Neue Wohngruppe für junge Erwachsene mit psychischer Erkrankung in Hausmening
HAUSMENING. Mario und Heidi Enöckl unterstützen mit ihrer Mitte des Jahres gegründeten Serantos GmbH ab sofort junge Erwachsene mit psychischer Erkrankung auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben.
Schon Jahrzehnte lang sind Mario und Heidi Enöckl in der Pflege und Betreuung tätig und haben tiefgehende Einblicke in die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen dieser Personengruppe gewonnen.
„Aus unseren Erfahrungen heraus ist die Vision entstanden, eine Wohngruppe zu schaffen, die gezielt darauf ausgerichtet ist, die Entwicklung von Selbstständigkeit dieser Menschen zu fördern und zu unterstützen“, blickt Mario Enöckl zurück.
In der Vorbereitungs- und Gründungsphase wurden Mario und Heidi Enöckl von „riz up“, der Gründeragentur des Landes NÖ, am Standort Waidhofen/Ybbs unterstützt, das Land erteilte in Folge die Betriebsstättengenehmigung. Die Wohngruppe in Hausmening entstand.
Wohngruppe in Hausmening
Diese Wohngruppe umfasst acht Klienten, die in einem vollbetreuten Wohnangebot untergebracht sind und zusätzlich an einer Tagesbetreuung teilnehmen.
Mario Enöckl: „Das vollbetreute Wohnangebot gewährleistet eine 24-Stunden-Betreuung durch qualifizierte Fachkräfte, die sicherstellen, dass die Klienten rund um die Uhr professionell begleitet werden. Dieses Angebot umfasst eine vertraglich vereinbarte Vollzeitbetreuung, bei der die Klienten über einen definierten Zeitraum in unserer Einrichtung leben und betreut werden. Unser Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Klienten wie zu Hause fühlen und gleichzeitig die notwendige Unterstützung erhalten, um ein eigenständiges Leben zu führen.“
Parallel zur Vollzeitbetreuung wird von Montag bis Freitag eine strukturierte Tagesbetreuung angeboten, in der Klienten gezielt Fähigkeiten erlernen, festigen und in die Praxis umsetzen können.
„Darüber hinaus betreiben wir eine externe Tagesbetreuung mit einer Kapazität von fünf Plätzen, in der Klienten, die nicht in unserer Wohngruppe leben, tagsüber von ihrem Zuhause zu uns kommen, an unserem Betreuungsprogramm teilnehmen und am Ende des Tages in ihr privates Umfeld zurückkehren. Zusammengefasst bieten wir Platz für acht Klienten im vollbetreuten Wohnen und vergeben 13 Tagesbetreuungsplätze“, so Heidi Enöckl.
Noch Plätze verfügbar
In der vollbetreuten Wohngruppe stehe noch ein Platz zur Verfügung. Zusätzlich würde eine Ersatzliste geführt. Auch in der Tagesbetreuung für externe Klienten seien noch Plätze verfügbar.
Das Team der Serantos GmbH besteht aus qualifizierten Fachkräften mit fundierter Erfahrung im sozialen und pflegerischen Bereich.
Mario Enöckl: „Ein besonderer Schwerpunkt unserer Betreuung liegt auf der alltags- und haushaltsbezogenen Unterstützung von Klienten. Eine Mitarbeiterin kümmert sich hier nicht nur um die gemeinsame Zubereitung der täglichen Mahlzeiten mit den Klienten, sondern erstellt auch einen ausgewogenen Speiseplan und führt Einkäufe durch.“
Es sei auch angedacht, künftig als praxisorientierte Ausbildungsstätte für Schüler sowie für Studierende zu fungieren.
Sichere Umgebung bieten
Heidi Enöckl: „Unser zentrales Anliegen ist es, jungen erwachsenen Menschen mit einer psychischen Erkrankung eine stabile und sichere Umgebung zu bieten, in der sie die nötigen Fähigkeiten und das Vertrauen entwickeln können, um ein eigenständiges Leben sowohl im sozialen als auch im beruflichen Kontext führen zu können. Die Wohngruppe soll dabei nicht nur als Ort der Betreuung, sondern als Raum der Entwicklung und des Wachstums dienen, in dem die individuellen Stärken, Interessen und Potenziale der Klienten gefördert werden.“
Auf die Klienten warte ein „breit gefächertes und individuell abgestimmtes Betreuungsangebot“.
Bei der Tagesbetreuung werde großer Wert auf eine ausgewogene Mischung aus praktischen, kreativen und therapeutischen Aktivitäten gelegt. Die Klienten sollen aktiv in hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden.
Mario Enöckl: „Ein besonderes Highlight unserer Einrichtung ist unser großzügiges Gartengrundstück, auf dem wir die Möglichkeit bieten, sich intensiv mit der Gartengestaltung zu beschäftigen.“
Auch körperliche Aktivität soll gefördert werden. Besonders hervorzuheben seien die spezialisierten therapeutischen Angebote wie Musiktherapie oder tiergestützte Therapie mit einem ausgebildeten Therapiehund.
Persönliches Kennenlernen
Das Angebot der Serantos GmbH richtet sich an junge erwachsene Menschen, die gemäß § 24 NÖ SHG Menschen mit besonderen Bedürfnissen sind, die die Schulpflicht beendet haben und die aufgrund einer psychischen Erkrankung derzeit nicht in der Lage sind, einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nachzugehen.
„Um das Angebot einer Vollzeitbetreuung mit Tagesbetreuung sowie der Tagesstätte nutzen zu können, bitten wir um eine Kontaktaufnahme, damit wir ein persönliches Kennenlernen in unserer Wohngruppe organisieren beziehungsweise die Rahmenbedingungen abklären können. Ein beiderseitiges Kennenlernen ist uns sehr wichtig, da sich die Klienten in unserer Wohngruppe wohlfühlen sollen und wir gemeinsam aktiv in der Umsetzung der vereinbarten Ziele arbeiten möchten“, lädt Heidi Enöckl ein.
Psychische Gesundheit junger Menschen
„„Die psychische Gesundheit junger Menschen ist uns ein besonders wichtiges Anliegen. In unserer täglichen Arbeit beobachte wir, wie herausfordernd diese Lebensphase für viele Jugendliche und junge Erwachsene ist, insbesondere in einer Zeit, in der der Druck von außen stetig wächst und die Anforderungen immer komplexer werden“, berichtet Mario Enöckl.
Schulischer und beruflicher Druck
Die psychische Gesundheit junger Menschen werde maßgeblich durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. „Einer der bedeutendsten Stressoren, den wir häufig in meiner Arbeit erleben, ist der schulische und berufliche Druck, dem viele junge Menschen ausgesetzt sind. Der Übergang von der Schule ins Berufsleben stellt eine besonders kritische Phase dar, in der viele Jugendliche mit hohen Erwartungen konfrontiert werden. Dies kann zu erheblichen Belastungen führen, die sich, wenn sie nicht bewältigt werden, in Form von psychischen Erkrankungen manifestieren“, erklärt Heidi Enöckl.
Sozialer Druck
Auch der soziale Druck, der durch familiäre Erwartungen und den Umgang mit Gleichaltrigen entstehe, sei ein zentrales Thema. Heidi Enöckl: „Junge Menschen befinden sich in einer Phase der Identitätsfindung und sind gleichzeitig damit konfrontiert, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Dieser führt oft zu einem Gefühl der Unsicherheit und Überforderung, das die psychische Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen kann.“
Einfluss digitaler Medien und sozialer Netzwerke
Ein weiterer Aspekt, der immer wieder zur Sprache komme, sei der Einfluss der digitalen Medien und sozialen Netzwerke. „Die ständige Präsenz in sozialen Medien erzeugt einen erheblichen Vergleichsdruck und verstärkt oftmals das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dieses Phänomen kann zu einem Anstieg von Angststörungen und Depressionen führen, die immer häufiger diagnostiziert werden“, so Mario Enöckl.
Aktuelle Statistiken würden diese Erfahrungen in der Praxis untermauern. Beispielsweise zeige eine Erhebung des Robert Koch-Instituts, dass etwa 20 Prozent der Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren psychische Auffälligkeiten aufweisen.
