Trotz Gendefekt: „Jana macht alles, was andere Kinder machen, nur vorsichtiger und langsamer“
AMPFLWANG. Am 21. Juni ist der internationale Tag der Aniridie, einem seltenen Gendefekt, der wörtlich übersetzt „Ohne Iris“ bedeutet. Jana, die dreijährige Tochter des Ampflwangers Jan Gockell leidet daran. Tips bat ihn zum Interview.
Tips: Ihre Tochter hat den seltenen Gendefekt Aniridie. Was ist das genau?
Jan Gockell: Aniridie betrifft primär das Auge, kann aber auch abhängig vom Typ und der Schwere des Gendefekts weitere Einflüsse auf die Entwicklung und Gesundheit nehmen. Neben dem Fehlen von Iris-Gewebe (Iris Hypoplasie) zeigt sich Aniridie auch durch Veränderungen in anderen Augenabschnitten: den Augenlinsen, dem Sehnerv und der Netzhaut.
Tips: Wie wurde bei Jana die Krankheit diagnostiziert? Wie haben Sie gemerkt, das etwas nicht stimmt?
Gockell: Wir hatten Glück, dass der zuständige Kinderarzt im Krankenhaus Vöcklabruck am dritten Tag nach Jana´s Geburt eine Anomalie an ihren Augen feststellte, da die Pupillen ständig ganz geöffnet waren. Nach etwa zwei Wochen des Wartens bekamen wir die Diagnose „Aniridie“. Wir konnten somit sofort mit der Suche nach Behandlungen und Hilfsmitteln beginnen.
Tips: Wie oft kommt diese Krankheit vor? Gibt es einen Auslöser für diesen Gendefekt?
Gockell: Unseres Wissens nach liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 1:200 000 und 1:1 000 000. Aniridie ist angeboren und wird durch eine Fehlfunktion des PAX6 Gens auf dem 11ten Chromosom verursacht, die bewirkt, dass die Entwicklung des Auges zu früh beendet wird. Die Erkrankung ist meistens erblich bedingt. In einem von drei Fällen kann aber auch eine „de novo“ Mutation auftreten. Diese Mutation kommt bei einem Kind vor, dessen Eltern nicht von der Erkrankung betroffen sind (sporadische Aniridie). Eine sporadische Aniridie liegt bei Jana vor.
Sonnenbrille und Kappe immer griffbereit
Tips: Wie kann man die Krankheit behandeln?
Gockell: Vorweg ist eine „Heilung“ nicht möglich, da es sich um einen Defekt im Erbgut handelt: Uns wurde über den Verein AWS-Aniridie Wagr. ein Besuch an der Uni-Klinik in Homburg (Saarland) bei Prof. Dr. Käsmann empfohlen, da sie eine Spezialistin auf diesem Gebiet ist. Nun fahren wir einmal im Jahr zu Prof. Dr. Viestenz an die Uniklinik nach Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt), der mit Prof. Käsmann in Homburg zusammengearbeitet hat. Ansonsten sind wir regelmäßig in der Augenambulanz in Vöcklabruck vorstellig und haben ca. einmal monatlich Sehfrühförderung durch das Sehfrühförderteam der Barmherzigen Brüder aus Linz.
Tips: Was kann man gegen die Blendempfindlichkeit machen?
Gockell: Menschen mit Aniridie brauchen Sonnenbrillen mit extrem schützenden Gläsern für draußen und müssen diese manchmal auch an wolkigen Tagen oder drinnen tragen. Zudem ist es immer wichtig bei Sonnenschein eine Schirmkappe oder einen Hut zu tragen, damit schon ein Großteil der direkten Sonneneinstrahlung abgehalten wird.
Tips: Hat Jana auch andere Nebenerkrankungen?
Gockell: Da haben wir direkt etwas Glück gehabt, denn Jana hat nur Photophobie: Lichtempfindlichkeit und Blendempfinden, die das Sehen erschweren kann. Sie kann Unwohlsein, Schmerzen und Kopfschmerzen verursachen.
Tips: Wie gehen Sie in der Familie mit der Krankheit um?
Gockell: Wir gehen damit ganz normal um, Jana macht alles, was andere Kinder machen, nur manchmal etwas vorsichtiger und langsamer. Wir achten darauf, dass sie immer ihre Brillen und Kappen trägt, wenn es erforderlich ist und geben ihr Augentropfen, damit die Hornhaut gut ernährt wird. Jana´s große, ein Jahr ältere Schwester Elisa ist sowohl ihre Lehrerin, Spielkameradin als auch Aufpasserin und somit passiert auch nicht viel.
Tips: Geht Jana schon in den Kindergarten und wie geht es Ihr dabei?
Gockell: Sie geht seit eineinhalb Jahren in den Kindergarten und zwar in die gleiche Gruppe wie ihre Schwester. Die Gruppe ist eine kleinere, in der Platz für zwei Integrationskinder ist, wodurch eine Betreuerin zusätzlich in der Gruppe ist. Dadurch hat sie einen ganz normalen Umgang mit anderen Kindern und ihr wird zudem ein erhöhtes Maß an Förderung geboten.
Tips: Gibt es andere Fälle, die betroffen sind und mit denen Sie sich austauschen können?
Gockell: Ja; es gibt andere Fälle. Wir sind über den Verein aus Deutschland AWS-Aniridie-WAGR e.V. , über die Facebook-Seiten Aniridia Germany, Aniridia Europe, Aniridia Day, Aniridic Family sowie über die Whatsapp-Gruppe „Aniridie Gruppe Bayern“ sowohl regional als auch international mit anderen vernetzt und somit auch im Austausch. Anfang des Jahres haben wir ein Treffen mit den Mitgliedern der „Bayerngruppe“ in Vilsbiburg organisiert, zu dem auch eine betroffene Erwachsene und ein Optiker mit viel Erfahrung bei Aniridiekindern eingeladen waren. Schön wäre es, wenn wir in Österreich auch ein solches Treffen veranstalten und ein kleines Netzwerk speziell für Betroffene in Österreich auf die Beine stellen könnten
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