Fotocredit: Teresa Ines Sagerer
Mein Schatz und ich haben uns am 02.12.2019 das erste Mal gesehen. Für mich war es ein - fast - normaler Arbeitstag im Gemeindeamt der Marktgemeinde St. Georgen im Attergau. Das einzig, doch relativ Außergewöhnliche an diesem Arbeitstag war, dass eine feuerpolizeiliche Überprüfung eines "Messie-Wohnhauses" erfolgen sollte bzw. musste, weshalb Bürgermeister, Vizebürgermeisterin, Bauamtsleiter und ich bereits einigermaßen nervös waren, zumal Herr Bürgermeister bereits vom Bezirkshauptmann auf seine baupolizeiliche, feuerpolizeiliche und sanitätspolizeiliche Zuständigkeit hingewiesen und mit der Erledigung beauftragt wurde und auch die Polizei in Kenntnis der Problematik war. Zudem war der für die Marktgemeinde St. Georgen im Attergau eigentlich zuständige feuerpolizeiliche Sachverständige just an diesem Tag verhindert und musste einen - uns gänzlich unbekannten - Vertreter entsenden. Bereits am Wochenende zuvor hatten wir (=die Mitarbeiter des Gemeindeamtes) freiwillig den Eigentümern und Bewohnern des Wohnhauses beim Entrümpeln und Entsorgen geholfen, da wir befürchteten, dass der feuerpolizeiliche Sachverständige bei seiner Befundung und Begutachtung des Hauses zu dem Ergebnis gelangen könnte, dass der Bürgermeister mit Bescheid die Nutzung des Gebäudes untersagen müsste (zumal kaum Fluchtwege frei waren, Brandgefahr bestehen hätte können, etc.). Dies wollten wir unbedingt vermeiden, da die Geschichte, die sich hinter diesem Messietum verbarg, eine sehr traurige war. Die Eigentümerin des Wohnhauses war sehr krank und hortete unzählige Dinge. Sie verstarb Ende November 2019 und musste von der Feuerwehr aus ihrem Haus geborgen werden (da die Fluchtwege völlig versperrt und ein Durchkommen kaum möglich war). Sie hinterließ einen Ehegatten im Alter von über 70 Jahren, der bereits vor Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte und daraufhin beinahe nicht mehr sprechen konnte. Der Sohn der beiden wurde bei einem Autounfall schwer verletzt und ist seit Jahren körperlich stark eingeschränkt. Die Schwiegertochter ist erblindet. Der Sohn und dessen blinde Gattin halfen, so gut sie konnten mit, jedoch war der alte Mann praktisch auf sich allein gestellt mit dem gesamten Chaos. In zweitägiger Arbeit entsorgten wir 2 x Müll im Ausmaß zweier 40m³-Container. Leider war auch am 02.12.2019, am Tag der Überprüfung durch den Sachverständigen der Brandverhütungsstelle für Oberösterreich, noch immer sehr viel Gerümpel im Gebäude. Die Familie und die Gemeindemitarbeiter sowie der Bürgermeister befürchteten daher nach wie vor, trotz der Vorarbeiten, dass eine Untersagung der Nutzung bevorstehen könnte. Der alte Mann müsste damit aus dem Haus und wüsste aber nicht wohin, da sein verunfallter Sohn samt blinder Gattin sehr beengt in Wien wohnen, wohin der alte Herr aber überhaupt keine Bezug hätte, da er seit Jahrzehnten in St. Georgen lebt. Am 02.12.2019, um 12:48 Uhr, trat ich gerade, ein schnelles Laugenweckerl in mich hineinstopfend (es war ein sehr stressiger Tag) durch die Hintertür in das Gemeindeamt ein, als ein junger Mann vor mir stand und mich nach einer Parkuhr fragt (wir haben vor dem Gemeindeamt eine Kurzparkzone). Ich dachte mir: "Hübscher Kerl, was will der hier in der Mittagspause?" und deutete auf einen kleinen Tisch, auf welchem Parkuhren zur freien Entnahme lagen (sprechen konnte