„Diese Zahl hat in den letzten Jahren zugenommen und spiegelt die wachsenden Herausforderungen wider, mit denen junge Menschen konfrontiert sind“, ergänzt Mario Enöckl und meint weiter: „In unserem beruflichen Alltag begegnen wir häufig Krankheitsbildern wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Depressionen äußern sich oft in anhaltender Niedergeschlagenheit und einem Verlust des Interesses an früheren Aktivitäten. Angststörungen sind durch übermäßige Sorgen gekennzeichnet, die die jungen Menschen im Alltag stark einschränken. Essstörungen, insbesondere bei jungen Frauen, sind ein weiteres häufiges Problem, das oft in engem Zusammenhang mit negativen Körperbildern und einem geringen Selbstwertgefühl steht. Auch ADHS ist in dieser Altersgruppe zunehmend präsent und stellt eine große Herausforderung für die Betroffenen dar, sowohl in sozialer als auch in schulischer Hinsicht.“
Präventive Maßnahmen
Heidi Enöckl: „Es ist von größter Bedeutung, dass wir als Fachkräfte nicht nur auf die Symptome dieser Erkrankungen reagieren, sondern auch präventive Maßnahmen ergreifen, um das psychische Wohlbefinden junger Menschen zu fördern. Dies erfordert ein koordiniertes Vorgehen, bei dem Schulen, Familien und Gesundheitseinrichtungen zusammenarbeiten, um ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, das junge Menschen stärkt und ihnen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt, um ihre psychische Gesundheit zu erhalten und zu fördern. Insgesamt zeigt unsere berufliche Erfahrung, dass die psychische Gesundheit junger Menschen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren beeinflusst wird. Der steigende Druck, sei es durch Schule, Beruf oder soziale Netzwerke, trägt erheblich zur Zunahme psychischer Erkrankungen bei.“
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit junger Menschen
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit junger Menschen seien ein Thema, das unabhängig von individuellen Ansichten zur Pandemiepolitik betrachtet werden müsse. „Ob man die Lockdowns, Impfungen und anderen Maßnahmen für notwendig hielt oder nicht, steht hier nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es um die objektiven Auswirkungen, die diese Zeit auf das Leben und die mentale Gesundheit junger Menschen hatte. Unbestritten ist, dass die Pandemie das soziale Leben massiv eingeschränkt hat. Junge Menschen, die sich in einer entscheidenden Phase ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung befanden, waren plötzlich von wesentlichen Aspekten ihres Alltags abgeschnitten. Schulen, Universitäten, Sportvereine und kulturelle Einrichtungen wurden geschlossen, was dazu führte, dass wichtige soziale Kontakte und gemeinschaftliche Aktivitäten wegfielen“, so Heidi Enöckl.
Diese Einschränkungen hatten Auswirkungen auf die psychische Gesundheit vieler junger Menschen.
Ein besonders kritischer Punkt sei die verstärkte Nutzung sozialer Medien während der Pandemie. Mario Enöckl: „Aufgrund der physischen Isolation haben sich viele Jugendliche und junge Erwachsene vermehrt in die digitale Welt geflüchtet. In den sozialen Netzwerken stehen sie jedoch oft unter starkem Vergleichsdruck. Die Darstellung vermeintlich perfekter Leben anderer Menschen kann das eigene Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen und zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit führen. Dieses Phänomen hat während der Pandemie viele junge Menschen zusätzlich belastet und zu einem Anstieg von Angststörungen und Depressionen beigetragen.“
Daten und Studien
Laut einer Untersuchung des U.S. National Library of Medicine habe die Häufigkeit von Depressionen und Angststörungen bei jungen Erwachsenen seit Beginn der Pandemie signifikant zugenommen. „Diese psychischen Belastungen sind eine direkte Folge der anhaltenden Unsicherheit, der Isolation und der Veränderungen in Schule und Beruf, die junge Menschen während der Pandemie erleben mussten. Darüber hinaus haben auch die Herausforderungen im Bildungs- und Berufsbereich eine wichtige Rolle gespielt. Die Umstellung auf digitalen Unterricht, die Sorge um den Bildungsweg und die berufliche Zukunft, sowie die generelle Ungewissheit, wann und wie das Leben wieder normal werden würde, haben zusätzlichen psychischen Druck erzeugt“, so Heidi Enöckl.
Zusammengefasst lasse sich feststellen, dass die Corona-Pandemie, unabhängig von der persönlichen Meinung zu den getroffenen Maßnahmen, eine tiefgreifende und langfristige Belastung für die psychische Gesundheit junger Menschen darstelle. Diese Entwicklungen würden eine gezielte und umfassende Unterstützung erfordern, um die entstandenen Schäden zu beheben und jungen Menschen zu helfen, ihre mentale Gesundheit wieder zu stabilisieren.
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