App unterstützt Pflegebedürftige, zu bekommen, was ihnen zusteht
SCHÖNAU. „60 Prozent der Pflegegeld-Bezieher sind falsch und zugleich zu niedrig eingestuft“, schätzt Werner Raffelseder. Gemeinsam mit Daniel Sturmair aus Niederthalheim hat der Schönauer eine App entwickelt, mit der es jedermann kostenlos möglich ist, in kurzer Zeit das ihm zustehende Pflegegeld auszurechnen.
Rosa (85, Name geändert) ist alleinstehend, hat mehrere schwere Operationen hinter sich und schafft den Haushalt und den Einkauf nicht mehr alleine. Sogar beim Toilettengang ist sie auf Hilfe angewiesen. Jede Nacht schauen ihr Sohn oder ihre Tochter mindestens einmal nach ihr. „Laut meiner Einschätzung hätte Rosa Pflegestufe drei bis vier. Der Gutachter hat seinen Besuch schnell abgewickelt, und weil Rosa einen guten Tag gehabt hat, ist sie in Stufe 0 eingestuft worden, also ohne Pflegegeld-Anspruch“, sagt Werner Raffelseder.
Problem ist mangelnde Vorbereitung
Der 39-Jährige ist seit elf Jahren in der Personenbetreuung tätig und vermittelt 24-Stunden-Pflegekräfte, vorwiegend aus der Slowakei. Die Krux an der Sache lag seiner Meinung nach an der mangelnden Vorbereitung auf den Gutachter-Besuch. Die App Pflegegeldhilfe, die Raffelseder gemeinsam mit Daniel Sturmair (42) aus Niederthalheim und einem Salzburger Programmierer ins Leben gerufen hat, soll Betroffene dabei unterstützen, das zu bekommen, was ihnen zusteht. „Es geht nicht darum, etwas auszunützen, sondern das einem zustehende Pflegegeld zu nutzen, auch um sich vielleicht später eine 24-Stunden-Pflege leisten zu können“, erklärt Sturmair, der mit seinem eigenen Unternehmen Platus vorwiegend IT-Hilfsmittel für Menschen mit Handicap anbietet.
Kostenloser Rechtsservice
Die App, im Google Play Store und im Apple Store unter dem Stichwort Pflegegeldhilfe kostenlos downloadbar, führt anhand eines Fragenkatalogs nach den gesetzlichen Voraussetzungen der Gutachter durch den Pflegeaufwand (Stunden pro Monat). „Wenn man diese wahrheitsgemäß beantwortet, bekommt man einen guten Überblick über die derzeit zustehende Pflegestufe“, erklärt Werner Raffelseder. In der kostenpflichtigen Premium-Version kann in einem Pflegetagebuch der tägliche Aufwand dokumentiert werden, es gibt einen Leitfaden, eine Checkliste und einen kostenlosen Rechtsservice. „Wir arbeiten mit einem Anwalt zusammen, der 80 Prozent der Berufungen gegen die Pflegegeld-Einstufung durchbringt“, so Daniel Sturmair. Das ist nicht unbedeutend, geht es pro Pflegestufe doch um einige 1.000 Euro im Jahr. Von der App können die Daten direkt an den Anwalt weitergeleitet werden.
Gutachter sieht Momentaufnahme
Warum offenbar so viele Pflegebedürftige falsch eingestuft sind, erklärt Raffelseder so: „Der Gutachter sieht nur eine Momentaufnahme des Pflegebedürftigen. Vielen älteren Menschen ist es peinlich, Schwäche zu zeigen, speziell vor Fremden reißen sie sich zusammen.“ Daher seien die Dokumentation des tatsächlichen Pflegeaufwands und ein Gespräch mit dem Pflegebedürftigen vor dem Gutachter-Besuch unbedingt nötig. „Kann man den Aufwand in der Unterstützung und Pflege schriftlich dokumentiert vorlegen, nützt das schon viel. Gute Vorbereitung wirkt sich jahrelang auf die Pflege aus“, weiß Raffelseder, der seine Großmutter gepflegt hat und später in das Gewerbe der Personenbetreuung eingestiegen ist.
Einspruch möglich
Besteht nach der Pflegegeld-Einstufung das Gefühl, dass diese nicht stimmt, hat man drei Monate Zeit, Einspruch zu erheben. „Dadurch verliert man kein Geld, wenn der Pflegebedürftige danach höher eingestuft wird, bekommt man die Differenz sogar nachgezahlt“, weiß Raffelseder. Und: Angesucht werden kann nicht nur einmal pro Jahr, sondern immer, wenn der Pflegeaufwand steigt.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden