastikflaschen verschwinden ganz schnell in einem Jutesack. Verkauft wird nichts, kosten oder probieren ist auf Nachfrage aber kein Problem. „Wenn man am Freitag auf solch einem Fest sein Lager aufbaut, dort übernachtet, und am Samstag aufsteht, dann kann man sich mit dem Zeitalter und der Rolle als Ritter sehr gut identifizieren und alles andere ausblenden“, so Markus. Die Ritterehre wurde ihm selbst vor einem Jahr zuteil.

Ritterschlag

Der Ritterschlag ist wohl eine der höchsten Auszeichnungen, die ein Knappe oder Edelknecht erreichen kann. So auch bei Hagen von Arnoldsperc, der im September 2015 auf der Rosenburg von Graf Lance von Rothenfels in den Ritterstand erhoben wurde. Für Hagen überraschend, war er doch erst relativ kurz in der Szene. „Sei ohne Furcht im Angesicht deiner Feinde – sei tapfer und aufrecht – auf das Gott dich lieben möge – sprich stets die Wahrheit, auch wenn dies den eigenen Tod bedeutet – beschütze die Wehrlosen und tue kein Unrecht“, die Worte der ihm verliehenen Standesurkunde lassen schon erahnen, dass ein Ritter ehrenhafte Eigenschaften und Tugenden mitbringen sollte. Und die sollte man im Vorfeld unter Beweis stellen. Hat man sein Lager ordnungsgemäß beisammen, verhält man sich hilfreich anderen gegenüber, hat man beispielsweise schon Wachen abgehalten? All das kann einen solchen Ritterschlag begründen. Zudem brauche man einen Ritter, der dir eine Fürsprache macht, das ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt, erzählt Markus. Doch das war noch nicht alles. Fasten am Vortag und die Buße in der Nacht, kniend, mit einem Bußgewand aus (groben) Leinen versehen, und mit einem Aufpasser dabei, das zählt zur standesgemäßen Vorbereitung eines Ritterschlages. Und auch nach Erhalt desselben, gilt es danach zu leben, ein betrunkener Ritter, der quer durch das Lager grölt, den solle es nicht geben, meint Markus.

Und wie ist es mit der Ritterszene im Waldviertel bestellt?

„Rosenburg und Eggenburg sind allseits bekannt, im nördlichen Waldviertel ist die Szene allerdings sehr verhalten, Richtung Spitz runter werden die Mittelalterfans schon mehr“, so der 33-Jährige. Die „kühnen Ritter“ von Annatsberg sind derzeit österreichweit unterwegs, unser Land hat leider eine der kleinsten Mittelalterszenen, bedauern sie, im Gegensatz zu Tschechien, Italien, Frankreich oder Polen. Das nächste Mal sind sie im Oktober auf der Rosenburg zu sehen, dort werden sie Wache halten, in voller Montur und mit Lanze. (Die Schilder sind gerade im Werden.) Und weil es ja doch irgendwie „moderne“ Ritter sind, wird auch über Facebook kommuniziert – denn das Soziale Netzwerk ist in der heutigen Mittelalterszene nicht mehr wegzudenken!


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden