BEZIRK. Steigende Lebensmittelpreise, hohe Wohn- und Energiekosten: Immer mehr Menschen sind auf Einrichtungen wie den soogut Sozialmarkt in Amstetten angewiesen. Auch hier ist der Bedarf an günstigen Lebensmitteln merkbar gestiegen, wie Marktleiterin Yurdagül Sahin auf Tips-Nachfrage berichtet.
„Die Kundeneinkäufe sind 2023 im Vergleich zum Vorjahr um etwa elf Prozent angestiegen. Diesem Wert entsprechend lässt sich erkennen, dass die Notwendigkeit für ein günstiges Lebensmittelangebot erneut angewachsen ist“, erklärt Yurdagül Sahin, die den soogut Sozialmarkt in der Wagmeisterstraße in Amstetten leitet. Der Markt besteht seit 2009. Derzeit sind sieben Mitarbeiter beschäftigt; rund 70 ehrenamtliche Helfer unterstützen das Team im Geschäftsalltag.
Viele junge Kunden und Familien im soogut Markt
Infolge der anhaltenden Teuerungen und der hohen Inflation hat sich die finanzielle Situation vieler Haushalte drastisch verändert. Nach Abzug aller Fixkosten bleibt für zahlreiche Menschen kaum mehr Geld zum Leben. Marktleiterin Sahin beobachtet einen „deutlichen Anstieg von jungen Menschen und Familien“, die auf die günstigen Einkaufsmöglichkeiten im soogut Sozialmarkt angewiesen sind, da ihr Einkommen nicht mehr bis zum Monatsende ausreicht.
„Vor der Erhöhung der Lebensmittelpreise kamen viele der 'Neuzugänge' noch mit Aktionseinkäufen in Supermärkten über die Runden. Nun sind sie jedoch dankbar dafür, dass sie hier im soogut Sozialmarkt selbstbestimmt über ihren Einkauf entscheiden können, um sich angemessen zu versorgen. Das bewusste Auswählen der benötigten Produkte gibt ihnen nicht das Gefühl, Almosen zu erhalten“, erklärt Sahin.
Leben an der Armutsgrenze
Obwohl immer mehr Menschen auf die Angebote von Sozialmärkten angewiesen sind, falle es vielen schwer, sich zu überwinden einen Einkaufspass zu beantragen. „Insbesondere für Frauen, die in der Vergangenheit hauptsächlich familiäre Care-Arbeit geleistet haben, Teilzeitbeschäftigungen nachgegangen sind und nun eine Mindestpension beziehen, ist es eine zermürbende Herausforderung sich einzugestehen, an der Armutsgrenze zu leben“, so Ursula Oswald, Pressesprecherin der soogut Sozialmärkte in Niederösterreich.
Ebenso treffe dies auf Menschen zu, die trotz ihrer Erwerbstätigkeit überraschenderweise feststellen mussten, dass ihr Einkommen nicht ausreicht, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
130 Einkäufe pro Tag
Pro Öffnungstag verzeichnet der soogut Markt in Amstetten etwa 130 Kundeneinkäufe. Er hat an sechs Tagen pro Woche geöffnet, insgesamt 23 Stunden. „Ein wichtiges Angebot für die Menschen aus der Region“, ist Oswald überzeugt.
Kein Rückgang der Spendenbereitschaft
Einen Rückgang der Spendenbereitschaft von Privatpersonen aufgrund der Teuerung sieht man im soogut Markt in Amstetten nicht. „In der Weihnachtszeit erlebten wir ein erfreulich vermehrtes Spendenaufkommen bei den soogut Sozialmärkten. Rund um die Feiertage wurde verstärkt auf soziale Projekte und bestehende Missstände hingewiesen und an die Empathie der Mitmenschen appelliert. In diesem Kontext erfuhren wir eine intensivere Unterstützung von Menschen, uns mit finanziellen Zuwendungen und Produktspenden zu helfen“, freut sich Oswald.
Dieses Engagement ermögliche, die soogut Sozialmärkte aufrechtzuerhalten und die Kunden mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. „In Rückmeldungen betonen Unterstützer, wie dankbar sie dafür sind, dass wir diese Märkte betreiben und einen Beitrag zur Linderung von Bedürftigkeit leisten“, so Oswald.
Jede Spende hilft
Die Amstettner Marktleiterin Yurdagül Sahin ergänzt: „Jeder gespendete Euro und jedes zur Verfügung gestellte Produkt stellt für uns einen wertvollen Beitrag dar, den wir zutiefst zu schätzen wissen. Die Großzügigkeit in der Weihnachtszeit stärkte nicht nur die finanzielle Grundlage unserer Arbeit, sondern zeigte auch, dass die Gemeinschaft sich bewusst für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Wir möchten allen Spendern herzlich für ihre Unterstützung danken und freuen uns, gemeinsam im neuen Jahr weiterhin einen positiven Einfluss auf das Leben armutsgefährdeter Menschen ausüben zu können.“
Manche Warengruppen müssen zugekauft werden
„Im Großen und Ganzen“ können die Kunden derzeit gut versorgt werden. Die Abgaben in Haushaltsmengen seien weiterhin unabdingbar, um möglichst viele Menschen mit den vorhandenen Produkten versorgen zu können.
„Aktuell mangelt es an Obst und Gemüse sowie Hygiene- und Grundnahrungsmitteln. Da wir unseren Kunden eine gute Vielfalt an Produkten anbieten wollen und sie mit günstigen Lebensmitteln versorgen möchten, haben wir ein paar wenige Warengruppen zugekauft. Es handelt sich dabei eben um jene Produkte, die wir in Form von Warenspenden nie oder kaum erhalten wie Butter, Nudeln, Öl, Waschmittel und Eier.
Von der Bevölkerung gut angenommen wurde 2023 die Christkind-Aktion, anlässlich derer Menschen Weihnachtsgeschenke für Kinder aus bedürftigen Familien im soogut Markt abgeben konnten. „Glücklicherweise haben wir heuer sogar mehr Geschenke als gewöhnlich erhalten, denn durch den Zuwachs an Kunden ist auch die Anzahl der Kinder bei uns im Markt gestiegen“, so Sahin.
Second Hand-Bereich
Auch der Second Hand-Bereich etabliere sich als ein immer mehr zusätzlich benötigtes Angebot im Markt. „Besonders gefragt sind Kinderartikel, aber auch Kleidung für Erwachsene und Haushaltsgegenstände. Durch die Kooperation mit den Umweltverbänden bekommen wir sehr gut erhaltene Freizeitgegenstände wie etwa Fahrräder und Roller, die eine wertvolle Bereicherung für unsere Kunden darstellen“, freut sich die Marktleiterin.
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