Arbeiterkammer Amstetten zieht Halbjahresbilanz
BEZIRK. Arbeitsrechtliche und vor allem sozialrechtliche Problemstellungen sind ein wesentlicher Grund, warum es in der Bezirksstelle der Arbeiterkammer (AK) NÖ großen Zulauf gibt. Mit Rat und Hilfe stehen AK-Mitarbeiter ihren Mitgliedern zur Seite. Auch auch „spezielle Fälle“ sind dabei keine Seltenheit. Bezirksstellenleiter Herbert Grurl stellt in einer Pressekonferenz einen besonders interessanten Fall vor.
Ein Dienstnehmer wurde im Bezirk als Leiter einer Abteilung in einem Supermarkt angestellt. „In der zweiten Woche erlitt er einen Arbeitsunfall und musste daher in den Krankenstand gehen. Daraufhin beendete das Unternehmen das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung und begründete das damit, dass dies in der Probezeit zulässig sei“, berichtet AK-Bezirksstellenleiter Herbert Grurl.
Erst Tage später erhielt der Mann einen Dienstvertrag mit einer rückwirkend vereinbarten Probezeit von einem Monat.
Keine Meldungen
Bei der Überprüfung durch die AK-Bezirksstelle stellte sich auch heraus, dass der Mostviertler zwei Tage verspätet bei der Österreichischen Gebietskrankenkasse angemeldet wurde und der Arbeitsunfall nicht ordnungsgemäß bei der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) gemeldet wurde.
Daher hat der Dienstnehmer die Meldung selbst übernommen. „Weil der Fleischer kein Geld erhielt, intervenierte die AK beim Dienstgeber und forderte seine offenen Ansprüche inklusive Kündigungsentschädigung in der Höhe von rund 8.100 Euro brutto ein“, so Grurl.
Über 13.000 Anfragen
Der Fleischer ist einer von über 13.000 Menschen, die im ersten Halbjahr 2025 Kontakt mit der AK-Bezirksstelle aufgenommen haben. „Bei den genau 13.050 Fällen ging es manchmal nur um rasche Auskünfte“, so Grurl.
In rund 5.000 Fällen benötigten die Menschen hingegen weiterführende Beratung und die Unterstützung der AK-Experten in konkreten Problemfällen.
„Gerade die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage macht einmal mehr deutlich, wie wichtig wir als regionale Anlaufstelle sind“, zieht Grurl Bilanz. Insgesamt hat die Bezirksstelle im ersten Halbjahr über 3,81 Millionen Euro für die Arbeitnehmer der Region gesichert. 2.706.604 Euro wurden im Arbeits- und Sozialrecht, 1.410.866 Euro wurden im Rahmen der Insolvenzvertretung eingebracht.
Niederösterreich-Bilanz
Niederösterreichweit suchten mehr als 74.000 Arbeitnehmer im ersten Halbjahr die Hilfe der AK NÖ wegen Problemen am Arbeitsplatz.
„Für die Betroffenen haben wir 68,8 Millionen Euro erreicht“, zieht Kammerrat Gerald Einfalt Bilanz. Der Großteil waren ausstehende Löhne und Gehälter, nicht bezahlte Urlaubs- oder Kündigungsentschädigungen sowie Abfertigungen, die den Betroffenen zu Unrecht vorenthalten worden waren.
„Ohne unsere Beratung und Rechtsvertretung wären die meisten Betroffenen nicht zu ihrem Geld gekommen“, fasst Einfalt zusammen.
Thema Teilzeit
Erheblichen Bedarf an Beratungen der AK NÖ hatten Teilzeitbeschäftigte. „Gerade im Handel kommt es regelmäßig vor, dass Teilzeitbeschäftigte deutlich mehr arbeiten als ihre vertragliche Arbeitszeit ausmacht. Anders als politisch dargestellt, geht das zu Lasten der Betroffenen“, schildert Einfalt.
Das zeige eine Musterrechnung: Arbeitet ein Vollzeitbeschäftigter im Handel regelmäßig fünf Stunden mehr als vereinbart, bekommt er nach sieben Dienstjahren in der Gruppe C Stufe 3 genau 233,63 Euro netto zusätzlich im Monat ausbezahlt.
Bei einer Teilzeitbeschäftigung mit gleicher Einstufung und Berufserfahrung sind es bei regelmäßig fünf Stunden zusätzlicher Arbeit pro Woche nur 200,95 Euro. „Das bekommt die Teilzeitkraft aber auch nur, wenn sie ihre Mehrarbeit nicht innerhalb von drei Monaten 1:1 abbaut. In dem Fall würde sie nicht einmal Mehrarbeitszuschläge bekommen“, schildert Einfalt.
Dass mit Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitbeschäftigte so leicht umgegangen werden könne, sei für Arbeitgeber äußerst vorteilhaft und ein Mitgrund, warum viele Unternehmen vorwiegend Teilzeitstellen anbieten.
Arbeitsgesetz wird zum Teil missachtet
Die arbeitsrechtlichen Beratungen der AK NÖ zeigen einen weiteren Aspekt auf, schildert Einfalt: „Wenn in einem Unternehmen eine Vollzeitstelle frei wird, ist das Unternehmen laut Arbeitsgesetz verpflichtet, diese Stelle zunächst den Teilzeitbeschäftigten im Betrieb anzubieten. Bei unseren Beratungen sehen wir, dass das vielfach nicht eingehalten wird. So wird es Teilzeitbeschäftigten zusätzlich erschwert, Vollzeit zu arbeiten, wenn sie das wollen.“
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