Die letzte Ruhestätte: „Ich fürchte mich nicht, wenn es mal aus ist“
ZWETTL. Zumindest einmal im Jahr holt die meisten von uns das Thema Tod ein – dann wenn Allerheiligen vor der Tür steht. Für viele ein rotes Tuch, etwas, mit dem man sich nicht so gerne beschäftigt. Tips hat mit zwei Menschen gesprochen, die mit dem Tod keinerlei Berührungsängste haben.
„Ein Friedhof ist für mich ein schöner besinnlicher Ort, vor allem zu Allerheiligen – mit all den beleuchteten und geschmückten Gräbern“, meint Richard Weber. Der junge Mann aus Merzenstein ist nebenerwerblich Totengräber. Er steht dem Ableben neutral gegenüber, denn Berührungsängste wären bei seiner Tätigkeit schlichtweg fehl am Platz. „Ich könnte zum Beispiel kein Altenpfleger sein, aber das hier ist für mich eine normale Arbeit. Wenn ich allerdings viele Begräbnisse auf einmal habe, bin ich froh über eine Verschnaufpause.“
Körperlich anspruchsvoll
Schließlich ist es eine körperlich anspruchsvolle Arbeit, auch wenn sein kleiner Bagger ihm mittlerweile wertvolle Unterstützung bietet. Das Öffnen des Grabes, die Abwicklung beim Begräbnis selbst, die Schließung der letzten Ruhestätte, die schlussendliche Präsentation sowie Instandhaltungsarbeiten zählen zu seinen Aufgaben. Und dabei ist jeder Auftrag einzigartig aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten. „Bei lockerem, sandigem Boden klappt die Verwesung recht gut, in meiner Pfarre haben wir jedoch viel lehmiges, feuchtes und damit zugleich luftdichtes Material, da verirrt sich auch kein Wurm und das kommt einer Konservierung gleich“, gibt der Totengräber, der neben Marbach auch Echsenbach, Etzen, Bad Großpertholz und Karlstift betreut, preis. Dass das dementsprechend rieche, ist selbsterklärend. Die weiteren Einzelheiten bleiben dem Leser an dieser Stelle erspart. Fakt ist, egal, ob eisig, feucht-kalt, brütend heiß, ob wochentags oder feiertags – ein Totengräber ist das ganze Jahr hindurch gefragt, die Arbeit duldet keinen Aufschub. Das begründet mitunter auch das vorhandene Nachwuchsproblem, denn bei diesem Amt müsse man zeitlich flexibel sein, weiß Richard aus eigener Erfahrung. „Darum heißt es auch so schön: Der durchschnittliche Totengräber ist sicher weißhaarig“, schmunzelt er.
Einer der Jüngsten
Er selbst ist hier eine Ausnahme, zählt er doch mit 29 Jahren zu den Jüngsten in seiner Branche. Und das ist mehr aus der Not heraus entstanden, nachdem damals in seiner Pfarre dringend ein Nachfolger gesucht wurde. Seitdem hat er schon viel erlebt, viel gesehen. Neben der körperlichen und zeitlichen Herausforderung ist eine weitere Sache unabdingbar. „Was man unbedingt braucht, ist das notwendige Feingefühl, man muss wissen, wie man mit den trauernden Angehörigen umgeht“, so Richard. Und auch wenn der Tod für ihn zum Leben gehört, eines lässt ihn nicht kalt: Wenn er Kinder oder junge Familienväter begraben muss.
Wenn ich Kinder eingraben muss, berührt mich das sehr. Schließlich habe ich auch zwei kleine Mädchen. Richard Weber, Totengräber
Richard Weber war dem Tod selbst bereits sehr nah, hatte er 2008 doch eine Gehirnhautentzündung. „Als es mir damals so schlecht ging, wäre es mir oft lieber gewesen, ich hätte sterben dürfen. Seitdem sehe ich das relativ pragmatisch, mein Leben dauert eben solange es dauert.“ Der fröhliche junge Mann hat keine Hemmungen, auch über seinen eigenen Tod zu sprechen. „Ich lasse mich einmal verbrennen, denn ich will keinem Kollegen zur Last fallen.“
Vermehrt Urnenbestattungen
Urnenbegräbnisse machen mittlerweile 20 Prozent seiner Aufträge aus, seinem Gefühl zufolge, werden es stetig mehr. Seine eigene Bestattung sollte übrigens einmal ganz traditionell ablaufen. „Traurig braucht es gar nicht sein, es sollte ein schönes Begräbnis sein, mit meinen Freunden der Blasmusik. Auf schwarze Kleidung lege ich gar keinen Wert. Einfach ein würdiger Abschied.“ Zu den „Arbeitsgeräten“ von Richard Weber zählt übrigens auch sein Bariton, das Musikinstrument hat er immer dabei. Gibt es bei einem letzten Gang mal keine musikalische Untermalung, so spielt er ein paar Stücke für den Verstorbenen, das gehöre für ihn einfach dazu.
Bestens vorbereitet
Von Merzenstein geht es weiter nach Zwettl, denn dort wartet der zweite Interviewpartner. Einem aufmerksamen Beobachter mag unter Umständen schon das Urnengrab am Eingang des erweiterten Areals des Propsteifriedhofes aufgefallen sein. Dort am schwarzen edlen Steinkreuz, das am Korpus des Grabes angebracht ist, sind bereits Name, Geburtsdatum und Foto eines Herrn eingraviert, das Sterbedatum fehlt allerdings.
„Ich habe vor, mich verbrennen zu lassen, dann werden sie mich heimschicken in einer Dose, und dann komme ich dort rein“, meint Herbert Eßmeister, während er auf jene Ruhestätte deutet. Der 76-Jährige pflegt zum Thema Tod einen ganz pragmatischen Zugang. Daher hat er bereits vorgesorgt, die Sterbeversicherung ist unter Dach und Fach und sein Urnengrab gekauft. „Als ich vor einiger Zeit zufällig erfahren habe, dass noch Plätze frei sind, dachte ich mir, dass erledige ich gleich, dass meine Hinterbliebenen einmal keine Ausgaben haben“, erzählt Herr Eßmeister. Das Einzige, mit dem er noch nicht gänzlich zufrieden ist, ist sein Foto am Kreuz, das sei ihm zu ernst, immerhin ist er ja kein Kind von Traurigkeit. Gerne möchte er es noch auswechseln.
Zwar denkt Herbert dann und wann über den Tod nach, aber Angst vorm Sterben hat er nicht, dafür habe er schon zu viel erlebt. „Das hat noch ein jeder ausgehalten, wenn es nicht mehr wehtut, wie meine Operation (Anmerkung: Prostatakrebs), dann ist es zum Aushalten“, so der 76-Jährige mit einem Augenzwinkern. An ein Leben nach dem Tod glaubt er allerdings nicht, auch wenn er sich durchaus als gläubigen Menschen betrachtet. Wenn er sich etwas wünschen könnte, dann, dass er noch 20 Jahre gesund weiterleben darf. Das Leben, das genießt er nun. Und wenn es dann einmal so weit ist, dann könne er von der Propstei aus „runter schauen auf die da unten“, grinst Herbert Eßmeister abschließend.
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