ich ja nicht, da mein Mund mit Laugenweckerl voll war). Daraufhin ging ich in mein Büro, erledigte noch einige Arbeiten, aß fertig und ging um 13:00 Uhr in die Bauabteilung, dem Treffpunkt zur feuerpol. Überprüfung. Dort wurde mir dann der "hübsche Kerl" als Sachverständiger der Brandverhütungsstelle, Ing. Andreas Imlinger, der in Vertretung des für uns zuständigen Kollegen, die feuerpolizeiliche Überprüfung durchführen wird, vorgestellt. Diese - unvorhersehbare - Vertretung war für die Gemeinde eine glückliche Fügung des Schicksals und für Andi und mich der Beginn unserer wunderschönen Liebesgeschichte. Die feuerpolizeiliche Überprüfung erfolgte völlig unproblematisch und ohne größere Beanstandungen, zumal Andi bereits langjährige Berufserfahrung hatte und uns sehr geholfen hat. Die anschließende Befundung und Begutachtung erfolgte mit meinem Kollegen aus der Bauabteilung und - obwohl nicht erforderlich - kam Andi nochmals in mein Büro, mit dem Ersuchen um meine Unterschrift. Zwei Stunden nach Dienstende erhielt ich von Andi eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Wir schrieben uns sogleich und bot er sofort an, uns bei der weiteren Entrümpelung des Messiehauses zu helfen. Am 07.12.2019 kamen er und sein Bruder und halfen uns bei der neuerlichen Entrümpelung des Gebäudes (weitere zwei 40m³ Container Müll). Am 10.12.2019 hatten wir unser erstes Date zu zweit (in einer Kletterhalle, mit anschließendem Abendessen). Am 12.12.2019 lud er mich zu sich nach Hause, zum selbst gekochten Abendessen ein. Dann fuhr ich auf Urlaub und wir sahen uns zwei lange Wochen nicht. Am ersten Tag nach meinem Urlaub fuhr ich gleich zu ihm und wir küssten uns noch an der Haustüre. Andi hat während meiner Abwesenheit seine Zuständigkeit für die Gemeinde St. Georgen i. A. beantragt und ist seit 02.12.2019 "unser" zuständiger feuerpolizeilicher Sachverständiger geblieben. So unerwartet und so rasend schnell unsere Liebesgeschichte begonnen hat, so führten wir sie auch weiter: (Spätestens) ab meiner Rückkehr aus meinem Urlaub war für uns klar, dass wir zusammen bleiben wollen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits vor, ein Haus zu bauen und hatte einen genehmigten Einreichplan. Allerdings hatte auch Andi vor, gemeinsam mit seinen drei Brüdern, ein Haus mit vier Wohnungen zu bauen. Auch dieser Einreichplan war fertig. Ich wohne in Straß im Attergau, Andi wohnte damals im 40 Kilometer entfernten Oberndorf bei Schwanenstadt. Andi war (und ist) zudem sehr aktiv in der Freiwilligen Feuerwehr Schwanenstadt tätig. Diese zwei eigenständigen Leben zu einem gemeinsamen zu vereinen, erschien schwierig. Wir dachten aber - und das war bestimmt gut so - nicht zu viel darüber nach, sondern bauten zuerst einmal "mein" Haus (in welchem wir nun gemeinsam leben) und dann "sein" Haus, in welchem nun zum Teil seine Brüder wohnen und welches zum anderen Teil vermietet ist. Andi hat sich entschieden, zu mir zu ziehen und hat damit vieles aufgegeben (unter anderem "seine" Feuerwehr, die für ihn immer einen sehr großen, wenn nicht sogar den größten Stellenwert in seinem Leben hatte). Am 02.12.2022 - und damit genau drei Jahre nach unserem Kennenlernen - hat er mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte. Auf unserer ersten, gemeinsamen Reise, unter Sternenhimmel auf hoher See, irgendwo zwischen Griechenland und Israel...